Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des A G in N, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2022, W257 2260366 1/13E, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit Bescheid vom 21. April 2022 sprach die Bundesministerin für Justiz aus, der Revisionswerber werde gemäß § 14 Abs. 1, 2 und 4 Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit Ablauf des Monats, mit dem dieser Bescheid rechtskräftig werde, von Amts wegen in den Ruhestand versetzt. In der Begründung dieses Bescheids wurde unter anderem ausgeführt, der Revisionswerber sei Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe E2b in der Justizanstalt X (Beamter im allgemeinen Justizwachdienst, PM SAP Stellennummer 30012196, E2b/GL). Er habe turnusweise Tag , Nacht , Sonn- und Feiertagsdienst zu versehen. Die Dienstbehörde sei aufgrund der Ausführungen im Befund und Gutachten der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) bzw. des beim Revisionswerber vorliegenden Krankheitsgeschehens zu dem Schluss gekommen, dass dieser dienstunfähig sei, also infolge seiner gesundheitlichen Verfassung nicht mehr in der Lage sei, seine dienstlichen Aufgaben als Justizwachebediensteter ordnungsgemäß zu versehen. Es handle sich um einen Dauerzustand, da im Hinblick auf die festgestellten Leiden mit einer Wiedererlangung der Dienstfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei.
3 Da ihm auch kein anderer, mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, dessen Aufgaben er noch erfüllen könne, werde er für dauernd dienstunfähig befunden und sei gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 in den Ruhestand zu versetzen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, der Revisionswerber sei während seines seit 1. März 2021 andauernden „Krankenstandes“ vom Arbeitsplatz „Abteilungsbeamter in der Gefangenenabteilung“ abgezogen und dem Arbeitsplatz „eingeteilter Justizwachebeamter“ zugeteilt worden. Auf der Grundlage der Arbeitsplatzbeschreibung und des Anforderungsprofiles könne das Bundesverwaltungsgericht „in rechtlicher Würdigung feststellen“, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit für die Verwendungsgruppe E vorliege.
6 Den Gutachten sei zwar zu entnehmen, dass die Krankheit des Revisionswerbers mit den dienstlichen Belastungen im Zusammenhang stehe, die Sachlage stelle sich allerdings nicht so dar, dass der Revisionswerber aufgrund des „allfällig vorherrschenden Mobbings“ dienstunfähig sei und er „die Belastungen durch die Krankheit schlechter verarbeiten“ könne als andere. Der Revisionswerber habe bereits 2010 Panikattacken und 2013 eine depressive Episode erlitten. Sein Krankheitsbild habe somit weit früher als die von ihm geschilderten „Schikanen“ bzw. „Mobbing“ begonnen, welche dann von ihm als Grund für die dauernde Dienstunfähigkeit herangezogen worden seien. „Mobbing“ bzw. die „Schikanen“ als Grund für die dauernde Dienstunfähigkeit seien nicht durch ein Gutachten objektiv belegbar und vor dem Hintergrund, dass die psychische Erkrankung weit vor den vorgebrachten „Schikanen“ aufgetreten sei, nicht nachvollziehbar.
7 Das Feststellungsbegehren des Revisionswerbers hinsichtlich Mobbing sei bereits im Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts W246 2247215 1 behandelt worden. Das gegenständliche Ruhestandsversetzungsverfahren könne nicht als Umweg dazu dienen, „Feststellungen als subsidiären Rechtsbehelf zu treffen, dessen Rechtsfolgen in einem Amtshaftungsverfahren zu klären wären“.
8 Die vom Revisionswerber beantragten Zeugeneinvernahmen hinsichtlich der vorgebrachten Mobbingsituation könnten unterbleiben, weil die Zeugen hinsichtlich der Tatsache der dauernden Dienstunfähigkeit keine Aussage hätten treffen können. Ebenso stehe es um die Verpflichtung des Dienstgebers, einen „schikanenfreien“ Arbeitsplatz vorzusehen und die Prüfung eines solchen vorzunehmen (Hinweis auf VwGH 17.9.2008, 2007/12/0185). Zudem sei der Revisionswerber im Dezember 2021 von seinem Arbeitsplatz als Abteilungsbeamter abgezogen und im allgemeinen Justizwachedienst eingesetzt worden. Die gegenständliche Prüfung sei an diesem Arbeitsplatz vorgenommen worden und es könne daher nicht bereits jetzt davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber (auch) an diesem Arbeitsplatz Mobbing ausgesetzt wäre.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und dem Revisionswerber den gesetzlichen Aufwandersatz zuzusprechen.
10 Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Absätze 1 bis 3 § 14 Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018 lauten:
„ Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.
