Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Ing. M N, in G, vertreten durch die Lindner Rock Rechtsanwälte OG in 8043 Graz, Mariatrosterstraße 87a, gegen das am 3. August 2023 mündlich verkündete und am 31. August 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, LVwG 50.40 892/2023 31, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Graz; mitbeteiligte Partei: A GmbH in S; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 2023, mit welchem der mitbeteiligten Partei gemäß § 29 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage bestehend aus vier Wohngebäuden mit insgesamt 50 Wohneinheiten, von Außenanlagen und einer Tiefgarage sowie zur Vornahme von Geländeveränderungen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG L unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
5 Zu der vom Revisionswerber eingewendeten Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abstände führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 29.6.2000, 99/06/0087, begründend aus, die gegenständliche Unterschreitung des Gebäudeabstandes durch das Bauvorhaben sei zulässig, weil das (Transformatoren-)Gebäude auf dem Nachbargrundstück selbst den Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG unterschreite, weshalb die Regelung des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG betreffend den Gebäudeabstand nicht anzuwenden sei. Andernfalls hätte die mitbeteiligte Partei den gesamten Gebäudeabstand - bis auf 1,00 m bzw. 0,99 m vollkommen auf ihrem Grundstück einzuhalten, während das Nachbargebäude sogar den nach § 13 Abs. 2 Stmk. BauG einzuhaltenden Grenzabstand deutlich unterschreite. Eine solche Interpretation des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG hieße, dieser Norm einen verfassungswidrigen Inhalt zu unterstellen, zumal sich aufgrund der Art, Lage und Größe der betroffenen Gebäude keine relevante Beeinträchtigung der durch das Stmk. BauG geschützten Interessen des Altbestandes auf dem Nachbargrundstück ergebe. Bei diesem Altbestand handle es sich nämlich um ein Transformatorengebäude, das von vornherein nicht dem Aufenthalt oder gar Wohnzwecken diene, sondern lediglich kurzzeitig zu Wartungs- und Reparatur- sowie allenfalls Kontrollzwecken nur von dazu befugten Personen betreten werden dürfe, weshalb eine relevante Beeinträchtigung der durch das Stmk. BauG geschützten Interessen der Belichtung und Besonnung des Altbestandes durch die Unterschreitung des Gebäudeabstandes nicht von Bedeutung sein könne. Das zu errichtende Gebäude halte außerdem nicht nur den erforderlichen Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG von 6 m ein, auch das von § 13 Abs. 9 Stmk. BauG aufgestellte Erfordernis, wonach der Gebäudeabstand mindestens 2 m zu betragen habe, sei im Revisionsfall erfüllt. Die Unterschreitung des in § 13 Abs. 1 Stmk. BauG vorgesehenen Gebäudeabstandes sei daher rechtmäßig.
6 Der Revisionswerber bringt in seiner Begründung für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision vor, zwar existiere bereits Rechtsprechung für solche Fälle, in denen der Gebäudeabstand nicht zu berücksichtigen sei, weil ein Bauwerk auf dem Nachbargrundstück den Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG unterschreite. Diese Rechtsprechung sei aber nur für solche Fälle einschlägig, bei denen im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung keine derartigen Grenzabstände gegolten hätten bzw. die Baubewilligung rechtswidriger Weise mit geringeren Grenzabständen erteilt worden sei (Hinweis auf „Ra 2018/06/0216“). Es fehle jedoch Rechtsprechung für jene Fälle, in denen zwar die Grenzabstandsregelungen gegolten hätten, jedoch aufgrund eines Konsenses der involvierten Parteien in den früheren Bauverfahren der Abstand rechtmäßig so bestimmt worden sei.
7 Weiters liege keine Rechtsprechung für jene Fälle vor, in denen die Gebäude zwar den Grenzabstand nicht einhielten, jedoch dennoch einen (geringeren) baulichen Abstand zur Nachbargrenze aufwiesen. Im Revisionsfall sei jedoch das Trafohäuschen auf dem Grundstück des Revisionswerbers mittels einer Mauer direkt mit einem Gebäude auf dem Baugrundstück verbunden.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.
8 Soweit sich die Revision auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruft, ist darauf zu verweisen, dass das bloße Fehlen einer solchen Rechtsprechung nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision führt. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert insoweit die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 18.4.2023, Ra 2023/06/0042, mwN).
9 Dem entspricht die vorliegende Revision nicht. Sie führt lediglich aus, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für jene Fälle gebe, in denen aufgrund eines Konsenses der involvierten Parteien in den früheren Bauverfahren der Abstand rechtmäßig so bestimmt worden sei, bzw. die Rechtsprechung den Umstand, dass das Trafohäuschen auf dem Grundstück des Revisionswerbers mittels einer Mauer direkt mit einem Gebäude auf dem Baugrundstück verbunden sei, nicht erfasse. Welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu beantworten hätte, ist der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision jedoch nicht zu entnehmen.
10 Dazu kommt, dass Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt ist (vgl. für viele VwGH 3.10.2016, Ra 2016/06/0110, mwN). Fallbezogen wird in der Zulässigkeitsbegründung von den Prämissen ausgegangen, dass zum einen der Grenzabstand des Transformatorengebäudes aufgrund eines „Konsenses der involvierten Parteien in den früheren Bauverfahren“ rechtmäßig bestimmt worden sei und zum anderen das Transformatorengebäude mittels einer Mauer mit dem Gebäude auf dem Baugrundstück verbunden sei. Damit führt der Revisionswerber Umstände für die Zulässigkeit seiner Revision ins Treffen, die nicht Eingang in die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses gefunden haben, zumal das Verwaltungsgericht ausdrücklich einen Grenzabstand des Transformatorengebäudes von 1,00 m bzw. 0,99 m festgestellt hat. Insofern entfernen sich daher die Ausführungen des Revisionswerbers, ohne der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung und den gegenständlichen Feststellungen in der Zulässigkeitsbegründung konkret entgegenzutreten und einen allenfalls dabei unterlaufenen, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellenden Verfahrensmangel geltend zu machen, von dem im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt. Schon deshalb zeigt er mit diesem Vorbringen fallbezogen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 15. Dezember 2023