JudikaturVwGH

Ra 2023/15/0015 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Kirchdorf Perg Steyr in 4320 Perg, Herrenstraße 20, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 17. Februar 2021, Zl. RV/5100960/2015, betreffend Kapitalertragsteuer Dezember 2009, Dezember 2010 und Dezember 2011 (mitbeteiligte Partei: R F in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Nach einer Außenprüfung setzte das Finanzamt gegenüber dem Mitbeteiligten Kapitalertragsteuer aufgrund verdeckter Ausschüttungen für die Zeiträume Dezember 2009, Dezember 2010, und Dezember 2011 fest. Die Zustellung der Bescheide erfolgte an den bevollmächtigten Vertreter.

2 Die gegen die Bescheide erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen, woraufhin der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag stellte.

3 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unzulässig zurück. Es stellte fest, dass als steuerlicher Vertreter GP mit Geldvollmacht und elektronischer Akteneinsicht ausgewiesen gewesen sei. Eine gesonderte Zustellvollmacht des Steuerberaters für seinen Klienten sei damals weder zur StNr. xx (abgesondert durchgeführte Verbuchung gemäß § 213 Abs. 2 BAO bei nicht wiederkehrend zu erhebenden Abgaben im Falle einer Direktvorschreibung von KESt) noch zur StNr. yy an der Adresse des Steuerberaters ausgewiesen gewesen. Eine Bevollmächtigung müsse im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren enthalte jedoch der Beschwerdeschriftsatz keinen dezidierten Hinweis, dass eine Zustellvollmacht an den Steuerberater erteilt worden wäre. Auch in den dem Gericht zur Verfügung stehenden Datenbanken habe sich kein Hinweis auf eine Zustellvollmacht gefunden. Im Vorlagebericht des Finanzamtes sei unrichtigerweise beim Vertreter von einer aufrechten Zustellvollmacht ausgegangen worden. Eine gesonderte Zustellvollmacht für den Steuerberater habe im gegenständlichen Fall damals wie auch aktuell nicht vorgelegen. Die Zustellung hätte direkt an den Mitbeteiligten erfolgen müssen. Eine Heilung sei nicht eingetreten. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid zurückzuweisen. Da die als „Kapitalertragsteuerbescheide“ intendierten Erledigungen des Finanzamtes daher nicht rechtswirksam zugestellt worden seien, sei die dagegen erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass entgegen der Annahme des Bundesfinanzgerichtes eine Zustellvollmacht der mitbeteiligten Partei für den steuerlichen Vertreter GP zu St.Nr. yy seit 26. April 2012 bestanden habe.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und begründet.

7 Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der ausdrücklichen Berufung auf die erteilte Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl. VwGH 28.6.2012, 2010/16/0275, mwN).

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst eine allgemeine Vertretungsbefugnis (im Allgemeinen) auch eine Zustellbevollmächtigung (vgl. VwGH 28.6.2023, Ro 2023/13/0011; 5.6.2023, Ra 2023/13/0019). Dies gilt auch, wenn sich ein dazu befugter Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. VwGH 7.12.2021, Ra 2021/13/0094, mwN).

9 Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen für jeden Abgabepflichtigen die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.

10 Gemäß § 213 Abs. 2 BAO ist bei den anderen als den im Abs. 1 genannten Abgaben die Gebarung für jeden Abgabepflichtigen nach den einzelnen Abgaben getrennt oder zusammengefasst, jedoch abgesondert von den im Abs. 1 genannten Abgaben zu verbuchen.

11 Eine allgemeine Vertretungsvollmacht für die wiederkehrend zu erhebenden Abgaben im Sinne des § 213 Abs. 1 BAO schließt eine Zustellvollmacht mit ein. Dabei handelt es sich auch um die Einkommensteuer. Bei der Kapitalertragsteuer handelt es sich worauf das Finanzamt zu Recht verweist um eine Erhebungsform der Einkommensteuer (vgl. VwGH 15.9.2016, Ra 2014/15/0025). Eine solche allgemeine Vertretungsvollmacht schließt somit eine Zustellvollmacht für die Kapitalertragsteuer mit ein.

12 Das Finanzamt macht geltend, dass für das Abgabenkonto yy eine Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters ab dem Jahr 2012 bestanden hat. Dafür spricht auch der im Rahmen der Revisionsbeantwortung vom Mitbeteiligten selbst vorgelegte Ausdruck aus Finanzonline. Wie das Bundesfinanzgericht zu der Feststellung gelangt ist, dass keine Zustellvollmacht bestanden hat, ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss nicht und ist somit für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

13 Das Bundesfinanzgericht hat seinen Beschluss somit mit einer prävalierenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 26. Juni 2024

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