JudikaturVwGH

Ra 2022/20/0111 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. September 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des K M, vertreten durch Dr. Rainer Hable, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 7a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. März 2022, W195 2210991 2/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 29. August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit dem (im zweiten Rechtsgang erlassenen) Bescheid vom 10. Februar 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Die Erhebung einer Revision erklärte es für gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach seinem Vorbringen zu den Gründen, weshalb er im Heimatland Verfolgung befürchte, kein Glauben geschenkt wurde.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.5.2022, Ra 2022/20/0094 bis 0096, mwN).

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind weder die Behörde noch das Verwaltungsgericht verpflichtet, dem Asylwerber im Wege eines Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2017/19/0447, mwN).

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Revisionswerber in der Verhandlung zu seinen Fluchtgründen befragt. Eine Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes, den Revisionswerber dabei auf Widersprüche in früheren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen uns Asyl aufmerksam zu machen, bestand nach dem Gesagten nicht. Im Übrigen beschränkt sich das Vorbringen des Revisionswerbers zur Zulässigkeit der Revision darauf, wiederholt auf „irrige Annahmen“ des Bundesverwaltungsgerichtes zu verweisen. Mit diesem Vorbringen wird nicht dargetan, dass die in ihrer Gesamtheit zu betrachtende Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre.

11 Vor dem Hintergrund, dass die gesamte Beweiswürdigung in den Blick zu nehmen ist, gelingt es dem Revisionswerber auch mit dem Hinweis, aus der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass die vom Revisionswerber vorgelegten, das im Herkunftsstaat gegen ihn anhängige Strafverfahren betreffenden Unterlagen gefälscht seien, nicht, die Unvertretbarkeit der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen beweiswürdigenden Überlegungen aufzuzeigen. Insbesondere blendet der Revisionswerber bei seinen Überlegungen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers auch auf diverse andere Aspekte gestützt hat.

12 Im Übrigen ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz dann zukommt, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0010, mwN).

13 Weiters ist anzumerken, dass es im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits bedarf. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. VwGH 27.5.2015, Ra 2014/18/0133, mwN).

14 Der Revisionswerber hat letzteres, obgleich er an diversen Stellen (so auch in der Revision) von einem „politisch motivierten Strafverfahren“ spricht, nicht geltend macht. Wie sich nämlich aus den insoweit unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ergibt, brachte er vor, es sei von einem politischen Gegner gegen ihn eine politisch motivierte Anzeige erstattet worden, wobei ihm fälschlich vorgeworfen werde, Gegenstände in Geschäften zerstört und eine Million Taka Schutzgeld erpresst zu haben sowie bewaffnet in Geschäfte gestürmt zu sein. Dass aber das dadurch ausgelöste Strafverfahren in seinem Fall nicht entsprechend den im Herkunftsstaat für die Strafverfolgung geltenden Regeln abgeführt werden würde oder die für ihn maßgeblichen Regelungen so gestaltet wären, dass davon auszugehen wäre, die Strafverfolgungsbehörden würden das Strafverfahren nur aus Gründen einer gegen ihn gerichteten politischen Verfolgung betreiben, hat er nicht behauptet. Vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die weiteren vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ist aber auch ungeachtet dessen, dass aus der Beschreibung des im Herkunftsstaat bestehenden Justizwesens Problemfelder erkennbar sind nicht zu sehen, dass im konkreten Fall die Justizbehörden unfähig oder unwillig wären, dem Revisionswerber im Rahmen eines konkret anhängigen Strafverfahrens Schutz gegen unberechtigt erhobene strafrechtliche Vorwürfe zu gewähren.

15 Damit geht aber schon aus dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht hervor, dass ihm wegen des von ihm geltend gemachten Grundes der Status des Asylberechtigten hätte zuerkannt werden müssen.

16 Infolgedessen ist auch dem weiteren, auf der Prämisse der Richtigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers aufbauenden Revisionsvorbringen der Boden entzogen.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2022

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