Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. Oktober 2022, Zl. LVwG 400621/4/FP/VEP, betreffend eine Übertretung nach dem Oö. Parkgebührengesetz 1988 (Mitbeteiligter: Ing. Mag. M R in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Erledigung des Bürgermeisters der Stadt L (im Folgenden: Revisionswerber) vom 1. Februar 2021, Zl. AS/PB 2214457, wurde einer namentlich nicht genannten Person zur Last gelegt, am 29. Jänner 2021 von 8.58 bis 9.11 Uhr, an einer näher genannten Adresse in L ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug innerhalb einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt zu haben. Damit sei der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen und §§ 2 Abs. 1 und 6 bs. 1 lit. a Oö. Parkgebührengesetz 1988 sowie §§ 1, 2, 3, 5 und 6 Parkgebührenverordnung der Stadt Linz 1989 verletzt worden.
2 Im Adressfeld der Erledigung findet sich folgender Platzhalter: „Empfänger_Anschrift“.
3 In der gesamten Erledigung finden sich weitere Platzhalter in eckiger Klammer. So lautet der „Strafausspruch“ in Punkt III. wie folgt: „Es wird Ihnen eine Geldstrafe von [Geldstrafe], im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von [Anzahl] Stunden vorgeschrieben“.
4 Die Kostenentscheidung in Punkt IV. lautet auszugsweise wie folgt: „Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens haben Sie € 10, Verfahrenskosten (10% der verhängten Strafe, mindestens € 10, ) zu leisten. [...] Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Verfahrenskosten) beträgt € [Gesamtkosten], .“
5 Der Punkt „Zahlungsfrist“ lautet auszugsweise wie folgt: „Wird keine Beschwerde erhoben, ist der Gesamtbetrag (Strafe/Verfahrenskosten) in der Höhe von € [Gesamtbetrag], innerhalb vier Wochen einzuzahlen. [...]“
6 Auch die Begründung enthält eine Reihe von Passagen mit Platzhaltern, wie etwa: „Sie haben [...] ohne gültigen Parkschein abgestellt [Leer] und dabei die Parkdauer um [Anzahl] Minuten überschritten“.
„Zu ihrer Rechtfertigung führten Sie an, [Rechtfertigung]“
„[Ermittlungsergebnis]“
„Ein/e einsichtige/r und besonnene/r Benützer/in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone hätte [Begründung].“
„[bei Bekanntgabe eines Einkommens verwenden, sonst löschen] Bei der bei einem Einkommen von € [Einkommen], und Sorgepflicht für [Sorgepflicht] Kinder, keinem Vermögen und einem verhältnismäßig geringfügigen Vergehen ein Strafbetrag von € [Betrag], angemessen ist.“
„Da Sie trotz Aufforderung vom [Datum Stellungnahme], Ihre Einkommens , Vermögens und Familienverhältnisse bekannt zu geben, sich innerhalb der gewährten Frist nicht äußerten, wurde aufgrund einer realistischen Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von € (Leer], und dem Nichtvorliegen von Sorgepflichten und Vermögen ausgegangen.“
7 Diese Erledigung wurde dem Mitbeteiligten am 6. Dezember 2021 elektronisch zugestellt.
8 Mit Straferkenntnis vom 18. Mai 2022, Zl. AS/PB 2214457, legte der Revisionswerber dem Mitbeteiligten die in der Erledigung vom 1. Februar 2021, Zl. AS/PB 2214457, angeführte Tat zur Last. Danach habe dieser am 29. Jänner 2021 von 8.58 bis 9.11 Uhr, an der näher genannten Adresse in L das näher bezeichnete Kraftfahrzeug innerhalb einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt. Damit sei er der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen und habe damit §§ 2 Abs. 1 und 6 bs. 1 lit. a Oö. Parkgebührengesetz 1988 und §§ 1, 2, 3, 5 und 6 Parkgebührenverordnung der Stadt Linz 1989 verletzt. Über den Mitbeteiligten wurde eine Geldstrafe iHv 55 €, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 44 Stunden, verhängt. Zudem wurde dem Mitbeteiligten ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens iHv 10 € vorgeschrieben.
9 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er im Wesentlichen vorbrachte, mit „Straferkenntnis“ vom 1. Februar 2021, Zl. AS/PB 2214457, sei bereits rechtskräftig in dieser Sache entschieden und die Strafe mit 0 € festgesetzt worden. Eine zweimalige Bestrafung in der gleichen Sache widerspreche dem österreichischen Rechtssystem.
10Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde des Mitbeteiligten statt, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein (Spruchpunkt I.) Weiters sprach es aus, dass der Mitbeteiligte keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten habe (Spruchpunkt II.) und eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
11 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht soweit hier wesentlich aus, bei der Erledigung des Revisionswerbers vom 1. Februar 2021, Zl. AS/PB 2214457, handle es sich um einen Bescheid in Form eines Straferkenntnisses. Zwar fehle in der Erledigung die Anführung des Adressaten samt Adresse, aus der Tatbeschreibung und den angeführten verletzten Verfahrensvorschriften folge jedoch, dass sich das Schreiben an den Fahrzeuglenker richte, der gemäß § 2 Abs. 1 Oö. Parkgebührengesetz 1988 zur Entrichtung der Parkgebühr verpflichtet sei. Vor- und Familienname sowie die E Mail Adresse des Mitbeteiligten seien im EDV System der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vermerkt gewesen und diese Daten seien für den Zustellvorgang und das Setzen der Zustellverfügung verwendet worden. Dies sei nicht automatisiert durch das System erfolgt, sondern die Sachbearbeiterin habe gezielt aus den verfügbaren Daten die Daten des Mitbeteiligten ausgewählt. Dieser Schritt habe den Charakter der Erstellung einer Zustellverfügung. Aus dieser ergebe sich unzweifelhaft, dass der Mitbeteiligte der Adressat des Schreibens vom 1. Februar 2021 sei. Dementsprechend sei ihm die Erledigung auch im Wege der elektronischen Zustellung an ein auf seinen Namen und seine Person individualisiertes elektronisches Postfach zugestellt worden. Hinsichtlich des Strafausspruchs sei der Platzhalter offengeblieben. Daraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Strafausspruch zur Gänze fehle. Der Bescheid vom 1. Februar 2021 sei rechtskräftig geworden. Einer nochmaligen Entscheidung der Sache durch das Straferkenntnis vom 18. Mai 2022 stehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Durch die Erlassung des Straferkenntnisses vom 18. Mai 2022 sei der Mitbeteiligte in seinem Recht, nicht ein weiteres Mal wegen derselben strafbaren Handlung verfolgt zu werden, verletzt worden. Auch sei die Nichtbefüllung der Platzhalter hinsichtlich der Strafhöhe nicht berichtigungsfähig.
12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Nichtbescheid“ abgewichen. Das „Straferkenntnis“ vom 1. Februar 2021 sei absolut nichtig. Es sei lediglich eine automationsunterstützt erstellte Bescheidvorlage mit ausgewiesenen leeren Platzhaltern abgefertigt worden, sodass im Ergebnis ein normativer Abspruch über die Strafe fehle und kein tauglicher Bescheidspruch iSd §§ 46 Abs. 2 und 44a VStG vorliege. Zudem widerspreche die Annahme, ein Straferkenntnis mit „null Euro Geldstrafe“ gehöre dem Rechtsbestand an, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die absolute Untergrenze des § 13 VStG nicht unterschritten werden könne. Liege entsprechend der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein bloß fehlerhafter Verwaltungsakt vor, stelle die versehentliche Abfertigung einer „leeren“ Bescheidvorlage aber einen berichtigungsfähigen Mangel dar.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Amtsrevision ist zulässig und begründet.
15 Zu jenen Merkmalen, deren Fehlen einen Bescheid gar nicht erst entstehen lassen, gehört die Nennung eines Adressaten. Aus einem Bescheid muss hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine oder mehrere bestimmte Personen adressiert sein muss (vgl. etwa VwGH 23.3.2006, 2005/07/0091; 22.3.1999, 96/17/0070, jeweils mwN).
16Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die „Gültigkeit“ eines Bescheids erforderlich, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist dann erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheids sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht. Ist aber der Bescheidadressat unklar, liegt überhaupt kein Bescheid vor (vgl. etwa VwGH 6.12.2021, Ra 2020/03/0067 bis 0070; 27.11.2008, 2006/03/0097, jeweils mwN).
17 Der Erledigung des Revisionswerbers vom 1. Februar 2021, Zl. AS/PB 2214457, ist nicht zu entnehmen, wer dessen Adressat sein soll, ist doch im gesamten Schreiben keine Person namentlich genannt. Aus dem in der Erledigung angeführten Spruch sowie aus der Begründung geht lediglich hervor, dass die Verwaltungsübertretung demjenigen zur Last gelegt wird, der das näher bezeichnete Kraftfahrzeug am 29. Jänner 2021 von 8.58 bis 9.11 Uhr an der näher genannten Adresse in L abgestellt hat. Eine namentliche Nennung des Mitbeteiligten erfolgt im Schreiben jedoch nicht. Auch weist das Adressfeld lediglich den Platzhalter „Empfänger_Anschrift“ auf. Allein der Umstand, dass der Vor und Familienname sowie die E Mail Adresse des Mitbeteiligten im EDV System der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gespeichert waren und von der zuständigen Sachbearbeiterin für den Zustellvorgang und das Setzen der Zustellverfügung im EDV System verwendet wurden, ändert nichts daran, dass der Erledigung des Revisionswerbers vom 1. Februar 2021 ein konkreter Bescheidadressat nicht zu entnehmen ist.
18 Da der Erledigung vom 1. Februar 2021 somit kein Bescheidcharakter zukommt, steht dem Straferkenntnis vom 18. Mai 2022 entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen.
19Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 9. Mai 2025