Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juni 2023, Zl. W214 2262752 1/4E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Amt der Tiroler Landesregierung, vertreten durch die Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, und 2. M L; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Die Zweitmitbeteiligte erhob bei der Revisionswerberin (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) Datenschutzbeschwerde und brachte im Wesentlichen vor, ihr sei Ende 2021 ein persönlich adressiertes Impferinnerungsschreiben zugesendet worden, wofür ohne Rechtsgrundlagen ihre Gesundheitsdaten, insbesondere ihr Impfstatus, verarbeitet worden sei. Sie sei dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt worden, weshalb sie beantrage, eine entsprechende Verletzung ihrer Rechte festzustellen.
2 1.2. Mit Bescheid vom 23. August 2022 stellte die Revisionswerberin soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz spruchgemäß fest, dass das Amt der Tiroler Landesregierung (der Erstmitbeteiligte) die Zweitmitbeteiligte dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, dass es unrechtmäßig auf die Daten der Zweitmitbeteiligten im zentralen Impfregister und im zentralen Patientenindex zugegriffen und diese Daten zum Zweck des Versands eines Schreibens mit Informationen betreffend einen Termin für eine Corona-Schutzimpfung verarbeitet habe (Spruchpunkt 1.).
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Erstmitbeteiligten statt, und hob den oben wiedergegebenen Spruchpunkt 1. ersatzlos auf. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, ausgehend von den Feststellungen zum Verfahrensverlauf habe die Zweitmitbeteiligte in ihrer Datenschutzbeschwerde ausdrücklich und eindeutig das Land Tirol als Beschwerdegegner genannt. Da das Land Tirol auch im Kopf des Impferinnerungsschreibens aufscheine, bleibe für Zweifel an der Parteienerklärung kein Raum. Die belangte Behörde habe den Bescheid aber gegen den Erstmitbeteiligten erlassen. Zwar werde im Impferinnerungsschreiben auch dieser genannt. Eine Umdeutung des Parteiantrags dahingehend, dass auch der Erstmitbeteiligte als Beschwerdegegner umfasst sei, scheide aber aus, weil sich von der Gebietskörperschaft „Land Tirol“ nicht auf das Hilfsorgan den Erstmitbeteiligten schließen lasse, zumal Letzterer im datenschutzrechtlichen Sinne mehr als nur ein unselbstständiger Hilfsapparat der Landesregierung bzw. der Gebietskörperschaft „Land Tirol“ sein könne. Der Erstmitbeteiligte könne als „andere Stelle“ selbst Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Z 7 DSGVO sein, sofern durch ihn Zweck und Mittel der Datenverarbeitung bestimmt würden bzw. dieser nach Unionsrecht oder nationalem Recht als Verantwortlicher benannt werde (Art. 4 Z 7 DSGVO), wie es etwa in § 2 Tiroler Datenverarbeitungsgesetz (TDVG) vorgesehen sei. Die Revisionswerberin könne als zuständige Behörde den Parteiantrag nicht einseitig abändern. Eine amtswegige Feststellung der Rechtsverletzung ohne zugrundeliegenden Parteienantrag komme nicht in Betracht. Indem die Revisionswerberin den Bescheid gegen jemanden erlassen habe, der nicht von der Datenschutzbeschwerde umfasst gewesen sei, habe sie die „Sache“ des Verwaltungsverfahrens überschritten, weshalb Spruchpunkt 1. des Bescheides ersatzlos zu beheben sei.
5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht.
