JudikaturVwGH

Ra 2022/02/0095 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision von 1. H in W und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger und Mag. Tobias Praschl Bichler, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Argentinierstr. 21/10, gegen das am 28. September 2021 verkündete und am 8. Oktober 2021 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 002/082/5372/2021 16 und VGW 002/V/082/5373/2021, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurden über den Erstrevisionswerber in teilweiser Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses des Magistrats der Stadt Wien wegen Übertretung des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz eine Geld und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vorgeschrieben, sowie die zweitrevisionswerbende Partei zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG verpflichtet. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Dem Erstrevisionswerber wurde zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei zu verantworten, dass diese zu näher angegebenen Zeitpunkten in einer mit der Adresse bezeichneten Betriebsstätte in Wien in Ausübung ihrer Tätigkeit als Wettunternehmerin in der Art des gewerbsmäßigen Abschlusses von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen die verbotenen Livewetten „Wer erzielt den 15. Punkt in Satz 4?“ bei zwei näher genannten Tischtennisspielen angeboten habe. Dazu stellte das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass dem 15. Punkt im Tischtennis allgemein und auch konkret in den zugrundeliegenden Probewetten keine eigenständige und besondere Bedeutung zukomme. Ganz grundsätzlich biete die zweitrevisionswerbende Partei im Bundesland Wien keine Livewetten auf Teil und Zwischenergebnisse von Tischtennisspielen an. Die beiden Probewetten seien zum Zeitpunkt der Kontrolle auf Grund eines Versehens an diesem Standort zum Abschluss gekommen.

3 Rechtlich erörterte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien, der Gesetzgeber schreibe Livewetten ein hohes und besonderes Suchtpotential zu, wobei die schnelle Abfolge von einzelnen Spielen mit schneller Entscheidung über Gewinn und Verlust und die schnelle Abfolge von Wettmöglichkeiten als kritisch gesehen würden. Die maßgebliche Verkleinerung des Zeitraums zwischen einzelnen Wettgelegenheiten sei für das Suchtpotential von Livewetten ausschlaggebend. Deshalb habe der Gesetzgeber während des Spiels in kurzen Abständen eine Unzahl von Wetten auf jeweils unterschiedliche Ereignisse verhindern wollen. Der 15. Punkt in einem bestimmten Satz einer laufenden Tischtennispartie beziehe sich weder auf das Endergebnis noch auf ein Teilergebnis, weshalb das Tatbild der Verwaltungsübertretung des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz erfüllt sei. Unionsrechtliche Bedenken sehe das Verwaltungsgericht nicht, weil die gesetzgeberische Intention einer Beschränkung von Livewetten im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sei und damit auf kohärenter Linie zur Rechtslage im Glücksspiel liege, ohne dass die dort bestehenden Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch laxe Regelungen im Sportwettensektor insgesamt unterlaufen würden. Fahrlässiges Verhalten sei nicht auszuschließen und fehlendes Verschulden habe nicht dargelegt werden können (§ 5 Abs. 1 VStG).

4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4231/2021 5, mit der Begründung ablehnte, die gerügte Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, der Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie des Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV wäre nach den Beschwerdebehauptungen zu einem erheblichen Teil nur die Folge einer allenfalls grob unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Frage der Unionsrechtskonformität der Regelung des Wiener Wettengesetz die Kohärenzprüfung in jeder Hinsicht richtig durchgeführt und eine Verwaltungsstrafe zu Recht verhängt habe, insoweit nicht anzustellen. Soweit die Verfassungswidrigkeit der die bekämpfte Entscheidung tragenden Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz behauptet werde, lasse das Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Dem Gesetzgeber sei nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgehe, dass Livewetten ein besonderes Suchtpotential aufwiesen, und er solche Wetten aus diesem Grund unter Androhung einer Verwaltungsstrafe verbiete. Über nachträglichen Antrag wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Jänner 2022, E 4231/2021 7, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

5 Daraufhin erhoben die revisionswerbenden Parteien die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die revisionswerbenden Parteien erachten ihre Revision deshalb als zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der erheblichen Rechtsfrage vorliege, ob das im § 25 Abs. 1 Z 4 und § 16a lit. b Wiener Wettengesetz zum Ausdruck kommende grundsätzliche Verbot der Ausübung der Tätigkeit als Wetterunternehmer während eines laufenden Ereignisses (Livewetten) mit der in Art. 56 ff AEUV statuierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar sei. Es gebe keinen Hinweis auf eine höhere Suchtgefährlichkeit der verbotenen Livewetten im Vergleich zu anderen Wetten und in höchstem Maße suchtgefährdenden und nicht gänzlich verbotenen Glücksspielen. Es sei daher zu prüfen, ob das grundsätzliche Livewettenverbot zur Verwirklichung des geltend gemachten Ziels des Wettkundenschutzes in kohärenter und systematischer Weise geeignet sei. Selbst wenn Unionsrecht nicht unmittelbar angewendet werden könne, liege eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung vor. Unter Hinweis auf VwGH 22.2.2021, Ra 2020/17/0126, wird vorgebracht, es könne keine sachliche Rechtfertigung dafür geben, dass etwa Wettanbieter aus dem EU Ausland uneingeschränkt Livewetten in Österreich anbieten dürften, hingegen in Österreich ansässige Wettanbieter nicht.

10 Auf Grund der unbestritten gebliebenen Feststellungen ist von einem reinen Inlandssachverhalt auszugehen. Soweit die revisionswerbenden Parteien im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorbrachten, am inkriminierten Tatort hätten viele Personen aus dem europäischen Ausland Wetten platziert, ist nach dem dem angefochtenen Erkenntnis zugrundeliegenden Sachverhalt davon auszugehen, dass die zweitrevisionswerbende Partei im Bundesland Wien keine Livewetten auf Teil und Zwischenergebnisse von Tischtennisspielen anbietet. Demnach haben in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wettkunden die hier in Rede stehenden verbotenen Livewetten bei der zweitrevisionswerbenden Partei nicht abgeschlossen und es wurden ihnen solche von der zweitrevisionswerbenden Partei auch nicht angeboten.

11 Art. 56 AEUV untersagt Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind.

12 Diese Bestimmung erfasst nur Dienstleistungen, die grenzüberschreitend innerhalb der EU sind, und findet auf Tätigkeiten ohne jeden Auslandsbezug keine Anwendung (vgl. etwa EuGH 17.6.1997, Sodemare , C 70/95, Rn. 38; und EuGH 15.11.2016, Ullens de Schooten , C 268/15, Rn. 47).

13 Da die hier in Rede stehenden, vom Wiener Wettengesetz verbotenen Livewetten auf Zwischenergebnisse weder grenzüberschreitend angeboten noch von Wettkunden aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen wurden, erübrigt sich eine nähere Prüfung der durch das Wiener Wettengesetz erfolgten Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach dem Unionsrecht.

14 Soweit die Zulässigkeitsausführungen eine verfassungsrechtlich unzulässige Inländerdiskriminierung ansprechen, ist entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerde abgelehnt hat und verfassungsrechtliche Rechtsfragen nicht zur Zulässigkeit der Revision führen (vgl. etwa VwGH 1.12.2021, Ra 2021/02/0237, mwN).

15 Das angefochtene Erkenntnis weicht auch nicht vom bereits zitierten Erkenntnis VwGH 22.2.2021, Ra 2020/17/0126, ab, weil es dort um eine glücksspielrechtliche Monopolregelung ging und nicht um das von den revisionswerbenden Parteien angesprochene Anbieten von Livewetten in Österreich aus dem EU Ausland.

16 Die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darüber hinaus angesprochenen Mängel fehlender Feststellungen und des Nichteinholens eines beantragten Sachverständigengutachtens betreffen die die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes, auf die es wie bereits oben ausgeführt fallbezogen nicht ankommt, sodass es an deren Relevanz fehlt.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2025

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