Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des B T in L, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Parkstraße 4/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 23. Oktober 2024, Zl. LVwG 42.39 2767/2024 31, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitender Maßnahmen nach dem FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 12. Juni 2024 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber gestützt auf u.a. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 sowie § 24 Abs. 3 und § 26 Abs. 2a des Führerscheingesetzes FSG die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen für die Dauer von sechs Monaten. Unter einem wurde verfügt, dass der Revisionswerber innerhalb der Entziehungszeit eine Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker zu absolvieren habe.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht hielt fest, der Revisionswerber sei mit rechtskräftiger Strafverfügung der belangten Behörde vom 15. Jänner 2024 für schuldig befunden worden, am 11. November 2023 mit einem nach Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeug auf der Autobahn umgekehrt zu haben, obwohl dies nicht im Bereich eines Grenzüberganges auf Aufforderung eines öffentlichen Organs erfolgt sei. Der in der Strafverfügung genannte Straßenabschnitt sei allerdings gemäß § 43 Abs. 3 lit. b StVO 1960 zur Autostraße erklärt worden. Dort befinde sich eine Fahrbahn mit zwei für den Verkehr in eine Fahrtrichtung bestimmten Fahrstreifen, die von der Fahrbahn für den Verkehr in die entgegengesetzte Fahrtrichtung durch bauliche Einrichtungen getrennt sei. Der Revisionswerber habe am 11. November 2023 sein Fahrzeug auf dieser Straße in Fahrtrichtung Graz gelenkt. Er habe das Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen angehalten, da eine sich dort befindliche Ampelanlage auf rot geschaltet gewesen sei. Sein Fahrzeug sei das einzige im Bereich der Ampel gewesen. Vor einer mehr als 200 m entfernten weiteren roten Ampel seien einige Fahrzeuge vor einem gesperrten Tunnel gestanden. Der Revisionswerber habe beschlossen, sein Fahrzeug zu wenden und zurückzufahren. Dazu habe er sein Fahrzeug vom rechten Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen gelenkt, sodass es in einem Winkel von 90 Grad zur Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen gestanden sei. Sodann habe er sein Fahrzeug zumindest einmal reversiert, bevor er es in einem Kreis wieder an die Stelle gelenkt habe, an der er sein Umkehrmanöver begonnen habe, sodass es letztendlich wieder auf dem rechten Fahrstreifen in die richtige Fahrtrichtung gestanden sei. Im Zuge dieses Wendemanövers habe der Revisionswerber die Richtungsfahrbahn gegen die vorgesehene Fahrtrichtung befahren. Während des Wendemanövers seien keine Fahrzeuge zum in Rede stehenden Straßenbereich zugefahren, es hätten aber jederzeit Fahrzeuge zufahren können. Wegen Bauarbeiten, für welche der Pannenstreifen und Teile des rechten Fahrstreifens genutzt worden seien, sei die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 oder 60 km/h herabgesetzt gewesen.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber habe iSd § 7 Abs. 3 Z 3 FSG ein Verhalten gesetzt, das an sich geeignet sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, weshalb angenommen werde müsse, dass er wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden würde.
5 Dem Revisionswerber sei aufgrund der Bindungswirkung der rechtskräftigen Strafverfügung jedenfalls das Umkehren auf einer Autobahn vorzuwerfen, auch wenn das Beweisverfahren ergeben habe, dass es sich beim in Rede stehenden Straßenabschnitt um eine Autostraße gehandelt habe. Allerdings habe der Revisionswerber auf der Autostraße, wenn auch nur kurz, eine Richtungsfahrbahn gegen die vorgesehene Fahrtrichtung befahren. Dadurch habe er § 47 iVm § 46 Abs. 4 lit. a StVO 1960 übertreten.
