Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , gesetzlich vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS), vom 21.03.2025, OB: 30589110300039, betreffend die Abweisung der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer beantragte durch seine gesetzliche Vertretung (Mutter) am 26.12.2024 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: SMS, belangte Behörde) einlangend die Ausstellung eines Behindertenpasses und legte einen psychologischen Befund vor. Betreffend Zusatzeintragungen wurde im Antrag ausgewählt, dass auch die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ beantragt werde. Ebenso werde ein „Parkausweis“ beantragt.
Als Grund für die Beantragung der Vornahme der oben genannten Zusatzeintragung wurde im Antrag angegeben, das Kind (Beschwerdeführer) habe Panik davor, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Da die gesetzliche Vertreterin alleinerziehend sei, sei es schwer, alltägliche Tätigkeiten zu erledigen. In öffentlichen Verkehrsmitteln herrsche starke Panik und aggressives Verhalten.
Im vom SMS eingeholten allgemeinmedizinischen und kinderfachärztlichen Gutachten nach dem Familienlastenausgleichsgesetz vom 29.01.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.01.2025, wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 Prozent festgestellt. Das Gutachten ergab auszugsweise Folgendes:
„Anamnese:
Entsprechend dem psychologischen Befund von Mag. XXXX 10/2024 besteht bei […] ein atypischer Autismus und eine Sprachentwicklungsstörung im expressiven und rezeptiven Bereich bei eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit. Sein Beschwerdebild ist der Mutter erstmals im Alter von 1,5 Jahren aufgefallen, weil er nicht mehr auf seinem Namen gehört hat. Rollenspiele hat er aufgehört und die Wörter hat er wieder vergessen. Gesprochen hat er auch nicht. Mit 2,5 Jahren erfolgte die erste psychologische Abklärung. Bei Benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel verhält sich […] in der Regel ruhig und sozial angepasst. Laut der Mutter liebt er das Busfahren.
Derzeitige Beschwerden:
Störung des Sozialverhaltens. Expressive Sprachstörung. Rezeptive Sprachstörung. Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ergotherapie.
Sozialanamnese:
[…] geht in den Kindergarten (Integrationsgruppe) und lebt mit der Mutter im gemeinsamen Familienverband.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
30.10.2024 Praxis, Dr. XXXX , Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Wien
Psychologischer Befund
Diagnose: Atypischer Autismus
Verhaltensbeobachtung: Typische Merkmale eines atypischen Autismus. Im Bereich der verbalen Kommunikation bestehen Entwicklungsverzögerungen. Es kommen einzelne Wortlaute zur Anwendung. Nonverbale Kommunikation, wie Zeigen oder Gestikulieren sind ebenfalls kaum ausgeprägt. Es zeigen sich weiter stereotype Bewegungsmuster. In Zusammenschau der diagnostischen Erhebung zeigen sich deutliche Beeinträchtigungen der sozialen Reaktivität. Auch in der Verhaltensbeobachtung zeigt […] vermehrt Echolalien, repetitive Bewegungen und ein stark ausgeprägtes Kontaktverhalten zur Mutter. Im Gesamtbild zeigen sich deutliche Anzeichen einer Störung aus dem Autismusspektrum mit atypischem Beginn.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: gut (…)
Status (Kopf / Fußschema) – Fachstatus:
3 Jahre alter Bub, Haut: bland, interne Untersuchung unauffällig, grobneurologisch unauffällig.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Soweit beurteilbar motorische Entwicklung, Gangbild und Gesamtmobilität dem Alter entsprechend unauffällig.
Psycho(patho)logischer Status:
[…] ist ein auffälliger Bub, der kein Wort spricht, nur lautiert, kognitiv eingeschränkt wirkt, keinen direkten Blickkontakt zeigt, nicht auf Ansprache reagiert und auf seinem Platz ruhig stehen bleibt. Er spielt konzentriert mit den Spielsachen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.“
Aufgrund des oben erwähnten Antrages holte das SMS von demselben Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 08.02.2025 ein.
Dieses ergab (auszugsweise) Folgendes:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
28.01.2025 Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien
Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 60% (atypischer Autismus)
Mobilität: Bei Benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel verhält sich […] in der Regel ruhig und sozial angepasst. Laut der Mutter liebt er das Busfahren.
