JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0118 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des Wiener Berufungssenats gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. März 2024, VGW 131/V/014/2929/2024 2, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a Abs. 7 und 7a StVO (mitbeteiligte Partei: O OG in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 3. November 2021 wurde der Mitbeteiligten gemäß § 89a Abs. 7 und 7a StVO der Kostenersatz in Höhe von € 341, für die durch die Magistratsabteilung 48 am 13. April 2021 um 11:05 Uhr vorgenommene Entfernung und anschließende Aufbewahrung eines auf sie zugelassenen, dem Kennzeichen nach bezeichneten, verkehrsbehindernd abgestellt gewesenen Kraftfahrzeuges (Leichtmotorrad) von einer näher bestimmten Adresse in Wien vorgeschrieben.

2 Die dagegen erhobene Berufung wies der Wiener Berufungssenat (Amtsrevisionswerber) mit Berufungsbescheid vom 16. Jänner 2024 als unbegründet ab.

3 Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge und hob den angefochtenen Berufungsbescheid auf. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der unbeschränkt haftende Gesellschafter der Mitbeteiligten das näher bezeichnete Leichtmotorrad am 6. April 2021 außerhalb einer näher bezeichneten Ladezone abgestellt habe, ohne es in der weiteren Folge ortszuverändern. Am 13. April 2021 sei das Fahrzeug innerhalb der Ladezone und unmittelbar hinter dem Verbotszeichen des § 52 lit. a Z 13 StVO „Anfang“ abgestellt gewesen.

5 Das Verwaltungsgericht legte seine beweiswürdigenden Erwägungen offen, warum es der Sachverhaltsdarstellung des Lenkers und unbeschränkt haftenden Gesellschafters der Zulassungsbesitzerin zur Abstellung des Fahrzeuges und zum weiteren Geschehnisablauf (wonach unbefugte Dritte das ordnungsgemäß abgestellte Kfz nachträglich verkehrsbeeinträchtigend ortsverändert hätten) Glauben schenkte. Insbesondere ging das Verwaltungsgericht davon aus, „in Ansehung des relativ geringen Eigengewichts des Motorrades (135 kg) [sei] es mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Einklang zu bringen [...], dass bei bestehender Parkraumnot Verkehrsteilnehmer um eine ausreichend große (und auch den Anfordernissen der StVO entsprechenden) Parkfläche für ihr KFZ zu generieren, einspurige KFZ von geringem Eigengewicht händisch kurze Distanzen ortsverändern, um dies zu ermöglichen“.

6 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, nachdem es der Mitbeteiligten gelungen sei darzulegen, dass die Voraussetzungen für eine Entfernung nach § 89a Abs. 2 und 3 StVO zum Zeitpunkt des Abstellens noch nicht vorgelegen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision des Amtsrevisionswerbers mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8 In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren erstattete die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der keine Anträge gestellt und für die keine Kosten verzeichnet wurden.

9 Die Revision erweist sich als unzulässig.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 16.1.2025, Ra 2023/02/0236, mwN).

14 Der Amtsrevisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorhersehbarkeit einer Verkehrsbeeinträchtigung nach allgemeiner menschlicher Erfahrung (Hinweis auf VwGH 24.2.2000, 98/02/0060; VwGH 15.10.2013, 2009/02/0377, und VwGH 27.6.2014, 2013/02/0091) sowie zum Verursachungsprinzip (Hinweis auf VwGH 19.10.1978, 1437/77; VwGH 20.11.1998, 96/02/0161) abgewichen, indem es festgestellt habe, es sei mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Einklang zu bringen, dass bei bestehender Parkraumnot Verkehrsteilnehmer einspurige Kraftfahrzeuge von geringem Eigengewicht händisch kurze Distanzen ortsverändern. Gerade, weil bei einspurigen Kraftfahrzeugen von geringem Eigengewicht eine Ortsveränderung leicht bewerkstelligt werden könne und dies nach den Ausführungen der Mitbeteiligten selbst nicht selten vorkomme, sei die Verkehrsbeeinträchtigung nach allgemeiner menschlicher Erfahrung durch die Mitbeteiligte, zumal kein Verschulden vorliegen müsse, vorhersehbar gewesen. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt daher zu Unrecht unter den Tatbestand des § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO subsumiert.

15 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Amtsrevision nicht dargelegt:

16 Zwar ist dem Amtsrevisionswerber zunächst zuzustimmen, dass im Zusammenhang mit der Entfernung von Hindernissen und den damit verbundenen Kosten (§ 89a Abs. 7 StVO) das Verursachungsprinzip gilt und es daher auf das Verschulden nicht ankommt.

17 Gemäß § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO sind jedoch die Kosten für die Entfernung, Aufbewahrung und Übernahme des Gegenstandes und die Gefahr der Entfernung und Aufbewahrung von dem Rechtsträger zu tragen, dessen Organ die Entfernung veranlasst hat, wenn der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden ist, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen, es sei denn, dass dem Inhaber der bevorstehende Eintritt der Voraussetzung bekannt war oder dass die Aufstellung oder Lagerung von Anbeginn gesetzwidrig war.

18 Voraussetzung für die Kostentragungsregel des § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO ist, dass der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert wird, „zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen“, diese vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt durch entsprechende Handlungen der Behörde oder anderer Verkehrsteilnehmer eintreten. Gemeint sind damit jene Verkehrssituationen, in denen zum Zeitpunkt des Abstellens eines Gegenstandes bzw. eines Kraftfahrzeuges nach allgemeiner menschlicher Erfahrung das Eintreten einer Verkehrsbeeinträchtigung nicht vorausgesehen werden kann (vgl. zu alldem VwGH 20.11.1998, 96/02/0161).

19Die einzelfallbezogenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, welches im konkreten Fall dem Vorbringen des Lenkers zur ursprünglichen Abstellposition Glauben schenkte, aber nicht davon ausging, dass die tatsächliche Ortsveränderung des Fahrzeugs zur Parkplatzgenerierung vorhergesehen hätte werden können, können nicht als grob fehlerhaft oder unvertretbar angesehen werden (zu dieser Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung siehe z.B. VwGH 3.3.2025, Ra 2024/02/0069, mwN). Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der unbeschränkt haftende Gesellschafter der Mitbeteiligten das in Rede stehende Fahrzeug am 6. April 2021 außerhalb der Ladezone abgestellt, ohne es in der weiteren Folge ortszuverändern. Ausgehend von diesen Feststellungen zeigt die Amtsrevision mit ihrer oben wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung weder konkret auf, dass das Fahrzeug der Mitbeteiligten von Anbeginn gesetzwidrig abgestellt gewesen sei noch dem Lenker des Fahrzeuges der bevorstehende Eintritt der nachfolgenden „gesetzwidrigen Abstellung“ hätte bekannt sein können.

20 Die von der Amtsrevision zitierten hg. Judikate vermögen ihre Rechtsauffassung ebenso wenig zu tragen. In den Entscheidungen vom 24. Februar 2000, 98/02/0060 und vom 15. Oktober 2013, 2009/02/0377, sprach der Verwaltungsgerichtshof jeweils aus, dass das von der Beschwerdeführerin behauptete Verändern der Abstellposition ihres Fahrzeugs durch Dritte grundsätzlich geeignet sei, eine Verkehrssituation iSd § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO darzustellen, die belangte Behörde aber im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu wertenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass von einem Verstellen des Fahrzeugs durch unbefugte Dritte mangels konkreter Anhaltspunkte nicht auszugehen gewesen sei. Im Erkenntnis VwGH 27.6.2014, 2013/02/0091, kam der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass eine Verkehrssituation iSd § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO schon deshalb nicht vorgelegen sei, weil das Abstellen des Kraftfahrzeuges wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 StVO von Anbeginn rechtswidrig gewesen sei. In den von der Amtsrevision ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird somit keine zum Beleg der Rechtsauffassung der Amtsrevision relevante Aussage darüber getroffen, es sei nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung davon auszugehen, dass unbefugte Dritte ein ordnungsgemäß abgestelltes Kraftfahrzeug in einer verkehrsbeeinträchtigenden Weise nachträglich ortsverändern.

21Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist schon zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 BVG als zulässig darstellt, nicht einzugehen (vgl. erneut VwGH 16.1.2025, Ra 2023/02/0236, mwN).

22 In der Amtsrevision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. April 2025