JudikaturVwGH

Ra 2023/17/0004 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. April 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des I O, in W, vertreten durch Dr. Ewald Sereda in 1010 Wien, Hegelgasse 21/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2022, I423 2232081 3/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem Asylgesetz 2005 und dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der 1988 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, hält sich seit November 2013 durchgehend im Bundesgebiet auf. Bis 2. Oktober 2018 verfügte er über Aufenthaltsbewilligungen als Studierender bzw. Schüler. Am 24. September 2018 stellte er einen entsprechenden Verlängerungsantrag.

2 Am 30. Jänner 2019 heiratete der Revisionswerber eine ungarische Staatsangehörige. In der Folge modifizierte er am 4. Februar 2019 seinen Verlängerungsantrag betreffend die Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ auf einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR Bürgers“. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. November 2019 zurückgewiesen, weil die Ehe des Revisionswerbers als Aufenthaltsehe eingestuft wurde.

3 Am 2. November 2020 beantragte der Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Die belangte Behörde wies diesen Antrag nach einem erfolglosen Verbesserungsauftrag mit Bescheid vom 23. November 2020 zurück. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) behob diesen Bescheid mit Beschluss vom 3. Februar 2022 und verwies das Verfahren an die belangte Behörde zurück.

4 Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21. Juli 2022 teilte die belangte Behörde dem Revisionswerber die beabsichtigte Ab bzw. Zurückweisung seines Antrages in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot sowie das Erfordernis einer persönlichen Antragstellung mit und gewährte eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme und Dokumentenvorlage. Mit E Mail vom 26. Juli 2022 modifizierte der Revisionswerber seinen Antrag gemäß § 55 AsylG zu einem Antrag gemäß 56 AsylG. Zu diesem übermittelte die belangte Behörde eine mit 5. August 2022 datierte weitere Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, zu welcher der Revisionswerber eine schriftliche Stellungnahme abgab.

5 Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 5. September 2022 wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurück (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gewährte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ausschließlich geltend macht, dass eine Antragszurückweisung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 nur für den Fall der Nichtmitwirkung an erkennungsdienstlichen Maßnahmen vorgesehen sei.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 6.12.2022, Ra 2022/17/0210, mwN).

12 Die Revision bringt unter diesem Gesichtspunkt ausschließlich vor, dass das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Mitwirkungspflicht abgewichen sei. Dem liegt allerdings ein unrichtiges Verständnis des in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ins Treffen geführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0039, zugrunde. Anders als die Revision meint, bezieht sich § 58 Abs. 11 AsylG 2005 nicht nur auf Mitwirkungsverpflichtungen im Zusammenhang mit erkennungsdienstlichen Daten und mit der Zustelladresse; der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr schon wiederholt ausgesprochen, dass die Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses grundsätzlich, wenn es nicht zu einer Heilung nach § 4 AsylG DV 2005 zu kommen hat, eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung rechtfertigt (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0214, mwN). Aber auch die Überprüfung der erkennungsdienstlichen Daten wurde im vorliegenden Fall mangels persönlicher Vorsprache des Revisionswerbers bei der Behörde nicht ermöglicht.

13 Auch von der persönlichen Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 kann gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 nur abgesehen werden, wenn der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist. Dass dies der Fall wäre, wurde weder während des vorangegangenen Verfahrens noch in der Revision behauptet.

14 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. April 2023

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