Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des AS, vertreten durch Dr. Norbert Kittenberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 2025, W233 2238711 4/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, beantragte am 21. Juli 2020 sowie weiters am 13. Dezember 2022 und am 26. Jänner 2024 erfolglos internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), wobei er diese Anträge zusammengefasst jeweils mit einer behaupteten Verfolgung aufgrund seiner Beziehung mit einer verheirateten Frau und seiner Konversion zum Christentum begründete.
2 Der Revisionswerber stellte am 24. Dezember 2024 den verfahrensgegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz, den er erneut damit begründete, dass sein Leben in Gefahr sei, weil seine Familie und die Regierung ihn wegen seiner Konversion zum Christentum verfolgen würden.
3 Mit Bescheid vom 4. April 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen vierten Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Das BVwG traf soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich zunächst Feststellungen zur Person des Revisionswerbers, zu seinem Aufenthalt in Österreich und zum Inhalt der bisherigen Verfahren über die ersten drei Anträge des Revisionswerbers auf internationalen Schutz. Es habe sich keine entscheidungsmaßgebliche Änderung seitdem ergeben.
6 Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das BVwG aus, dass sich die in der Person des Revisionswerbers gelegenen Umstände im vorliegenden Verfahren, in welchem er sich auf Nachfrage explizit auf seine bereits vorgebrachten Asylgründe stütze, nämlich die Konversion und die Beziehung zu einer verheirateten Frau, nicht geändert hätten. Die vorgebrachte Konversion sei bereits im Rahmen des ersten Verfahrens als Scheinkonversion beurteilt und das Vorbringen zur Beziehung mit einer verheirateten Frau als nicht glaubhaft bewertet worden. Im zweiten Verfahren sei es dem Revisionswerber nicht gelungen darzulegen, dass er sich nach dem Abschluss des ersten Verfahrens eingehender mit dem christlichen Glauben befasst habe. Im Rahmen des dritten Verfahrens sei ebenso keine wesentliche Erweiterung des Glaubenswissens zutage gekommen und die im Verfahren vorgelegten Sprachnachrichten hätten keine religiösen Aktivitäten dargelegt, die eine Neubeurteilung erforderlich gemacht hätten. Ebenso sei in der Entscheidung zu diesem Verfahren bereits ausführlich dargelegt worden, dass der Behauptung, der Revisionswerber werde im Iran wegen einer außerehelichen Beziehung mit Gerichtsbeschluss gesucht, ein glaubhafter Kern fehle. Das Vorbringen im nunmehrigen Verfahren wiederhole das Vorbringen aus dem vorangegangenen Asylverfahren und sei nicht geeignet aufzuzeigen, dass eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten wäre.
7 Rechtlich führte das BVwG aus, dass der Antrag des Revisionswerbers sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen gewesen sei. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung wog das BVwG die privaten Interessen des Revisionswerbers mit den öffentlichen Interessen ab. Dabei bezog es unter anderem die Dauer des Aufenthalts, gestützt auf die mehrfachen Anträge auf internationalen Schutz, die Beschäftigungsbewilligung und die Sprachkenntnisse ebenso mit ein wie die Bindungen zum Bundesgebiet und zu seiner Heimat sowie die mangelnden familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und kam zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen überwiegen würden. Das Einreiseverbot sei vom BFA aufgrund der mehrfachen, missbräuchlichen Antragstellung, des mehrfachen Verstoßes gegen die Ausreiseverpflichtung, des Ignorierens gerichtlicher Entscheidungen und der Missachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen zu Recht erlassen worden, ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK sei aufgrund mangelnder familiärer Anknüpfungspunkte nicht gegeben. Dem BFA sei beizupflichten, dass auf Grund des sich ergebenden Persönlichkeitsbildes des Revisionswerbers ein Einreiseverbot zur Wahrung der öffentlichen Ordnung geboten sei. Die mündliche Verhandlung habe entfallen können, zumal der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen sei. Der Sachverhalt sei aus der Beschwerde in Verbindung mit den Verfahrensakten geklärt, es sei kein neues Vorbringen erstattet worden und das BFA habe die Länderberichte bereits in seinem Verfahren dem Parteiengehör unterzogen. Die Beschwerde sei unsubstantiiert geblieben.