6 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
94.1. Vorauszuschicken ist zunächst Folgendes: Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlass des zu Ra 2023/04/0024 protokollierten ebenfalls eine behauptete Verletzung im Recht auf Datenschutz im Zusammenhang mit einem Impferinnerungsschreiben betreffenden Revisionsverfahrens mit Beschluss vom 23. August 2023, EU 2023/0007, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet (dort protokolliert zu C 638/23), das die Frage der Stellung des Amtes der Tiroler Landesregierung als Verantwortlicher im Sinn des Art. 4 Z 7 DSGVO zum Inhalt hat. Der hier gegenständlichen Revisionssache liegt zwar ebenfalls eine Datenverarbeitung im Zusammenhang mit einem Impferinnerungsschreiben zugrunde, die von der Revisionswerberin dem Amt der Tiroler Landesregierung als (datenschutzrechtlichem) Verantwortlichen zugerechnet worden ist. Anders als in dem dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegenden Verfahren, in dem das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde des Amtes der Tiroler Landesregierung entschieden hat, hat das Verwaltungsgericht im hier gegenständlichen Fall den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos behoben, weil die Revisionswerberin als zuständige Behörde den Bescheid gegen einen von der Zweitmitbeteiligten als Antragstellerin nicht bezeichneten Beschwerdegegner erlassen habe. Ausgehend davon ist die (Vor)Frage, ob das Amt der Tiroler Landesregierung im vorliegenden Fall Verantwortlicher im Sinn des Art. 4 Z 7 DSGVO war (bzw. in unionsrechtskonformer Weise überhaupt sein konnte), nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Sache des Verfahrens ist vielmehr die Frage der Rechtmäßigkeit der ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides der belangten Behörde durch das Verwaltungsgericht.
104.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Frage, ob die DSB überhaupt in verfahrensrechtlich zulässiger Weise das Verfahren gegen eine andere als die in der Datenschutzbeschwerde genannte Person führen darf, nicht mit der Frage gleichzusetzen ist, ob die als Beschwerdegegner angenommene Person auch tatsächlich datenschutzrechtlich Verantwortlicher der zugrundeliegenden Datenverarbeitung ist (vgl. in diesem Sinn VwGH 3.9.2024, Ra 2023/04/0092, Rn. 39). Inwiefern der Rechtsschutzantrag der Zweitmitbeteiligten so das Revisionsvorbringen infolge der ersatzlosen Behebung des gegen den Erstmitbeteiligten erlassenen Bescheid „fortwährend als unerledigt“ anzusehen sei, ist daher nicht ersichtlich, weil über die Verantwortlichenstellung des laut Verwaltungsgericht von der Zweitmitbeteiligten angeführten Beschwerdegegners noch nicht abgesprochen wurde.
11 4.3. Das Verwaltungsgericht hat fallbezogen ausgehend vom festgestellten Inhalt der Datenschutzbeschwerde als Parteienantrag darauf geschlossen, dass die Zweitmitbeteiligte den Beschwerdegegner ausdrücklich benannt habe und kein Zweifel an dieser Erklärung bestünde.
12Die Revision bringt zur Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung ab, weil im Falle von schwierigen Zurechnungsfragen bzw. Behördenzuständigkeiten gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 DSG nicht mit Zurückweisung vorzugehen sei. Es sei vielmehr die Behörde, der das Verhalten zuzurechnen sei, ausfindig zu machen.
13Dem ist Folgendes zu entgegnen: Das aufgrund einer Datenschutzbeschwerde geführte Verfahren ist ein antragsgebundenes Verfahren. Grundsätzlich liegt die Benennung des Beschwerdegegners (somit der Person, die Adressat des beantragten Bescheides der DSB sein soll) in der Disposition des Antragstellers (somit der betroffenen Person, die eine Datenschutzbeschwerde erhebt). In den Fällen, in denen die betroffene Person in ihrem Antrag unmissverständlich bzw. unzweifelhaft eine bestimmte Person als Verantwortlichen benennt, besteht für die DSB daher keine Möglichkeit, das Verfahren gegen eine andere Person zu führen (vgl. VwGH 5.6.2025, Ra 2024/04/0008, Rn. 26).
14Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden bzw. kommt einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die fallbezogene Auslegung einer Erklärung ist nur dann erfolgreich mit Revision bekämpfbar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen wäre. Dass die rechtliche Beurteilung im Zusammenhang mit der Bezeichnung der Parteien im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 2 DSG 2000 davon abweichend behandelt werden sollte, ist nicht ersichtlich, zumal es sich auch hier um eine im Einzelfall auszulegende allenfalls der Berichtigung zugänglicheParteienerklärung handelt (vgl. VwGH 28.4.2021, Ra 2019/04/0138, Pkt. 5.1.).
15 Dass dem Verwaltungsgericht, indem es die Bezeichnung des Beschwerdegegners durch die Zweitmitbeteiligte als Antragstellerin als eindeutig ansah, eine solche unvertretbare Auslegung unterlaufen wäre, zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. September 2025