Psychologischer Status: […] bleibt auf seinem Platz ruhig stehen. Er spielt konzentriert mit den Spielsachen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
30.10.2024 Praxis, Dr. XXXX , Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Wien
Psychologischer Befund
Diagnose: Atypischer Autismus
Verhaltensbeobachtung: Typische Merkmale eines atypischen Autismus. Im Bereich der verbalen Kommunikation bestehen Entwicklungsverzögerungen. Es kommen einzelne Wortlaute zur Anwendung. Nonverbale Kommunikation, wie Zeigen oder Gestikulieren sind ebenfalls kaum ausgeprägt. Es zeigen sich weiter stereotype Bewegungsmuster. In Zusammenschau der diagnostischen Erhebung zeigen sich deutliche Beeinträchtigungen der sozialen Reaktivität. Auch in der Verhaltensbeobachtung zeigt […] vermehrt Echolalien, repetitive Bewegungen und ein stark ausgeprägtes Kontaktverhalten zur Mutter. Im Gesamtbild zeigen sich deutliche Anzeichen einer Störung aus dem Autismusspektrum mit atypischem Beginn.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: Ergotherapie.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Alleiniges Leiden.
[…] Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Erstgutachten im BBG.
[…] Nachuntersuchung 01/2030 - Evaluierung des weiteren Entwicklungs- und Krankheitsverlaufes mit Therapienachweisen. […]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es besteht keine Einschränkung der Mobilität. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist möglich. Trotz der Autismus-Spektrum-Störung ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit besteht auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Keine erhebliche Einschränkung der Funktion des Immunsystems dokumentiert. […]
Begründung:
Begleitperson wird nicht gewährt, da Kind unter 6 Jahre alt ist und auf Grund des Alters noch Aufsicht benötigt.“
Im Rahmen des gewährten Parteiengehörs wurde keine Stellungnahme zum Gutachten abgegeben.
Das SMS stellte dem Beschwerdeführer einen befristeten Behindertenpass mit einem GdB von 60 Prozent aus.
Mit gegenständlichem Bescheid des SMS vom 21.03.2025 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Aktengutachten verwiesen.
Im Rahmen der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe seit einem Vorfall mit einem anderen Fahrgast große Panik, in öffentliche Verkehrsmittel einzusteigen. Es sei nur möglich, indem man das Kind (den Beschwerdeführer) packe und hineinhebe. Dies sei nicht immer so gewesen. Seit dem Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer von einem Fahrgast angeschrien worden sei, weine er und zapple mit den Händen, wenn er im Bus sitze. Wenn der Bus zu voll sei, müsse auf den nächsten gewartet werden. Momentan seien nur Fahrten mit dem Auto möglich. Um es der alleinerziehenden Mutter des Beschwerdeführers zu erleichtern, werde ersucht, einen Parkausweis auszustellen. Der Beschwerdeführer habe Pflegestufe 2.
Der Beschwerde beigelegt war ein Bericht der Therapeutin des Beschwerdeführers vom 09.04.2025, in dem im Wesentlichen festgehalten ist, dass die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln für Mutter und Kind (Beschwerdeführer) eine große Herausforderung sei und nicht immer mit den in öffentlichen Verkehrsmitteln geltenden Regeln kompatibel sei.
Dieser wurde dem Bundesverwaltungsgericht – nachdem das SMS die Beschwerde bereits vorgelegt hatte – nachgereicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Dem am XXXX geborenen Beschwerdeführer wurde ein bis 30.04.2030 befristeter Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung in der Höhe von 60 Prozent ausgestellt.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung:
Beschwerderelevanter Status:
Status (Kopf/Fußschema) – Fachstatus:
3 Jahre alter Bub, Haut: bland, interne Untersuchung unauffällig, grobneurologisch unauffällig.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Soweit beurteilbar motorische Entwicklung, Gangbild und Gesamtmobilität dem Alter entsprechend unauffällig.
Psycho(patho)logischer Status:
Der Beschwerdeführer ist ein auffälliger Bub, der kein Wort spricht, nur lautiert, kognitiv eingeschränkt wirkt, keinen direkten Blickkontakt zeigt, nicht auf Ansprache reagiert und auf seinem Platz ruhig stehen bleibt. Er spielt konzentriert mit den Spielsachen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
Funktionseinschränkung: Atypischer Autismus;
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellte Funktionseinschränkung wirkt sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Es besteht keine Einschränkung der Mobilität. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300 bis 400 m ist möglich.
Trotz der Autismus-Spektrum-Störung ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit besteht auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Geburtsdatum und ausgestellten Behindertenpass ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde.
Zur Funktionseinschränkung und den Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird festgehalten, dass das SMS betreffend den Beschwerdeführer bereits ein Gutachten mit Untersuchung am 28.01.2025 nach dem FLAG eingeholt hatte, aus dem sich die Feststellungen zum Status des Beschwerdeführers ergeben.
