Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des A H in E und 2. der M H in D, beide vertreten durch Univ. Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 2-4/3. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 25. Februar 2021, LVwG 2020/48/2498 8, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Ellmau; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Oktober 2020 wurde dem Erstrevisionswerber als Benützer (Spruchpunkt II.) und der Zweitrevisionsweberin als Eigentümerin (Spruchpunkt I.) die weitere Benützung einer näher bezeichneten Wohnung in E. als Freizeitwohnsitz gemäß § 46 Abs. 6 lit. g Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) iVm. § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) untersagt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurden die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin gegen Spruchpunkt II. und die Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 1. und 2.) sowie die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin gegen den Spruchpunkt I. und die Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte 4. und 5.). Unter einem wurde ausgesprochen, dass ordentliche Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig seien (Spruchpunkte 3. und 6.).
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren von Interesse aus, der Erstrevisionswerber habe am 2. Oktober 2017 einen Hauptwohnsitz an der Wohnung in E. angemeldet. Die Zweitrevisionswerberin habe dort keinen Wohnsitz angemeldet. Der Erstrevisionswerber habe im Jahr 2019 133 Tage in E. verbracht, davon sei er im Ausmaß von 20 Tagen zu geschäftlichen Terminen in E. gewesen. Im Jahr 2020 habe er 96 Tage in E. verbracht, wobei er im ersten Halbjahr pandemiebedingt keine beruflichen Termine wahrgenommen habe. Die Zweitrevisionswerberin habe 2019 20 Tage und 2020 52 Tage in E. verbracht. Der Erstrevisionswerber sei pensioniert und arbeite selbstständig als Personal- und Unternehmensberater. Er habe eine eigene Firma mit Sitz in D./Deutschland. Zudem sei er unbeschränkt haftender Gesellschafter näher genannter Unternehmen mit Sitz in D./Deutschland. Steuerliche Veranlagungen, Erklärungen etc. mache der Erstrevisionswerber in D./Deutschland. Er habe zwei Firmen Leasingfahrzeuge für die Zweitrevisionswerberin und sich selbst, die in D./Deutschland zugelassen seien. Die Zweitrevisionswerberin arbeite in D./Deutschland. Die Revisionswerber seien den Großteil des Jahres in D./Deutschland in einer Mietwohnung aufhältig, die sie 2020 bezogen hätten. Zu Zeiten des Lockdowns 2020 hätten sich die Revisionswerber mit Ausnahme der Weihnachtszeit vom 11. bis 29. Dezember 2020 ausschließlich in D./Deutschland aufgehalten. Die Weihnachtszeit hätten sie in E. verbracht. Danach seien die Revisionswerber nicht mehr in E. gewesen, seien einen Tag vor der Verhandlung am 9. Februar 2020 angereist und hätten am nächsten Tag wieder abreisen wollen. In E. seien die Revisionswerber in verschiedene Lokalitäten essen gegangen und bekämen auch Besuch, wie etwa aus München, Starnberg, Wien, Going oder Kitzbühel. Die Söhne des Erstrevisionswerbers aus seiner früheren Ehe sowie der Bruder und die Mutter der Zweitrevisionswerberin lebten in Deutschland. D./Deutschland sei von E. 728 Kilometer entfernt. Die Fahrzeit betrage sieben Stunden und 43 Minuten.
4 Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts erhoben die Revisionswerber im Hinblick auf dessen Spruchpunkte 4. und 5. zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. Februar 2022, GZ E 1369/2021 5, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag der Revisionswerber mit Beschluss vom 7. April 2022, GZ E 1369/2021 7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision, die sich ausdrücklich gegen die Spruchpunkte 4., 5. und 6. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, bringen die Revisionswerber eingangs vor, es liege zur Frage, wann vom Vorliegen eines erlaubten Wohnsitzes im Sinne des § 1 Abs. 6 Meldegesetz 1991 (MeldeG 1991) und damit zugleich vom Vorliegen einer zulässigen (weiteren) Wohnsitznahme im Verhältnis zum Hauptwohnsitz auszugehen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit abgewichen (mit Hinweis auf VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056), als es eine Freizeitwohnsitznutzung annehme, obwohl der Wohnsitz dem Erstrevisionswerber gerade nicht zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken diene.
