Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des T A, vertreten durch Mag. Philipp Szelinger, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2023, W200 2262768 1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens aus einer Region nahe Aleppo, stellte am 18. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, er habe den Wehrdienst noch nicht abgeleistet und sei ausgereist, weil er keine Waffe habe tragen wollen.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Oktober 2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe Syrien aus einem damals vom IS besetzten Gebiet gemeinsam mit seiner Familie im Alter von 15 Jahren wegen des Krieges und aus Angst vor dem IS verlassen. Er habe seinen Militärdienst noch nicht geleistet und habe bisher keinen Einberufungsbefehl erhalten. Der Revisionswerber werde von der syrischen Regierung auch nicht wegen Wehrdienstverweigerung gesucht und sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht, von der syrischen Regierung als Oppositioneller bzw. politischer Gegner angesehen und verfolgt zu werden. Im Fall der Rückkehr würde er zum Militärdienst eingezogen werden; eine eventuell geplante Wehrdienstverweigerung im Fall der Rekrutierung durch den syrischen Staat habe der Revisionswerber von sich aus gar nie geäußert, sondern über das gesamte Verfahren persönlich nur angegeben, nicht zum Militär zu wollen oder am Krieg teilnehmen zu wollen. Nur seine Rechtsvertretung habe am Ende der Verhandlung vorgebracht, dass der Revisionswerber den Wehrdienst verweigern würde. Es bestünde für ihn auch noch immer die Möglichkeit, sich vom Wehrdienst freizukaufen.
5 Beweiswürdigend stützte sich das BVwG darauf, dass der Revisionswerber sein Vorbringen gesteigert habe. Syrien habe er verlassen, weil sein Heimatgebiet vom IS besetzt gewesen sei. Er selbst habe nie angegeben, den Wehrdienst für den syrischen Staat eventuell verweigern zu wollen; dies habe lediglich sein Rechtsvertreter am Schluss der mündlichen Verhandlung in einer allgemeinen Stellungnahme erstmalig vorgebracht. Der Revisionswerber habe von Österreich aus problemlos mit syrischen Behörden in Kontakt treten und Dokumente ausstellen lassen können.
6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit Aktenwidrigkeit, unrichtige und mangelhafte Beweiswürdigung, Begründungsmängel und fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Befreiungszahlung vom Wehrdienst geltend macht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision erblickt eine Aktenwidrigkeit darin, dass das BVwG festgestellt habe, der Revisionswerber habe nicht behauptet, den Militärdienst zu verweigern. Dies widerspreche den vom BVwG wiedergegebenen Angaben des Revisionswerbers, den Militärdienst nicht antreten und keine Waffe tragen zu wollen sowie die Weigerung, sich „freizukaufen“. Diese Angaben könnten nicht anders gedeutet werden, als den Militärdienst letztlich zu verweigern.
11 Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn sich die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die aufgrund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa VwGH 1.6.2023, Ra 2021/18/0356, mwN).
12 Im gegenständlichen Fall gab das BVwG den Akteninhalt nicht unrichtig wieder, sondern interpretierte die Angaben des Revisionswerbers im Laufe des Verfahrens beweiswürdigend dahingehend, dass er zwar nicht an kriegerischen Kampfhandlungen teilnehmen wolle, bei Rückkehr aber nicht soweit ginge, den Wehrdienst zu verweigern. Eine Aktenwidrigkeit liegt insoweit also nicht vor.
13 Was die soeben angesprochene Beweiswürdigung des BVwG anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 18.8.2023, Ra 2023/18/0215, mwN).
14 Das BVwG ist unter Würdigung der Aussagen des Revisionswerbers über das gesamte behördliche und gerichtliche Verfahren hinweg zum Schluss gekommen, dass dieser seine Heimat zwar aus Angst vor einer Rekrutierung durch den IS verlassen habe, jedoch bei einer Rückkehr den Wehrdienst für den syrischen Staat nicht verweigern würde. Es berücksichtigte dabei das Vorbringen des Rechtsvertreters des Revisionswerbers, kam jedoch aufgrund der vom Revisionswerber persönlich getätigten Angaben zu dem soeben dargestellten Schluss. Dass dies in einer unvertretbaren Weise erfolgt wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
15 Hinzu kommt, dass das BVwG hilfsweise eine drohende Verfolgung infolge Wehrdienstverweigerung wegen eines Konventionsgrundes im vorliegenden Fall ausdrücklich verneint hat. Dem tritt die Revision in der Zulassungsbegründung zwar unter Verweis auf die Länderfeststellungen entgegen, zeigt damit aber einen relevanten Begründungsmangel des angefochtenen Erkenntnisses nicht auf, weil sich aus diesen Länderfeststellungen ein differenziertes Bild der Haltung des Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern ergibt und daraus nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass dem Revisionswerber eine oppositionelle Haltung unterstellt werden würde.
16 Auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen betreffend die vom BVwG angenommene Möglichkeit eines Freikaufs vom Wehrdienst kommt es somit nicht an.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Dezember 2023