JudikaturBVwG

I412 2212296-5 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Spruch

I412 2212296-5/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2025:

A)

Die Säumnisbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 11.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde nach einem mit Italien durchgeführten Dublin-Konsultationsverfahren aufgrund der Zuständigkeit Italiens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2017 im Beschwerdewege als unzulässig zurückgewiesen, die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin und die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Italien bestätigt.

Ihrer geplanten Außerlandesbringung entzog sich die Beschwerdeführerin in weiterer Folge, indem sie in die Anonymität abtauchte und für die belangte Behörde nicht mehr greifbar war.

Am 26.07.2018, somit nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Italien, stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Die Frist für eine freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin endete am 15.04.2019. Sie kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.04.2021 wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 in der Dauer von 2 Jahren erlassen. Diese Entscheidung erwuchs mit 07.05.2021 in erster Instanz in Rechtskraft.

Am 27.06.2024 stellte die Beschwerdeführerin ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 04.07.2024 wurde die Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich nachgeboren.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.02.2025, ZI. XXXX, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Mit Schriftsatz vom 27.03.2025 übermittelte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung dem Bundesverwaltungsgericht eine als „Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG“ bezeichnete Eingabe. Inhaltlich wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde übersehe, dass die Beschwerdeführerin am 04.07.2025 ihre Tochter zur Welt gebracht habe, welche nach ihrem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Daraus ergebe sich ein aus den Rechten des Kindes aus Art. 20 AEUV abzuleitendes Aufenthaltsrecht, weshalb das gegen sie zuvor verhängte Einreiseverbot wohl untergegangen sei. Daher hätte die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und dabei festzustellen gehabt, dass diese auf Dauer unzulässig sei. Die belangte Behörde habe allerdings nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Monaten über die Rückkehrentscheidung entschieden.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2025, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 02.04.2025, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts, ergänzend aus einer eingeholten Auskunft aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Säumnisbeschwerde:

3.1. Gemäß § 8 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG kann die Behörde im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen. Holt die Behörde gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) dient dem Rechtsschutz wegen Säumnis der Behörden. Zweck dieses Rechtsbehelfs ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in seiner Sache zu erlangen. Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden. Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen. Nur bei Vorliegen einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde erfolgt nach Vorlage derselben oder nach ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG ein Übergang der Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht (u.a. VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0286).

Die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG, aufgrund deren Verletzung die Erhebung einer Säumnisbeschwerde möglich ist, setzt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofs einen Antrag einer Partei im Verwaltungsverfahren voraus. Unter „Antrag“ ist grundsätzlich ein Anbringen zu verstehen, das auf Erlassung eines Bescheides gerichtet ist; auch über Anträge, die unzulässig sind, etwa mangels Legitimation, hat die Behörde durch – zurückweisenden – Bescheid zu entscheiden. Ein Erledigungsanspruch besteht also grundsätzlich unabhängig vom Inhalt der zu treffenden Entscheidung, ist demgemäß unabhängig davon, ob die Erledigung eine meritorische, also eine (stattgebende oder ablehnende) Sachentscheidung zu sein hat, oder bloß in einer verfahrensrechtlichen Entscheidung, etwa einer Zurückweisung, besteht (siehe u.a. VwGH 05.10.2021, Ra 2020/03/0120 mit Verweis auf VwGH 26.02.2016, Ro 2014/03/0002; 17.03.2011, 2009/03/0077 mwN).

In amtswegig eingeleiteten Verfahren gilt die Entscheidungsfrist des § 8 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich nicht (arg. Abs. 1 zweiter Satz „Antrag auf Sachentscheidung … eingelangt ist“).

Erst wenn eine Partei in einem solchen Verfahren einen Antrag (etwa auf Einstellung des Verfahrens oder auf Erlassung eines Bescheides bestimmten Inhalts) gestellt hat, beginnt die Entscheidungsfrist nach § 8 Abs. 1 VwGVG für die Behörde zu laufen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 [2019] K 5).

Im Allgemeinen ist somit nur derjenige säumnisbeschwerdelegitimiert, der den das Verfahren einleitenden Antrag gestellt hat. Hingegen hat niemand Anspruch darauf, dass ein amtswegiger Bescheid ergeht. Zumindest ist die Behörde jedoch zur Zurückweisung eines förmlichen diesbezüglichen Antrags (eines behaupteten Bescheiderlassungsanspruchs) mangels Legitimation verpflichtet (siehe Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz [Stand 15.2.2017, rdb.at] mit Verweis auf VwGH 17.12.2014, 2014/03/0007; 24.06.2015, Ra 2014/04/0042; siehe auch VwGH 26.11.2020, Ra 2018/22/0192).

3.2. Für den gegenständlichen Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:

Die belangte Behörde hat im verfahrensabschließenden Bescheid zwar über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen, sie hat jedoch keine neuerliche Rückkehrentscheidung erlassen. In ähnlich gelagerten Fällen mit einem negativen Abspruch über einen negativ beschiedenen Antrag auf internationalen Schutz, die ohne Erlassung einer Rückkehrentscheidung ergingen, hielt der VwGH fest, dass es sich bei den Absprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt werde bzw. eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, um voneinander trennbare Spruchpunkte handle.

Ein rechtlicher Zusammenhang bestehe in der Weise, dass eine Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" sei (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005) bzw. diese "unter einem" zu ergehen habe (§ 52 Abs. 2 FPG). Die Rückkehrentscheidung setze die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Eine allfällige Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führe daher nicht zur Rechtswidrigkeit des Abspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz. Dieser hänge nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086).

Wie oben ausführlich dargestellt, ist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde jedoch nur derjenige legitimiert, der den das Verfahren einleitenden Anspruch gestellt hat. Ein Anspruch auf einen amtswegigen Bescheid besteht hingegen nicht. Nachdem es sich im gegenständlichen Fall um trennbare Spruchpunkte handelt und es kein Antragsrecht betreffend eine Rückkehrentscheidung gibt, ist die Entscheidungsfrist des § 8 Abs. 1 VwGVG nicht anzuwenden und ist damit keine Säumnis der belangten Behörde anzunehmen.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass eine Verpflichtung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. einer neuerlichen Beurteilung des Einreiseverbotes gegenständlich ohnehin nicht ersichtlich ist: Gegen die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.04.2021 eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen.

Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können (vgl. VwGH 25.10.2023, Ra 2023/20/0125, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden mit einem Hinweis auf eine geänderte private und familiäre Situation keine neuen Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG geltend gemacht. Diesbezüglich besteht auch kein Rechtsschutzdefizit, weil dem zur Geltendmachung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinn von Art. 8 MRK der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Verfügung steht, welcher zu erteilen ist, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK geboten ist. Im Falle einer relevanten Änderung des diesbezüglichen Sachverhalts steht eine aufrechte Rückkehrentscheidung einem solchen Antrag auch nicht § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen (vgl. VwGH 29.11.2023, Ra 2023/14/0355, mwN).

Insgesamt war die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Aufgrund der Zurückweisung der Säumnisbeschwerde konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG entfallen. Davon abgesehen ließ eine mündliche Erörterung fallbezogen eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und standen einem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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