JudikaturVwGH

Ra 2024/05/0067 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
04. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofksy, in der Revisionssache 1. des J B, 2. des Mag. S P, 3. der C P und 4. des Dr. J S, alle vertreten durch Mag. Claudia Fahrner und Tobias Lassacher, LL.M., Rechtsanwälte in Zell am See, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Februar 2024, LVwG 153923/7/JP 153926/2, betreffend Versagung einer Bauplatzbewilligung nach der Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Hinterstoder; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde H vom 25. Mai 2023, mit dem der Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 6. Dezember 2022 auf Schaffung von Bauplätzen und gleichzeitige Änderung von Grundstücksgrenzen näher genannter Grundstücke der KG H gemäß § 5 und § 9 der Oö. Bauordnung 1994 abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Begründung die Feststellung zugrunde, dass die betroffenen Grundstücke die Sonderwidmung Tourismusbetrieb „SOTB“ aufwiesen und im Eigentum bzw. Miteigentum der revisionswerbenden Parteien stünden. Die Grundstücke seien mit einer näher genannten Verordnung des Gemeindesrats der Gemeinde H mit Beschluss vom 28. Jänner 2021 zum Neuplanungsgebiet erklärt worden. In der Sitzung vom 15. Dezember 2022 habe der Gemeinderat die erste Verlängerung und in der Sitzung vom 14. Dezember 2023 die zweite Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet beschlossen.

3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass die Neuplanungsgebietsverordnung im Zeitpunkt der Antragstellung bereits in Kraft gestanden sei und aufgrund der beiden Verlängerungen noch bis Februar 2025 in Geltung stehe. Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken sowie Baubewilligungen dürften nur ausnahmsweise erteilt werden, wenn nach der jeweiligen Sachlage anzunehmen sei, dass die beantragte Bewilligung die Umsetzung des künftigen Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans nicht erschwere oder verhindere. Dies bedeute grundsätzlich, dass, solange die Verordnung in Geltung stehe, auch für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke keine Bewilligung erteilt werden dürfe. Es herrsche ein „Bauverbot“. Ausnahmen seien nur restriktiv möglich. Angesichts der Regelungsmöglichkeiten des Gemeinderats im zukünftigen Bebauungsplan könne nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen werden, dass eine Erteilung von Bauplatzbewilligungen bei gleichzeitiger Änderung der Grundstücksgrenzen sowie die Änderung der Bauplätze und bebauten Grundstücke betreffend die verfahrensgegenständlichen Grundstücke mit der Erstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet in Konflikt gerate und die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Bebauungsplans zumindest erschweren würde. Beispielsweise würde die Möglichkeit des Verordnungsgebers, Bauplätze innerhalb des betroffenen Gebiets im Bebauungsplan festzulegen, erheblich eingeschränkt. Schon aus diesem Grund sei die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hege auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend die Neuplanungsgebietsverordnungen.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Mit Beschluss vom 11. Juni 2024, E 1294/2024 9, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der parallel zur vorliegenden Revision gegen das Erkenntnis vom 15. Februar 2024 erhobenen Beschwerde abgelehnt und zu den von den revisionswerbenden Parteien geltend gemachten Normbedenken festgehalten:

„[...] Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde H[...] betreffend die Verhängung eines Neuplanungsgebietes, beschlossen am 28. Jänner 2021, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 4. Februar 2021 bis 19. Februar 2021, der Verordnung betreffend die 1. Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet, beschlossen am 15. Dezember 2022, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 2022 bis 3. Jänner 2023, und der Verordnung betreffend die 2. Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet, beschlossen am 14. Dezember 2023, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. Dezember 2023 bis 12. Jänner 2024, behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10.953/1986, 15.779/2000, 20.053/2015) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Die Grundzüge der beabsichtigten Neuplanung werden in der Verordnung vom 28. Jänner 2021 ebenso deutlich (vgl VfGH 28.11.2019, V 43/2019) wie die dahinterstehenden Zielvorstellungen (vgl VfGH 22.9.2020, V 67/2019). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beabsichtigten Planungsmaßnahmen letztlich rechtmäßig sind, denn diese Frage ist erst bei Prüfung des entsprechenden Planungsaktes relevant (vgl VfSlg. 11.743/1988, 14.271/1995).

Der normative Gehalt einer Verordnung gemäß § 37b Abs. 5 erster Satz Oö. ROG 1994 erschöpft sich in der Verlängerung des zeitlichen Geltungsbereiches einer Verordnung gemäß § 37b Abs. 1 leg. cit. (vgl. VfGH 1.12.2017, V 107/2017); die Verlängerung bedarf daher keiner besonderen Rechtfertigung.

Die Erlassung einer Bausperre, um eine konkrete Bebauung zu verhindern, ist nicht von vornherein gleichheitswidrig. § 37b Abs. 1 und 2 Oö. ROG 1994 zufolge ist es nämlich gerade der Sinn der Bausperre, baurechtliche Bewilligungen und damit das Unterlaufen der Änderungsabsicht des Gemeinderates durch Bebauungen der von der Bausperre betroffenen Grundstücke zu verhindern, sofern eine solche Bebauung nicht ‚ausnahmsweise‘ (so § 37b Abs. 2 Oö. ROG 1994) mit der beabsichtigten Planänderung vereinbar ist (VfSlg. 14.271/1995).“

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits vielfach ausgesprochen, dass in den zur Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Revisionszulässigkeitsgründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. nochmals etwa VwGH 21.6.2024, Ra 2024/05/0074, Rn. 10, mwN).

10 Die vorliegende Revision begründet ihre Zulässigkeit damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. So läge noch keine Rechtsprechung zur Frage vor, „wann Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und Baubewilligungen gem. § 37b Abs. 2 ausnahmsweise erteilt werden dürfen oder müssen. Aus dem Gesetz ist unklar, wie streng die Anforderungen an die Umschreibung für den Anlass in Grundzügen ist und inwiefern bzw. inwieweit die Gemeinde an diese umschriebenen Grundzüge gebunden ist, wenn ein Bauwerber um eine Bewilligung ansucht, die ihm nach Abs. 2 leg. cit. auch erteilt werden kann.“ Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, „ob und inwieweit die Gemeinde sogar verpflichtet ist, eine solche Bewilligung zu erteilen, sofern sie sich im Rahmen der festgehaltenen Grundzüge bewegt.“ Es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, „ob die Verlängerung eines Neuplanungsgebietes nach dem OÖ ROG eine Zweckänderung im Vergleich zur ursprünglichen Erlassung zulässig ist“, und zur Frage, „ob die Gemeinde bei Erlassung einer Neuplanungsgebiets-Verordnung auch die dementsprechenden Schritte setzen muss, die dem festgelegten planerischen Zweck entsprechen bzw. wann die Verordnung wegfällt, wenn der zumindest aktuell verfolgte Zweck, sofern diese Absichtsänderung zulässig wäre, was bestritten bleibt, nicht erreicht werden kann.“

11 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision beschränkt sich damit auf eine Aneinanderreihung von unterschiedlichen Fragen, ohne auf den konkreten Revisionsfall und die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses Bezug zu nehmen. Insbesondere setzte sich das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses mit der Frage auseinander, aus welchen Gründen fallbezogen nicht davon auszugehen sei, dass die beantragte Bewilligung ausnahmsweise vgl. § 37b Abs. 2 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 erteilt werden könne. Die Zulässigkeitsgründe der Revision gehen auf diese Begründung überhaupt nicht ein. Dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision fehlt es damit an einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von den revisionswerbenden Parteien konkret zugrunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vorliegt. Ohne konkrete Bezugnahme auf den Einzelfall ist die Begründung der Zulässigkeit einer Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. etwa VwGH 7.5.2024, Ra 2024/05/0047, Rn. 16, mwN).

12 Weiters stützt die Revision die Begründung ihrer Zulässigkeit auf das Vorbringen, „die erlassene Verordnung [sei] rechtswidrig, weil sie sich auf ein Gesetz stützt, das zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung nicht mehr bestanden hat. Damit sind auch Verlängerungen hinfällig, weil zwischen den Verlängerungen und der ursprünglichen Neuplanungsgebiets-Erklärung ein untrennbarer Zusammenhang besteht“.

13 Diese nicht näher ausgeführten Bedenken stellen ihrem Inhalt nach erkennbar verfassungsrechtliche Bedenken dar. Dazu ist auf Art. 133 Abs. 5 B VG zu verweisen. Eine (behauptete) Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten fällt in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 11.2.2025, Ra 2024/10/0161, Rn. 13, mwN). In diesem Zusammenhang sowie in Zusammenhang mit weiteren in den Zulässigkeitsgründen angesprochenen Normbedenken gegen die verfahrensgegenständliche Neuplanungsgebietsverordnung genügt es, auf die oben wiedergegebene Begründung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2024 zu verweisen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 4. August 2025