JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0003 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Juli 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, in der Revisionssache des F F in S, vertreten durch Mag. Wulf Sieder, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Stadlgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. November 2022, LVwG AV 597/001 2022, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde S; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber stellte am 10. Juni 2021 einen Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines Wohnhauses mit vier Wohneinheiten auf einem näher bezeichneten Bauplatz der KG S., dem ein Einreichplan eines Baumeisters (Planverfasser) angeschlossen war. Der Planverfasser wurde von der Baubehörde per E Mail vom 17. September 2021 aufgefordert, einen Vermessungsplan vorzulegen, weil über die als „Grundgrenze neu“ beschriebene südliche Grundgrenze keine Vermessung als Grundlage vorliege. Dieser Aufforderung wurde nicht nachgekommen.

2 Mit Schreiben der Baubehörde vom 17. November 2021 wurde der Revisionswerber auf den bis dato unerledigten „Verbesserungsauftrag“ an den Planverfasser hingewiesen und er selbst mit Hinweis auf die für die beantragte Baubewilligung notwendige Änderung der Grundstücksgrenzen aufgefordert, binnen einer Woche ein Verfahren nach § 10 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) einzuleiten und dem Antrag die Zustimmung aller betroffener Grundstückseigentümer beizufügen (Verweis auf § 10 Abs. 3 Z 1 NÖ BO 2014), widrigenfalls der Antrag abgewiesen würde. Dieser Aufforderung wurde nicht entsprochen.

3 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde S. vom 3. Dezember 2021 wurde der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung zurückgewiesen (unter Verweis auf § 13 Abs. 3 AVG). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Februar 2022 gab der Stadtrat der Stadtgemeinde S. im innergemeindlichen Instanzenzug der gegen den Bescheid der Bürgermeisterin erhobenen Berufung des Revisionswerbers keine Folge.

4 Das Verwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, „Sache“ des Beschwerdeverfahrens sei alleine die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags auf Baubewilligung. Gemäß § 18 NÖ BO 2014 seien einem Bauansuchen die vorgesehenen Antragsunterlagen anzuschließen. Dazu würden die Zustimmung des Grundeigentümers sowie bautechnische Unterlagen zählen insbesondere auch der Bauplan, der alle Angaben zu enthalten habe, die zur Beurteilung des Vorhabens notwendig seien. Je nach Art des Vorhabens gehöre dazu wiederum der Lageplan, aus dem u.a. die lagerichtige Darstellung der Grenzen zu ersehen sei. Da dem Bauansuchen die entsprechenden Antragsbeilagen nicht angeschlossen gewesen seien, sei zu Recht ein „Verbesserungsauftrag“ erteilt worden. Die Nennung der Rechtsfolge der Ab- statt Zurückweisung schade nicht.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat eine Revision die Bezeichnung der Rechte zu enthalten, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte).

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichts dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 21.4.2023, Ra 2023/03/0030, und 4.10.2022, Ra 2022/05/0157, mwN).

9 Die vorliegende außerordentliche Revision führt unter der Überschrift „Revisionspunkte“ aus, die Zurückweisung des Bauansuchens verletze den Revisionswerber in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten

- auf gesetzmäßige Anwendung der §§ 10, 18 und 23 NÖ BO,

- auf Erteilung der beantragten Baubewilligung (§ 23 NÖ BO),

- auf eine möglichst zweckmäßige, rasche, einfache und kostensparende Erledigung der Sache bzw. seines Antrages gemäß §§ 18 Abs. 1 u. 73 AVG,

- auf Achtung seines Eigentums (Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK; Art 5 des Staatsgrundgesetzes; §§ 18 und 23 NÖ BO, vor allen die richtigen Angaben des Revisionswerbers über sein Grundeigentum und der Einhaltung der Mindestabstände gemäß vorgelegtem Bauplan);

- auf Eigentumerwerb durch Verschweigung der Nachbarn (§ 418 3. Satz ABGB und § 415 f ABGB),

- dass nur bei einer Überbauung der Grundgrenzen oder der Nichteinhaltung des notwendigen Bauwichs (§ 4 Z 8) ein Verfahren nach § 10 NÖ BO einzuleiten ist und im zutreffenden Fall das Bauansuchen nicht zurückzuweisen ist, sondern eine Baubewilligung mit der aufschiebenden Bedingung der Vorlage eines Grundbuchsbeschlusses über die Vereinigung der betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile bei der Baubehörde vor Baubeginn erteilt werden muss (§ 23 Abs. 2 drittletzter Satz NÖ BO),

- auf ein ordentliches Ermittlungsverfahren (§ 37 AVG) und

- auf Entscheidungspflicht der Behörde auch über Vorfragen bzw. der Aussetzung des Verfahrens bei Auftauchen einer Vorfrage, die von einer anderen Behörde oder einem Gericht zu entscheiden ist (§ 38 AVG)“.

10 Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (vgl. VwGH 1.9.2017, Ra 2016/03/0055, mwN). Durch das angefochtene Erkenntnis, mit dem die Beschwerde gegen die von der Behörde vorgenommene Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers abgewiesen und die Zurückweisung dadurch bestätigt wurde, konnte dieser demnach allenfalls in seinem Recht auf Sachentscheidung über seinen Antrag verletzt sein (vgl. ebenfalls zu Zurückweisungen gemäß § 13 Abs. 3 AVG VwGH 21.4.2023, Ra 2023/03/0030; 24.2.2021, Ra 2020/15/0129, sowie 26.1.2021, Ra 2020/06/0329, je mwN). Dieses Recht hat der Revisionswerber aber nicht als Revisionspunkt geltend gemacht.

11 Auch im Hinblick auf § 23 Abs. 2 drittletzter (gemeint wohl: vorletzter) Satz NÖ BO 2014 kann der Revisionswerber nicht in dem von ihm geltend gemachten subjektiven Recht verletzt worden sein: Mit der Novelle LGBl. Nr. 8200 17 wurde im Gesetz explizit klargestellt, dass im Bauland nach Durchführung eines Verfahrens nach § 10 NÖ BO 2014 eine Baubewilligung nur mit der aufschiebenden Bedingung der Vorlage eines Grundbuchsbeschlusses über die Vereinigung der betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile bei der Baubehörde vor Baubeginn erteilt werden darf (anders noch VwGH 31.7.2012, 2011/05/0192, zur Rechtslage vor der Novelle LGBl. Nr. 8200 17, mit Hinweis auf diese Novelle und den zugehörigen Motivenbericht). Nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung hat der Revisionswerber diese Voraussetzung aber gerade nicht nachgewiesen; Gegenteiliges wird auch in der Revision nicht behauptet.

12 Da somit eine Verletzung des Revisionswerbers in den von ihm ausdrücklich als „Revisionspunkte“ bezeichneten Rechten durch das angefochtene Erkenntnis nicht möglich ist, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13 Die vorliegende, vom Verwaltungsgericht bestätigte, Zurückweisung des Antrags auf Erteilung einer Baubewilligung steht allerdings worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat einer neuerlichen Antragstellung des Revisionsbewerbers auf Bewilligung seines Bauvorhabens nicht entgegen.

Wien, am 19. Juli 2023

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