JudikaturVwGH

Ra 2024/05/0047 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision 1. des Ing. W M und 2. der B M, beide in K, beide vertreten durch die Urbanek Rudolph Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Europaplatz 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. November 2023, LVwG AV 1409/001 2023, betreffend einen Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Krems an der Donau; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die von den nunmehrigen Revisionswerbern erhobene Beschwerde gegen einen im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Abbruchbescheid hinsichtlich eines asphaltierten Lagerplatzes unter Präzisierung des Auftragsgegenstandes als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Jänner 2024, E 3974/2023 5, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung abgetreten hat.

3 In der Folge erhoben die Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshof habe bislang noch nicht geklärt, ob ein Abbruchauftrag nach § 35 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) erlassen werden dürfe, obwohl die Baubehörde nach der damals geltenden Rechtslage gemäß § 98 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1969 (NÖ BO 1969) verhalten gewesen sei, ein Bauansuchen sofern davon ausgegangen werde, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht vorlägen abzuweisen, und dies unterblieben sei.

8 Dem ist der klare Wortlaut des § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 entgegenzuhalten, nach dem die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Baubewilligungsantrags oder einer anhängigen Bauanzeige anzuordnen hat, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt. Nach dem Revisionsvorbringen ist unzweifelhaft, dass keine Baubewilligung erteilt worden ist. Ist ein Baubewilligungsverfahren worauf die Revision hindeutet (noch) anhängig, hindert dies nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 die Erlassung eines Abbruchauftrags nicht.

9 Des Weiteren wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshof habe bislang nicht entschieden, ob nach Maßgabe der Rechtslage nach der NÖ BO 1969 lediglich anzeigepflichtige Bauvorhaben im Sinne des § 94 NÖ BO 1969, die angezeigt worden seien, für den Fall, dass die Baubehörde deren Ausführung nicht binnen zwei Wochen untersagt habe, Gegenstand eines Abbruchauftrags nach § 35 NÖ BO 2014 sein könnten, obwohl nach Ablauf von vier Wochen der positive Bescheid als erlassen gelte. Ebenso sei zu klären, ob res iudicata vorliege, sofern die Baubehörden ein nach Maßgabe der NÖ BO 1969 angezeigtes Bauvorhaben nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Anzeige bescheidmäßig untersagt hätten.

10 Mit diesem Vorbringen legen die Revisionswerber nicht dar, inwieweit das Schicksal der Revision von der Beantwortung dieser Fragen abhinge, zumal damit nicht konkret und fallbezogen ausgeführt wird, es sei eine Bauanzeige eingebracht worden. Behauptet wurde vielmehr, dass in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt ein Baubewilligungsansuchen gestellt worden sei, über welches die Baubehörde nicht bescheidmäßig entschieden habe. Lag aber keine Bauanzeige vor, hängt die Entscheidung über die Revision nicht von der Nichtuntersagung eines (hier: nicht) angezeigten Bauvorhabens ab.

11 Die Zulässigkeit der Revision wird auch damit begründet, dass das angefochtene Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, wonach die Vermutung der Konsensmäßigkeit von Baulichkeiten eintrete, sofern deren Bestand länger zurückliege als der zusammenhängende Akt der Baubehörde. Von einem vermuteten Konsens sei nach ständiger Rechtsprechung insbesondere dann auszugehen, wenn aus der behaupteten Entstehungszeit der Bauten für ähnliche Bauten oder die in Rede stehenden Bauten Baubewilligungen für bauliche Änderungen im örtlichen Umkreis nicht lückenlos auffindbar seien.

12 Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich des Vorbringens zum vermuteten Baukonsens auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen, nach der die Vermutung des rechtmäßigen Bestands einer Baulichkeit nur dann Platz greifen soll, wenn der Zeitpunkt der Erbauung derselben offensichtlich so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (Hinweis auf VwGH 23.7.2013, 2013/05/0012).

13 Bezogen auf die vorliegende Rechtssache führte das Verwaltungsgericht aus, es lägen keine Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit der Archive des Bauamtes seit 1972 vor, zumal noch ältere Akten vorgelegt worden seien. Dafür, dass trotz Fehlens behördlicher Unterlagen von der erfolgten Erteilung einer Baubewilligung für den gegenständlichen Lagerplatz auszugehen sei, existierten keine Hinweise. Selbst die Revisionswerber seien davon ausgegangen, dass das Bauansuchen vom November 1972 schlichtweg unerledigt geblieben sei. Aktenkundig sei, dass sich die Baubehörde aufgrund des in der Schutzzone bestehenden Bauverbotes „außerstande gesehen“ habe, dem Ansuchen stattzugeben.

14 Ausgehend von dieser Begründung des Verwaltungsgerichtes vermögen die Zulässigkeitsausführungen der Revision keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen.

15 Schließlich beruft sich die Zulässigkeitsbegründung auf fehlende Rechtsprechung zu der Frage, ob es sich bei einem großteils unbefestigten Lagerplatz um ein Bauwerk bzw. eine bauliche Anlage iSd. § 4 Z 6 und Z 7 NÖ BO 2014 handle, zumal diese Vorfrage für die Beurteilung der Notwendigkeit einer allfälligen baubehördlichen Bewilligung sei.

16 Abgesehen davon, dass die Revisionswerber damit vom festgestellten Sachverhalt abweichen, demzufolge es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fläche um eine asphaltierte Fläche im Ausmaß von etwa 26 m x 33 m handle, und Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt ist (vgl. etwa VwGH 15.12.2023, Ra 2023/06/0200; 24.11.2022, Ra 2022/05/0158), fehlt es diesem nicht näher ausgeführten Vorbringen an jeglicher Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von den Revisionswerbern konkret zu Grunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage überhaupt vorliegt (vgl. dazu für viele etwa VwGH 25.3.2024, Ra 2021/05/0071, mwN). Weder wird in der Zulässigkeitsbegründung ein Bezug zum konkreten Sachverhalt hergestellt (vgl. etwa VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0039, mwN), noch erfolgt eine konkrete Bezugnahme auf die diesbezügliche, auf die dargestellten Rechtsgrundlagen und einschlägige hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 19.6.2002, 2000/05/0059, zur NÖ BO 1996) gestützte Begründung des Verwaltungsgerichtes. Ohne konkrete Bezugnahme auf den Einzelfall ist aber die Begründung der Zulässigkeit einer Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. etwa VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0231; 30.4.2021, Ra 2021/05/0075, mwN).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2024

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