JudikaturVwGH

Ra 2021/10/0160 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Anträge des L W in R, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ybbsstraße 66/II/1, 1. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, und 2. auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Zurückweisung von Beschwerden in Bezug auf Übertretungen nach dem Forstgesetz 1975, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, abgeschlossenen Verfahrens wird abgewiesen.

1 Mit Beschluss vom 10. August 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerden des Antragstellers gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 14. Mai 2020, SBS2 V 19 6662/5, vom 25. Mai 2020, SBS2 V 19 7508/5, sowie vom 25. Mai 2020, SBS2 V 19 7510/5, jeweils betreffend Bestrafung nach dem Forstgesetz 1975, als verspätet zurück.

2 Die dagegen vom Antragsteller erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zurück.

3 Mit Eingabe vom 28. März 2022 stellte der Antragsteller einen selbst verfassten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG sowie einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und 4 VwGG, verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.

4 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 2022, Ra 2021/10/0160 17, wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen.

5 In Entsprechung der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 2022, Ra 2021/10/0160 18, legte der Antragsteller mit Eingabe vom 20. April 2022 den verbesserten, weil nunmehr von einem Rechtsanwalt abgefassten und eingebrachten, Schriftsatz betreffend die Anträge auf Wiedereinsetzung und Wiederaufnahme vor.

1. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

6 Der Antrag auf Wiedereinsetzung „gegen den Beschluss des VwGH vom 24.02.2022, zugestellt am 15.03.2022, GZ: Ra 2021/10/0160 12“ wird damit begründet, dass ein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis vorgelegen sei, aufgrund dessen der Antragsteller gehindert worden sei, die per Telefax am 22. Juni 2020 an die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs abgesandten Verfahrenshilfeanträge fristgerecht zu erstatten (wird näher ausgeführt). Der Antragsteller habe erst durch das angefochtene „Erkenntnis“ des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2021 erfahren, dass seine Eingaben nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs eingelangt seien. Die vom Antragsteller dagegen erhobene Revision sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, zurückgewiesen worden. „Infolgedessen“ sei „die Fristerhebung“ des Wiedereinsetzungsantrags nach wie vor offen.

7 Diesem Vorbringen ist zu entnehmen, dass sich der Revisionswerber inhaltlich gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 14. Mai 2020, SBS2 V 19 6662/5, vom 25. Mai 2020, SBS2 V 19 7508/5, sowie vom 25. Mai 2020, SBS2 V 19 7510/5, jeweils betreffend Bestrafung nach dem Forstgesetz 1975, wendet. Dass eine Handlung versäumt worden wäre, die einen Zusammenhang mit dem im verfahrenseinleitenden Antrag vom 28. März 2022 konkret angeführten Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, das mit Beschluss vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, abgeschlossen worden ist, aufweist, wird damit nicht dargetan.

8 Da demnach keine Säumnis in Bezug auf das mit Beschluss vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12, abgeschlossene Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgezeigt wird, war der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

2. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens:

9 Der Wiederaufnahmeantrag wird auf den Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 1 VwGG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass in der seitens des „Verwaltungsgerichts in einer derart grob fehlerhaften und unvertretbaren Weise durchgeführten Beweiswürdigung eine Erschleichung im Sinn des § 45 Abs. 1 Z 1 VwGG“ zu erblicken sei.

10 Nach diesem Vorbringen bezieht sich die behauptete Erschleichung nicht wie in § 45 Abs. 1 Z 1 VwGG normiert (arg: „Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn 1. das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist“) auf den verfahrensbeendenden Beschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens (hier: jenen des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2022, Ra 2021/10/0160 12), sondern auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2021. Der behauptete Erschleichungstatbestand erweist sich daher von vornherein nicht als tauglicher Wiederaufnahmegrund iSd. § 45 VwGG (vgl. bereits den Antragsteller betreffend VwGH 27.10.2021, Ra 2020/10/0166).

11 Zum Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG wird ausgeführt, der Antragsteller habe in seiner Revision vom 19. Jänner 2022 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hätte zu erkennen gehabt, dass die technische Zuverlässigkeit der Datenübermittlung per Telefax erheblich größer sei als die postalische Übermittlung, und dass eine Fälschung des Sendeberichtes im konkreten Einzelfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei.

12 Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ungeachtet eines Parteiantrags von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, wenn die Revision zurückzuweisen ist (vgl. auch dazu VwGH 27.10.2021, Ra 2020/10/0166). Von einer Verletzung des Parteiengehörs iSd. § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG kann daher keine Rede sein.

13 Die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist gemäß § 45 VwGG nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich und dient nicht der allgemeinen Überprüfung abgeschlossener Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof oder einer Korrektur seiner Entscheidungen. Eine Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 45 VwGG bietet somit keine Handhabe dafür, eine in einem abgeschlossenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte Sachverhaltsannahme oder die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs zu bekämpfen (vgl. wiederum VwGH 27.10.2021, Ra 2020/10/0166, mwN).

14 In Ermangelung eines zutreffenden Wiederaufnahmegrundes war dem Wiederaufnahmeantrag nach § 45 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.

15 Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Angelegenheit eines Wiedereinsetzungsverfahrens war eine solche im Lichte des Art. 6 EMRK nicht geboten, weil sich die Garantien dieser Bestimmung nicht auf Verfahren über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erstrecken (vgl. VwGH 16.12.2009, 2009/12/0031; 31.7.2007, 2006/05/0089).

Wien, am 20. Juni 2022

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