9 Mit ihrem Vorbringen übersieht die Revision, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. VwGH 12.7.2022, Ra 2022/06/0094; 30.8.2022, Ra 2022/06/0193), dass der Hinweis auf das Meldegesetz insofern nicht zielführend ist, als das TROG 2016 in seinem § 13 Abs. 1, auf welchen § 2 Abs. 6 TBO 2018 verweist, eine Definition von Freizeitwohnsitzen enthält. Demnach sind Freizeitwohnsitze Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.
10 Angesichts der in Rn. 3 wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, insbesondere, dass die Revisionswerber den Großteil des Jahres in D./Deutschland aufhältig seien, wo sich auch der Mittelpunkt ihrer beruflichen Beziehungen befinde, und der wenig ausgeprägten privaten Interessen in E. (die Revisionswerber haben in E. keine familiäre oder sonst eine private Anbindung), kann in der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen der Revisionswerber in E. vorliege und im gegenständlichen Fall die Wohnung als Freizeitwohnsitz verwendet worden sei, kein Abweichen von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erkannt werden (vgl. etwa das in der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056 und 0057, wonach insofern von einem anderen Wohnsitz als einem Freizeitwohnsitz dann nicht gesprochen werden kann, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Einschreiters feststellbar ist).
11 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Erledigung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (mit Hinweis auf VwGH 27.6.2014, 2012/02/0171) abgewichen, weil eine Nutzung zu beruflichen Zwecken die Annahme des Vorliegens eines Freizeitwohnsitzes ausschließe, ist dem entgegenzuhalten, dass das TROG 2016 den Begriff des „Arbeitswohnsitzes“ nicht kennt. Entgegen der von den Revisionswerbern vertretenen Ansicht kann dem Erkenntnis VwGH 27.6.2014, 2012/02/0171, gerade nicht entnommen werden, dass die Nutzung einer Wohnung zu beruflichen Zwecken das Vorliegen eines Freizeitwohnsitzes ausschließe. Vielmehr wird darin betont, dass eine gelegentliche Ausübung von beruflichen Tätigkeiten der Beurteilung als Freizeitwohnsitz nicht entgegenstehe (vgl. dazu auch neuerlich VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056 und 0057; oder erneut VwGH 30.8.2022, Ra 2022/06/0193; jeweils mwN).
12 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen betreffend die behauptete Verletzung der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, 2013/06/0078, und die darin zitierte Rechtsprechung zu verweisen. Auch im vorliegenden Fall legen die Revisionswerber nicht dar, dass § 13 Abs. 1 TROG 2016 im Sinn der Judikatur des EuGH nicht legitimiert und verhältnismäßig sei. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist auch dem Urteil des EuGH vom 11. März 2004, C 9/02, de Lasteyrie du Saillant, nicht zu entnehmen, dass „selbst geringfügige oder unbedeutende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit“ in jedem Fall unzulässig wären, vielmehr hält der EuGH darin fest, dass eine Einschränkung unter näher dargelegten Voraussetzungen zulässig sein kann. Dass diese Voraussetzungen hier nicht vorlägen, legt die Revision nicht dar.
13 Soweit die Revisionswerber auf ihr Recht auf Freizügigkeit Bezug nehmen, ist darauf hinzuweisen, dass dieses durch die in Rede stehende raumordnungsrechtliche Regelung nicht beschränkt wird. Im Übrigen gilt die Bestimmung des § 13 Abs. 1 TROG 2016 für österreichische Staatsbürger wie für nicht österreichische Staatsbürger gleichermaßen. Es wäre den Revisionswerbern freigestanden, eine Wohnung zu erwerben, hinsichtlich derer eine Nutzung als Freizeitwohnsitz aus rechtlicher Sicht möglich ist (vgl. dazu erneut VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056 und 0057, zur Arbeitnehmerfreizügigkeit). Der von den Revisionswerbern in diesem Zusammenhang zitierte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1996, 95/04/0253, betrifft ein vom Verwaltungsgerichtshof an den EuGH gestelltes Vorabentscheidungsersuchen im Hinblick auf gewerberechtliche Regelungen und ist nicht geeignet, die von den Revisionswerbern vertretene Auffassung zu § 13 Abs. 1 TROG 2016 zu stützen.
14 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung ins Treffen führt, das Verwaltungsgericht habe sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge der Revisionswerber ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinweggesetzt sowie seine Begründungsplicht im angefochtenen Erkenntnis verletzt, fehlt es diesem nicht weiter konkretisierten Vorbringen schon an der erforderlichen Relevanzdarstellung, wonach bei Verfahrensmängeln bereits in der Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 25.5.2022, Ra 2022/06/0060, mwN).
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. Mai 2023