JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0237 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Baurecht
03. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der C S in S, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20. November 2024, LVwG 2024/29/2252 15, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Steinberg am Rofan; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde Steinberg am Rofan hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. August 2024 wurde der Revisionswerberin die weitere Benützung eines näher bezeichneten Objektes in S. als Freizeitwohnsitz gemäß § 46 Abs. 6 lit. g in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) untersagt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurden die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, der private und berufliche Lebensmittelpunkt der Revisionswerberin befinde sich nicht in Österreich bzw. der Gemeinde S., sondern in Deutschland, wo sie ihren Hauptwohnsitz habe, an welchem sie mit ihrem Ehegatten wohne, und wo sie für eine näher bezeichnete Firma als Geschäftsführerin tätig sei. Das gegenständliche Gebäude sei somit als Freizeitwohnsitz gemäß der Legaldefinition in § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) zu qualifizieren; dies sei auch aus dem von der Revisionswerberin gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 13 Abs. 8 lit. c TROG 2022 abzuleiten, über welchen bis dato noch nicht entschieden worden sei.

4 Da das gegenständliche Objekt als Freizeitwohnsitz im Sinn des § 13 TROG 2022 genützt werde, ohne dass diesbezüglich die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen, habe die belangten Behörde zu Recht die weitere Benützung des genannten Objektes untersagt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, dieses kostenpflichtig aufzuheben.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die Revision erweist sich angesichts des aufgezeigten Abweichens des Verwaltungsgerichtes von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis einer Leistungsfrist für die Erfüllung eines behördlichen Auftrages als zulässig.

8 § 46 TBO 2022, LGBl. Nr. 44, lautet auszugsweise:

§ 46

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

...

(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese außer im Rahmen einer kurzzeitigen Vermietung an wechselnde Personen durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,

...

g) wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 13 Abs. 3 oder 8 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 als Freizeitwohnsitz oder ungeachtet des Erlöschens seiner Eigenschaft als Freizeitwohnsitz (§ 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022) weiter als Freizeitwohnsitz verwendet oder

...“

9 Die Revisionswerberin führt aus, der gegenständliche Auftrag zur Unterlassung einer weiteren raumordnungswidrigen Benützung gemäß § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2022 sei ein Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes und bedürfe daher der Festsetzung einer Erfüllungsfrist. Dem angefochtenen Erkenntnis fehle jegliche Fristsetzung für die Erfüllung des darin erteilten Auftrages; das Fehlen einer Leistungsfrist mache sohin den Auftrag inhaltlich rechtswidrig.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 59 Abs. 2 AVG klar, dass ein Auftrag eine Erfüllungsfrist enthalten muss; das Fehlen einer Leistungsfrist macht den Auftrag rechtswidrig. Das Fehlen einer Leistungsfrist bewirkt, dass dem Verpflichteten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides wirksamen Verpflichtung überhaupt keine Frist zur Verfügung stehen würde und ihm zur Erbringung der auferlegten Leistungen dann keine Zeit verbleibt. Ein Leistungsbescheid, der keine Leistungsfrist enthält, ist somit sofort ab Rechtskraft vollstreckbar (vgl. dazu jüngst VwGH 12.11.2024, Ra 2024/06/0130 und 0131, mwN).

11Der Auftrag zur Unterlassung eines weiteren raumordnungswidrigen Benützens gemäß § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2022 ist ein Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (im Sinn der Beendigung eines bereits gesetzten Verhaltens) und bedarf daher der Festsetzung einer Erfüllungsfrist. Im Revisionsfall wurde im Spruch des baubehördlichen Bescheides auch nicht die „unverzügliche“ Herstellung der vorgeschriebenen Anordnung aufgetragen, was einem völligen Fehlen einer Frist nämlich nicht gleich zu setzen wäre. Dem Bescheid fehlt vielmehr jegliche Fristsetzung für die Erfüllung des darin erteilten Auftrages im Sinn des § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2022, sodass dieser sofort vollstreckbar wäre, was gegen § 59 Abs. 2 AVG verstößt, wonach dem Verpflichteten eine angemessene Leistungsfrist einzuräumen ist (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 12.11.2024, Ra 2024/06/0130 und 0131, mwN).

12 Da das Verwaltungsgericht den keine Leistungsfrist enthaltenden baubehördlichen Auftrag bestätigte, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

13Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. April 2025