JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0130 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
12. November 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der A L und 2. des F L, beide in O, beide vertreten durch Dr. Emilio Stock, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Jochberger Straße 98, gegen das am 29. Mai 2024 mündlich verkündete und am 19. Juni 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, LVwG 2024/48/0912 15 und LVwG 2024/48/0913 15, betreffend Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach der Tiroler Bauordnung 2022 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Oberndorf; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde Oberndorf hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit dem an die Revisionswerberin ergangenen Bescheid vom 29. Februar 2024 sowie mit dem an den Revisionswerber ergangenen Bescheid vom 1. März 2024 wurde diesen durch die belangte Behörde jeweils die weitere Benützung eines näher bezeichneten Objektes in Oberndorf als Freizeitwohnsitz gemäß § 46 Abs. 6 lit. g Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) untersagt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurden die dagegen jeweils erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, die revisionswerbenden Parteien hätten selbst angegeben, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland befinde, die älteste Tochter dort in die Schule gehe und der Revisionswerber von dort seiner Arbeit nachgehe. Auch ihr Wunsch, ständig in O wohnen zu wollen, könne nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Das gegenständliche Objekt diene nicht der Befriedigung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses, sondern werde von den revisionswerbenden Parteien zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonstigen Erholungszwecken verwendet. Es sei auch kein Antrag für eine Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 8 lit. c Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) gestellt worden, zumal dieser schriftlich erfolgen, den betreffenden Wohnsitz bezeichnen und die zur Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen erforderlichen Angaben enthalten hätte müssen. Die belangte Behörde habe sich „folglich nicht mit der Würdigung des Antrages gemäß § 13 Abs 8 lit c TROG 2022 auseinandersetzen müssen, da ein solcher nie gestellt wurde.“

4 Das gegenständliche Objekt werde daher ohne eine entsprechende Berechtigung oder Ausnahmebewilligung als Freizeitwohnsitz im Sinn des § 13 Abs. 1 TROG 2022 benutzt, weshalb die seitens der belangten Behörde bescheidmäßig verfügte Untersagung der weiteren Benützung als Freizeitwohnsitz nicht zu beanstanden gewesen sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die Revision erweist sich angesichts des aufgezeigten Abweichens des Verwaltungsgerichtes von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis der Festsetzung einer Leistungsfrist für die Erfüllung eines behördlichen Auftrages als zulässig.

8 § 46 TBO 2022, LGBl. Nr. 44, lautet auszugsweise:

§ 46

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

...

(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese außer im Rahmen einer kurzzeitigen Vermietung an wechselnde Personen durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,

...

g) wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 13 Abs. 3 oder 8 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 als Freizeitwohnsitz oder ungeachtet des Erlöschens seiner Eigenschaft als Freizeitwohnsitz (§ 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022) weiter als Freizeitwohnsitz verwendet oder

...“

9 Die revisionswerbenden Parteien führen unter anderem aus, entgegen der ständigen Rechtsprechung des Veraltungsgerichtshofes enthalte der Untersagungsbescheid/das Erkenntnis keine Leistungsfrist; ein Auftrag müsse jedoch eine Erfüllungsfrist enthalten, nachdem das Fehlen einer Leistungsfrist bewirke, dass dem Verpflichteten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides wirksamen Verpflichtung überhaupt keine Frist zur Verfügung stünde (Hinweis auf VwGH 12.12.2013, 2013/06/0152, und VwGH 15.6.2011, 2011/05/0077).

Bereits mit diesem Vorbringen zeigen die revisionswerbenden Parteien eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 59 Abs. 2 AVG klar, dass ein Auftrag eine Erfüllungsfrist enthalten muss; das Fehlen einer Leistungsfrist macht den Auftrag rechtswidrig. Das Fehlen einer Leistungsfrist bewirkt, dass dem Verpflichteten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides wirksamen Verpflichtung überhaupt keine Frist zur Verfügung stünde und ihm zur Erbringung der auferlegten Leistungen dann keine Zeit verbliebe. Ein Leistungsbescheid, der keine Leistungsfrist enthält, ist somit sofort ab Rechtskraft vollstreckbar (vgl. dazu etwa VwGH 12.12.2013, 2013/06/0152, mwN).

11Der Auftrag zur Unterlassung eines weiteren raumordnungswidrigen Benützens gemäß § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2022 ist ein Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (im Sinn der Beendigung eines bereits gesetzten Verhaltens) und bedarf daher der Festsetzung einer Erfüllungsfrist (vgl. zu diesem Erfordernis VwGH 15.7.2003, 2003/05/0001, mwN). Im Revisionsfall wurde im jeweiligen Spruch der baubehördlichen Bescheide auch nicht die „unverzügliche“ Herstellung der vorgeschriebenen Anordnungen aufgetragen, was einem völligen Fehlen einer Frist nämlich nicht gleich zu setzen wäre (vgl. neuerlich VwGH 12.12.2013, 2013/06/0152, mwN). Den Bescheiden fehlt vielmehr jegliche Fristsetzung für die Erfüllung des darin erteilten Auftrages im Sinn des § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2022, sodass dieser sofort vollstreckbar wäre, was gegen § 59 Abs. 2 AVG verstößt, wonach dem Verpflichteten eine angemessene Leistungsfrist einzuräumen ist.

12 Da das Verwaltungsgericht die keine Leistungsfrist enthaltenden baubehördlichen Aufträge bestätigte, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig.

Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wodurch sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigt.

13Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. November 2024