6 Beide genannten Verhaltensweisen seien an sich geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Dies folge schon daraus, dass Straßenbenützer auf einer Autostraße weder mit Gegenverkehr zu rechnen hätten noch damit, dass sich ein Fahrzeug in einem Wendemanöver befinde. Allenfalls nachkommende Fahrzeuge wären gehalten gewesen, ihr Fahrzeug abzubremsen, was die Gefahr von Auffahrunfällen erhöht hätte. Auch überholende Fahrzeuge wären der Gefahr ausgesetzt gewesen, mit dem Fahrzeug des Revisionswerbers zu kollidieren. Weder der Umstand, dass die Ampel im Bereich des Fahrmanövers auf rot geschalten gewesen sei, ändere daran etwas, noch eine baustellenbedingte Geschwindigkeitsbegrenzung. So sei nicht vorhersehbar gewesen, wann die Ampel wieder auf grün schalte und es hätten sich etwa auch Einsatzfahrzeuge oder Baustellenfahrzeuge der betroffenen Stelle mit erhöhter Geschwindigkeit nähern können.
7 Es sei nicht erkennbar, warum das Befahren einer Autobahn gegen die Fahrtrichtung weniger Gefahrenpotential aufweise als das Wenden eines Fahrzeuges auf einer solchen oder dasselbe Verhalten auf einer Autostraße. Das festgestellte Fahrmanöver des Revisionswerbers sei wie auch das im Gesetz beispielhaft aufgezählte Befahren einer Autobahn gegen die Fahrtrichtung geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.
8 Folglich sei nach § 26 Abs. 2a FSG eine Mindestentziehungsdauer der Lenkberechtigung von sechs Monaten festzusetzen gewesen, sodass eine gesonderte Wertung des Verhaltens des Revisionswerbers iSd § 7 Abs. 4 FSG zu entfallen habe.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe seinem Erkenntnis zugrunde gelegt, der Revisionswerber habe auf einer Autobahn umgekehrt und sei auf einer Autostraße gegen die Fahrtrichtung gefahren. Diese beiden Delikte schlössen einander aber aus. Tatsächlich habe das Wendemanöver auf einer Autostraße stattgefunden. Das sei mit dem Fahren gegen die Fahrtrichtung auf einer Autobahn nicht vergleichbar, weil nur letzteres Verhalten in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs. 3 Z 3 (in lit. e) FSG genannt sei. Weiters sei das Verwaltungsgericht von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil das Fahrmanöver des Revisionswerbers von der typischen Gefährlichkeit eines Geisterfahrers erheblich abweiche. Zum Zeitpunkt des Fahrmanövers seien sämtliche Ampeln auf rot geschaltet und die höchstzulässige Geschwindigkeit auf 80 oder sogar 60 km/h herabgesetzt gewesen. Hinter dem Revisionswerber hätten sich keine Fahrzeuge angenähert. Das Verwaltungsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Wertung des Verhaltens des Revisionswerbers zu unterbleiben habe, weil schon die Subsumtion des Verhaltens unter § 7 Abs. 3 Z 3 FSG eine Wertung erfordere. Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des Fahrens gegen die Fahrtrichtung. Im konkreten Fall sei der Revisionswerber nur in einem „unendlich kleinen Punkt“ gegen die Fahrtrichtung gefahren, zumal er beim Wendemanöver einen Kreis befahren habe.
14 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG dargelegt:
15 Vorauszuschicken ist, dass bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen unter Entfall der gemäß § 7 Abs. 4 FSG sonst vorgesehenen Wertung jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum oder Mindestzeitraum fallbezogen somit gemäß § 26 Abs. 2a FSG eine Entziehungsdauer von 6 Monaten auszusprechen ist (siehe etwa VwGH 11.5.2016, Ra 2016/11/0062, und darauf Bezug nehmend z.B. VwGH 7.6.2023, Ra 2022/11/0111).
16 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei auf einer Autostraße gegen die Fahrtrichtung gefahren. Der Revision gelingt es zunächst nicht, aufzuzeigen, dass die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unschlüssig wäre (zum für die Kontrolle der Beweiswürdigung maßgebenden Prüfungsmaßstab siehe VwGH 10.9.2024, Ra 2023/11/0142, mwN). So ist es keinesfalls als unschlüssig anzusehen, dass das Verwaltungsgericht davon ausging, ein sich unbestrittenermaßen über beide Fahrstreifen einer Richtungsfahrbahn ziehendes Wendemanöver gehe mit einem Fahren gegen die Fahrtrichtung einher. Dem hält die Revision nichts Substantiiertes entgegen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage, ob bereits dann von einem Fahren gegen die Fahrtrichtung gesprochen werden kann, wenn im einem Umkehrmanöver ein Kreis befahren wird, fallbezogen nicht iSd § 133 Abs. 4 B VG klärungsbedürftig.