8 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Zunächst rügt die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit eine Verletzung der Verhandlungspflicht im Zusammenhang mit der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG.
13 Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG der auch in nach dem BFA VG zu führenden Verfahren, insbesondere was die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG betrifft, anzuwenden ist kann die Verhandlung (u.a. dann) entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2024/19/0400, mwN).
14 Die Revision, die sich mit der Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG über die Wiedergabe von Rechtsprechungszitaten zu dieser Bestimmung hinaus nicht auseinandersetzt, zeigt mit ihrem Vorbringen, wonach der Revisionswerber nach wie vor mit seiner christlichen Gemeinschaft verbunden sei und nach mehreren Jahren nunmehr die Verschaffung eines neuen persönlichen Eindrucks von der Ernsthaftigkeit der Glaubensaktivitäten des Revisionswerbers geboten sei, nicht auf, dass das BVwG sein durch § 24 Abs. 2 VwGVG eingeräumtes Ermessen betreffend die Durchführung einer Verhandlung fehlerhaft ausgeübt hätte.
15 Sodann rügt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung eine Abweichung von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer entschiedenen Sache und zur Beurteilung eines „glaubhaften Kerns“ und stützt sich dabei auf eine Verletzung der Begründungspflicht.
16 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 29.11.2023, Ra 2023/14/0355, mwN).
17 Das BVwG stützte sich in seinen Erwägungen auf die Angaben des Revisionswerbers, wonach sich an den Gründen seiner Antragstellung nichts geändert habe und seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht wären, und setzte diese Angaben mit jenen aus den ersten drei Verfahren in Relation. Dass das BVwG fallbezogen von den oben angeführten Leitlinien abgewichen wäre und damit die Erwägungen des BVwG zum fehlenden „glaubhaften Kern“ unzutreffend gewesen wären, zeigt die Revision mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen nicht auf.
18 Soweit die Revision außerdem vorbringt, dass die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks erfordert hätte, ist darauf hinzuweisen, dass aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten ist. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 24.4.2025, Ra 2025/14/0094, mwN). Die Revision vermag mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht darzulegen, dass das BVwG unvertretbar von einem eindeutigen Fall im Sinne der dargestellten Rechtsprechung ausgegangen wäre.
19 Schließlich wendet sich die Revision unter Verweis auf die Integrationsleistungen des Revisionswerbers gegen die Rückkehrentscheidung und gegen die Erlassung des Einreiseverbots.
20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN). Das hat sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose bzw. für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots Geltung (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0279, mwN).
21 Zum einen gelingt es der Revision nicht, darzulegen, dass die Interessenabwägung des BVwG, die fallbezogen zahlreiche Umstände wie die Aufenthaltsdauer, die Arbeitstätigkeit, den absolvierten Deutschkurs, die mangelnde Bindung zu Österreich und die bestehende Bindung zum Herkunftsstaat ebenso einbezog wie die mangelnden familiären Anknüpfungspunkte, mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre.
22 Zum anderen übersieht die Revision, dass das BVwG unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur eine Einzelfallprüfung zum erlassenen Einreiseverbot durchführte. Es setzte sich im Rahmen seiner Entscheidung damit auseinander, ob durch den Verstoß gegen die Rückkehrentscheidung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt oder nicht. Es führte aus, dass der Revisionswerber nach seinem dritten Antrag auf internationalen Schutz zum wiederholten Mal entgegen seiner Ausreisepflicht unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei und nunmehr den verfahrensgegenständlichen vierten Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, in welchem er keine neuen Fluchtgründe vorbringe, weshalb auch diesem Vorbringen jeder glaubhafte Kern fehle (vgl. zu den Voraussetzungen der Verhängung eines Einreiseverbots etwaVwGH 12.12.2023, Ra 2023/14/0370, mwN; zum Vorliegen einer qualifizierten Verletzung der Ausreiseverpflichtung etwa bei seit Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mehrjähriger und beharrlicher Nichterfüllung der Ausreiseverpflichtung VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0192, mwN). Die Revision tritt diesen einzelfallbezogenen Erwägungen des BVwG nicht substantiiert entgegen und vermag eine Unvertretbarkeit derselben nicht aufzuzeigen.
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. Juli 2025