(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.“
12 In der Zulässigkeitsbegründung führte der Revisionswerber im Wesentlichen aus, nach dem Gutachten vom 23. März 2022 bestehe ein Zusammenhang zwischen den dienstlichen Schikanen und der angeblich dauerhaften Dienstunfähigkeit des Revisionserwerbers. Auch sei im Gutachten vom 17. Jänner 2022 Ähnliches ausgeführt worden. Der Gutachter habe die Versäumnisse der Dienstbehörde im Zusammenhang mit dem Auffinden einer Leiche durch den Revisionswerber „erkannt“ und den dienstlichen Bereich als Ursache der Erkrankung des Revisionswerbers beschrieben.
13 Den fehlenden Feststellungen zu den Schikanen, denen er seit April 2017 am Arbeitsplatz ausgesetzt sei, komme eine für den Ausgang des Ruhestandsverfahrens maßgebliche Bedeutung zu, weil der Primärprüfung ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender „schikanefreier“ Arbeitsplatz zu Grunde zu legen sei.
14 Die Dienstunfähigkeit des Revisionswerbers gründe nicht darauf, dass er Belastungen schlechter verarbeiten könne, sondern darauf, dass auf dem Arbeitsplatz Bedingungen herrschten, die nicht nur beim Revisionswerber, sondern auch bei voll belastbaren Personen eine Dienstunfähigkeit hervorrufen könnten. Die belangte Behörde hätte durch Weisung die Schikanen abstellen und die dauernde Dienstunfähigkeit des Revisionswerbers beseitigen können. Die erfolgte Ruhestandsversetzung sei sohin rechtswidrig erfolgt und widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis VwGH 22.5.2012, 2011/12/0170; 17.9.2008, 2007/12/0185).
15 Die Dienstbehörde und das Bundesverwaltungsgericht hätten es unterlassen, zu eruieren, ob der Revisionswerber an einem dem Gesetz entsprechend eingerichteten Arbeitsplatz dienstunfähig sei.
16 Mit den Ausführungen, dass im angefochtenen Erkenntnis keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt, weil das Bundesverwaltungsgericht wie zu zeigen sein wird von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob eine Dienstunfähigkeit bewirkende Erkrankung Folge von erlittenem Mobbing war oder nicht, für die Frage der Beurteilung der dauernden Dienstunfähigkeit für sich genommen ohne Bedeutung (vgl. etwa VwGH 27.6.2013, 2012/12/0046). Die Dienstunfähigkeit eines Beamten auf einem bestimmten Arbeitsplatz kann allerdings nicht damit begründet werden, dass er dort Mobbing ausgesetzt ist, welches er auf Grund einer Krankheit schlechter verarbeiten kann als andere. Es ist somit durchaus zutreffend, dass es Sache des Dienstgebers ist, Mobbing am aktuellen Arbeitsplatz des Beamten hintanzuhalten und in diesem Zusammenhang auch „unbewältigte Konflikte“ zu beseitigen (VwGH 17.10.2011, 2010/12/0156). Es muss somit feststehen, dass die beim Beamten vorliegende Erkrankung zur Folge hat, dass eine ersprießliche Dienstleistung von ihm selbst dann nicht zu erwarten ist, wenn im Falle seiner Rückkehr auf den Arbeitsplatz kein weiteres Mobbing zu befürchten ist (vgl. VwGH 12.5.2010, 2009/12/0072). Will die Behörde von dauernder Dienstunfähigkeit ausgehen, ohne konkret auf die vom Beamten erhobenen Mobbingvorwürfe einzugehen, so ist die zuletzt aufgeworfene medizinische Fachfrage in einem mängelfreien Ermittlungsverfahren einer Klärung zuzuführen (VwGH 30.4.2014, 2013/12/0164). Derartiges ist jedoch im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgt, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich mit der Frage, ob Mobbing erfolgte, hätte auseinandersetzen müssen.
18 Nach der oben zitierten Rechtsprechung sind die entsprechenden Tatsachenfeststellungen im Ruhestandsversetzungsverfahren zu treffen, also zunächst von der Dienstbehörde in ihrem Bescheid und dann im Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis. Die Frage, ob Mobbing erfolgte, ist entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht sohin nicht durch einen Sachverständigen zu lösen.
19 Soweit das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass derzeit von keinem Mobbing auszugehen sei, weil der Revisionswerber nunmehr im allgemeinen Justizwachedienst statt als Abteilungsbeamter eingesetzt würde, hat es im angefochtenen Erkenntnis keine Tatsachenfeststellungen getroffen, die den Schluss zuließen, dass der Revisionswerber auf dem neuen Arbeitsplatz keinem Mobbing ausgesetzt wäre.
20 Sollte im fortgesetzten Verfahren die Dienstunfähigkeit im Rahmen der Primärprüfung wiederum bejaht werden, wäre im Rahmen der Sekundärprüfung das Freiwerden eines zumutbaren Verweisungsarbeitsplatzes in absehbarer Zeit zu prüfen.
21 Betreffend den erforderlichen Inhalt eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (vgl. etwa VwGH 10.4.2024, Ra 2022/12/0138, mwN).
22 Da es das Bundesverwaltungsgericht aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht unterlassen hat, die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen zu treffen, liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
23 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. August 2024