Die übrigen Feststellungen konnten auf der Grundlage des vom SMS in weiterer Folge eingeholten Aktengutachtens desselben Allgemeinmediziners und Kinderfacharztes vom 08.02.2025 getroffen werden.
So wurde in diesem Aktengutachten kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.
Nachvollziehbar geht aus diesem Gutachten hervor, dass beim Beschwerdeführer keine Einschränkung der Mobilität besteht. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist möglich. Trotz der Autismus-Spektrum-Störung ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit besteht auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Ebenso nachvollziehbar wird im Aktengutachten festgehalten, dass keine erhebliche Einschränkung der Funktion des Immunsystems dokumentiert ist.
Insbesondere wurden in den Gutachten zudem alle vorgelegten relevanten Unterlagen berücksichtigt.
An der Einschätzung des Gutachters vermögen auch die Ausführungen in der Beschwerde und der damit vorgelegte Bericht der Therapeutin des Beschwerdeführers nichts zu ändern.
Im Gutachten vom 29.01.2025 ist unter „Anamnese“ festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer bei Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel in der Regel ruhig und sozial angepasst verhalte, laut Mutter liebe er das Busfahren. Im Untersuchungsbefund hielt der Gutachter außerdem nachvollziehbar fest, dass der Beschwerdeführer auf seinem Platz ruhig stehen bleibt. Er spielt konzentriert mit den Spielsachen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
Ein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage mit einem anderen Untersuchungsbefund liegt betreffend den Beschwerdeführer nicht vor. Der Bericht der Therapeutin des Beschwerdeführers mit sehr allgemein gehaltenen Ausführungen zum Verhalten des Beschwerdeführers, der insbesondere nur die Aussagen der Mutter des Beschwerdeführers zum Verhalten des Beschwerdeführers in den öffentlichen Verkehrsmitteln festhält, ist jedenfalls nicht ausreichend, um die vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten zu entkräften. Die von der Mutter des Beschwerdeführers subjektiv geschilderten Hindernisse bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden nicht von einem Experten/Expertin objektiviert.
Es liegt daher kein Vorbringen vor, das geeignet ist, das Ergebnis der Gutachten in Zweifel zu ziehen. Im Aktengutachten wurden die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG, auszugsweise).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (kurz: VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen), BGBl II 2013/495, zuletzt geändert durch BGBl II 2016/263, ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
– erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
– erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
– erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
– eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
– eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.10.2011, 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der geltenden Fassung geregelt in § 1 Abs. 4 Z 3) ausgeführt:
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – severe combined immunodeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z. B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer – unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse – durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186).
Beim Beschwerdeführer liegen – wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt – weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Ebenso wenig liegen eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen vor.
Betreffend die festgestellte Funktionseinschränkung wird ausgeführt, dass aus den getroffenen Feststellungen keine hochgradige Entwicklungsstörung mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten und auch keine schwere kognitive Einschränkung, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergeht, abgeleitet werden können. Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen liegen demnach nicht vor.
Der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300 bis 400 m ist möglich.
Es wird im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt somit davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Den vorliegenden Gutachten wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten, steht es der Partei, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Dem Beschwerdeführer bzw. der gesetzlichen Vertretung steht es aber natürlich frei, neuerlich einen Antrag zu stellen, wenn eine offenkundige Änderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eintritt.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Der Vollständigkeit halber wird auch darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) nicht vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und – ihm folgend – des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfGH 08.10.2020, E 1873/2020, mwN).
Zur Klärung des Sachverhaltes holte die belangte Behörde, nachdem im Verfahren nach dem FLAG ein Gutachten mit Untersuchung eingeholt worden war, ein allgemeinmedizinisches und kinderfachärztliches Aktengutachten ein. Darin wurde nachvollziehbar das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Vorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer bzw. dessen gesetzlicher Vertretung mündlich zu erörtern gewesen wäre. Alle relevanten Befunde bzw. Unterlagen des Beschwerdeführers wurden in den vom SMS eingeholten Gutachten berücksichtigt. Durch die mündliche Erörterung war eine weitere Klärung der Rechtssache somit nicht zu erwarten.
Zudem wird darauf hingewiesen, dass der vorliegende Sachverhalt zur Gänze auf den dem Beschwerdeführer bzw. dessen gesetzlicher Vertretung bekannten Aktenteilen basiert und dieser Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig ist noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien (vgl. VwGH 19.09.2018, Ra 2018/11/0145).
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung hängt von Tatsachenfragen ab. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung.