Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des M K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. Juli 2023, L519 2169556 4/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 7. Juli 2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der vom Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 25. Februar 2019 im Beschwerdeverfahren vollinhaltlich abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2019, Ra 2019/01/0141, zurückgewiesen.
2 Am 24. Oktober 2019 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. In einem wurde dem Revisionswerber keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 8. Jänner 2020 als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.
3 Am 19. Juni 2023 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalem Schutz (somit seinen zweiten Folgeantrag), den er im Wesentlichen damit begründete, dass sich an den Fluchtgründen seit der Erstantragstellung nichts geändert habe und er nach wie vor von einer islamischen Miliz mit dem Tod bedroht werde.
4 Mit Bescheid vom 3. Juli 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurück und erteilte keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, der Revisionswerber habe selbst angegeben, dass sich an den Gründen seiner Ausreise nichts geändert habe und sein Fluchtgrund derselbe sei. Zudem würde dem Revisionswerber auch aktuell keine Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen. Soweit in der Beschwerde auf die Integration des Revisionswerbers verwiesen werde, sei aus „Sicht des Gerichts“ klarzustellen, dass im gegenständlichen Verfahren zu Recht keine Rückkehrentscheidung ergangen sei und daher auf Integrationsschritte nicht einzugehen sei.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag zu Unrecht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, da der Revisionswerber auf die ihm drohende Verfolgung durch islamische Milizen verwiesen habe und sich aus den aktuellen Länderberichten ergebe, dass diese insbesondere die Miliz „Saray as Salam“ verstärkt gegen Personen vorgehen würden, die wie der Revisionswerber dem Islam kritisch gegenüber eingestellt seien.
11 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 6.4.2023, Ra 2023/14/0064 bis 0065, mwN).
12 Im vorliegenden Fall führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe im gegenständlichen Folgeantragsverfahren selbst angegeben, dass sich an den Gründen seiner Ausreise nichts geändert habe und sein Fluchtgrund nach wie vor derselbe sei. Die Revision setzt diesen Erwägungen, die letztlich vom Vorliegen einer entschiedenen Sache und somit diesbezüglich von keiner Änderung des Sachverhaltes ausgehen, nichts Stichhaltiges entgegen. Sie zeigt vor diesem Hintergrund auch nicht auf, dass sich das Bundesverwaltungsgericht von den dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung des Vorliegens der entschiedenen Sache entfernt hätte.
13 Soweit die Revision zudem die allgemeine Berichtslage zur Verfolgung von islamischen Milizen im Irak ins Treffen führt, ohne in dieser Hinsicht ein konkretes Vorbringen zur individuellen Situation des Revisionswerbers zu erstatten, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Fremden gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2022/20/0300, mwN).
14 Die Revision wendet sich darüber hinaus auch gegen die Zurückweisung des Folgeantrags wegen entschiedener Sache in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt zusammengefasst vor, der Revisionswerber würde mangels eines sozialen und privaten Netzwerks und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage bei einer Rückkehr in den Irak in eine existenzbedrohende Lage geraten.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits ausgeführt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 25.7.2023, Ra 2023/20/0289, mwN).
16 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der Revision mit ihrem allgemeinen Zulässigkeitsvorbringen nicht darzulegen, dass nunmehr derartige exzeptionelle Umstände bestünden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung des nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts arbeitsfähigen und gesunden Revisionswerbers mit familiären Anbindungen befürchten ließen, und daher in Bezug auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten eine relevante Sachverhaltsänderung seit der Vorentscheidung eingetreten wäre.
17 Unter dem Aspekt der Verletzung der Verhandlungspflicht bringt die Revision letztlich vor, der Revisionswerber habe durch Vorlage verschiedener Unterlagen nachgewiesen, dass sich seine Integration nach dem in Rechtskraft erwachsenen negativen Ausgang seines ersten Asylverfahrens intensiviert habe. Dementsprechend hätte sich das Bundesverwaltungsgericht für die Abwägung nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen müssen. Die im vorliegenden Fall mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung werde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich gegenstandslos, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 geboten sei.
18 Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 9 BFA-VG) bzw. einer (amtswegigen) Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, die die Vornahme einer Prüfung der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers beinhaltet hätte, nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen ist. Der dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und damit auch das angefochtene Erkenntnis enthält nämlich keine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG, weil eine solche (samt Einreiseverbot) bereits mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 erlassen worden war.
19 Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge ist zwar auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Besteht jedoch gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es gemäß § 59 Abs. 5 FPG bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück des FPG oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen (vgl. VwGH 30.8.2022, Ra 2022/14/0214, mwN). Dabei kommt dem Revisionswerber kein subjektives Recht auf Erlassung einer (neuerlichen) Rückkehrentscheidung zu. Eine Prüfung so wie es die Revision vor Augen hat , ob ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre, ist nach § 58 Abs. 2 AsylG 2005 nur für den Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0518, mwN).
20 Es besteht aber auch kein Rechtsschutzdefizit, weil dem Revisionswerber zur Geltendmachung seines Privat- und Familienlebens im Sinn von Art. 8 EMRK der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Verfügung steht, welcher zu erteilen ist, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Im Falle einer relevanten Änderung des diesbezüglichen Sachverhalts steht eine aufrechte Rückkehrentscheidung einem solchen Antrag auch nicht gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen (vgl. erneut VwGH 30.8.2022, Ra 2022/14/0214, mwN). Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FPG gegenstandslos, sodass auch dem deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden Einreiseverbot der Boden entzogen ist (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, mwN).
21 Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung somit nicht an, so dass auf dieses Vorbringen in der Revision nicht mehr einzugehen war.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. November 2023