Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des M N, 2. der S N, und 3. des E N, alle vertreten durch Dr. Norbert Kittenberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 19. November 2024, 1. I423 2295687 1/15E, 2. I423 2295685 1/15E und 3. I423 2295683 1/15E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des im Jahr 2021 geborenen Drittrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige der Türkei. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 3. Oktober 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden vom 16. Mai 2024 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen alle eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in die Türkei jeweils zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
7 Die revisionswerbenden Parteien wenden sich gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, es sei in Bezug auf die von ihnen vorgebrachte Verfolgung durch Verwandte der Zweitrevisionswerberin, weil diese gegen den Willen ihrer Eltern nicht ihren Cousin, sondern den Erstrevisionswerber geheiratet habe, davon ausgehen, dass der türkische Staat schutzfähig und schutzwillig sei.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 30.9.2022, Ra 2022/20/0111, mwN).
9 Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden kann, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines asylrechtlich relevante Intensität erreichenden Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. etwa VwGH 30.6.2022, Ra 2022/14/0095, mwN).
10 Mit den Ausführungen in den Revisionen wird nicht dargetan, dass die anhand der Berichtslage zur Situation in der Türkei sowie der fallbezogen gegebenen Umstände getroffenen Feststellungen gezogene Schlussfolgerung des Bundesverwaltungsgerichts, der türkische Staat sei fähig und willens, die hier in Rede stehenden Verfolgungshandlungen zu unterbinden, aus revisionsrechtlicher Sicht zu beanstanden wäre. Nach dem Gesagten ändern die in den Berichten enthaltenen Schilderungen zu in manchen Fällen aufgetretenen Unzulänglichkeiten im behördlichen Vollzug daran nichts. Von den revisionswerbenden Parteien werden zudem jene Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts sowohl zur Situation in der Türkei als auch zu den konkreten Ermittlungen der türkischen Polizei zu einem von den revisionswerbenden Parteien geschilderten Vorfall (ein weiterer wurde von ihnen nicht zur Anzeige gebracht), die ein anderes als das von ihnen gewünschte Ergebnis in unbedenklicher Weise tragen, gänzlich ausgeblendet.
11 Des Weiteren liegt in Bezug auf die behauptete Verfolgung der Zweitrevisionswerberin als Angehörige der sozialen Gruppe westlich orientierter Frauen lediglich eine unsubstantiierte Behauptung vor. Ausführungen dazu, aufgrund welcher Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass westlich orientierte Frauen in der Türkei asylrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten hätten, bleiben die revisionswerbenden Parteien gänzlich schuldig.
12 Auf die übrigen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur fehlenden Asylrelevanz des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien und zum selbst bei Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung durch Private gegebenen Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative (Letzterem wird in der Revision aber ohnedies nichts substantiiertes entgegengesetzt) kommt es somit hier nicht an.
13 Von den revisionswerbenden Parteien wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. Jänner 2025