17 Entgegen dem Vorbringen in der Revision lässt sich aus der Nennung des Fahrens gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen (nicht jedoch auf Autostraßen) als demonstratives Beispiel in § 7 Abs. 3 Z 3 lit. e FSG nicht der Umkehrschluss ziehen, ein Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autostraßen könne niemals besonders gefährliche Verhältnisse iSd § 7 Abs. 3 Z 3 FSG begründen. Die Aufzählung in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG ist nämlich lediglich eine demonstrative (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/11/0187; siehe zur Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 lit. j des Kraftfahrgesetzes 1967 KFG 1967 BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 103/1997, bereits ErlRV 712 BlgNR 20. GP, 44, wonach „Geisterfahren“ nur zur Vorbeugung von Auslegungsschwierigkeiten explizit im Gesetz angeführt wurde).
18 Die Gefährlichkeit des Befahrens gegen die Fahrtrichtung von anderen Straßen mit durch bauliche Einrichtungen getrennten Richtungsfahrbahnen ist grundsätzlich mit der Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens auf Autobahnen vergleichbar, zumal auch solche Straßen erfahrungsgemäß und im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO 1960 auch erlaubterweise mit verhältnismäßig höheren Geschwindigkeiten befahren werden, weil die Straßenbenützer mit keinem Gegenverkehr zu rechnen haben (vgl. idZ VwGH 21.10.1994, 94/11/0280, mwN).
19 Angesichts der festgestellten konkreten Umstände des vorliegenden Falles ist fallbezogen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, besonders gefährliche Verhältnisse im Sinn von § 7 Abs. 3 Z 3 FSG seien vorgelegen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, unabhängig von der auf rot geschalteten Ampel, vor der das Fahrmanöver durchgeführt wurde, und einer herabgesetzten zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei ein jederzeitiges Nachkommen von Fahrzeugen möglicherweise auch von mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Fahrzeugen keinesfalls auszuschließen gewesen, ist nicht zu beanstanden. Folglich sind auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, wonach bei einem solchen Fahrmanöver die Gefahr von Kollisionen und Auffahrunfällen durch nachkommende Fahrzeuge bestehe, nachvollziehbar.
20 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine bestimmte Tatsache im Sinn von § 7 Abs. 3 Z 3 FSG zudem nicht voraus, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, sondern es genügt vielmehr, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften unter Umständen erfolgte, die das Verhalten des Lenkers so wie in den in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG demonstrativ aufgezählten Fällen als an sich geeignet erscheinen lassen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen (siehe etwa VwGH 25.1.2022, Ra 2020/11/0221, mwN).
21 Vor diesem Hintergrund ist auch die Relevanz der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Feststellungsmängel zur Dauer des Wendemanövers und zum Sichtbereich des Revisionswerbers nicht erkennbar (zur Notwendigkeit der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln siehe etwa VwGH 17.3.2021, Ra 2021/11/0040, mwN).
22 Nach dem oben Gesagten ist somit im Ergebnis die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, wonach das festgestellte Befahren der Autostraße gegen die Fahrtrichtung den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG erfüllt habe, schon für sich genommen tragfähig.
23 In Anbetracht dessen kommt es trotz Bindung an den rechtskräftigen Schuldspruch der Strafverfügung vom 15. Jänner 2024 (siehe z.B. erneut VwGH 25.1.2022, Ra 2020/11/0221) fallbezogen auf die Frage, ob (auch) das vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ebenfalls zugrunde gelegte Umkehren auf einer Autobahn den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG erfüllte, nicht an.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
25 Von der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 11. Juli 2025