Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (SMS), vom 22.04.2025, OB: XXXX , betreffend die Abweisung der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Beim Beschwerdeführer besteht seit 18.01.2022 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 von Hundert (vH).
Im Vorverfahren wurde – auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.01.2022 – die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass des Beschwerdeführers eingetragen. Im Gutachten wurde eine Nachuntersuchung für 12/2024 bestimmt, da der weitere Verlauf der Gesundheitsschädigung nicht absehbar sei.
Sowohl der Behindertenpass als auch die Zusatzeintragung wurden befristet ausgestellt.
In einem Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz wurde ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde, basierend auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 09.01.2025, erstellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt.
Aufgrund des gegenständlichen Antrages des Beschwerdeführers auf Verlängerung des befristet ausgestellten Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung, der am 15.01.2025 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: SMS, belangte Behörde) vor Ablauf der Befristung einlangte, wurde ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des bereits mit der Gutachtenserstellung am 09.01.2025 befassten Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 03.03.2025 eingeholt.
In diesem Gutachten wurde erneut ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH und folgende Funktionseinschränkung festgestellt:
Betreffend die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hielt der Gutachter fest, dass keine Einschränkung der Mobilität bestehe. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke seien möglich. Trotz der Entwicklungsstörung sei eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit bestehe auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Ein Immundefekt, im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten, läge nicht vor. Eine erhebliche Einschränkung der Funktion des Immunsystems sei nicht dokumentiert.
Ein weiteres Gutachten des befassten Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 11.03.2025 lautet auszugsweise wie folgt:
„[…] Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
09.01.2025 Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX
Ärztliches FLAG-Sachverständigengutachten: GdB 60% (Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung bei PTPN11-assoziiertem Syndrom (de novo)
Psychologischer Status: XXXX ist ein freundlicher Bub, einfach strukturiert, der kein Wort spricht, kognitiv deutlich eingeschränkt wirkt, keine Fragen beantworten kann, einen direkten Blickkontakt zeigt, in Interaktion mit mir geht und sofort auf Ansprache reagiert. Er verhält sich ruhig und bleibt auf seinem Stuhl sitzen. Er spielt konzentriert mit den Magnetsteinen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
Mobilität: Keine Einschränkungen vorliegend. Beim Benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel verhält er sich laut Vater meist unruhig.
Klinik: Unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit. Lernschwäche. Expressive Sprachstörung. Rezeptive Sprachstörung. Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit.
13.11.2024 Öffentliche Schule der Stadt XXXX
Bestätigung über den Schulbesuch
Fazit: Der Schüler XXXX besucht im Schuljahr 2024/2025 die Klasse 2A.
03.03.2023 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, XXXX
Ambulanzbericht
Diagnosen:
PTPN 11-assoziierte Syndrom, de novo
EWV
Einschulung Integrationsschule im Herbst geplant.
30.01.2022 Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX
Ärztliches PASS-Sachverständigengutachten: GdB 60% (allgemeiner EWR bei St.p. Frühgeburt/ Zustand nach Eppstein Barr
Virus-Encephalitis / Verhaltensproblematik)
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: Keine.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Alleiniges Leiden
(…)
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Der Gesamtgrad der Behinderung bleibt unverändert zum Vorgutachten vom 30.01.2022, da bei Leiden 1 keine signifikante Besserung oder Verschlechterung zu bemerken ist, die eine Herabstufung oder Höherstufung des Gesamtgrades der Behinderung rechtfertigt.
[…] Nachuntersuchung 02/2030 - Evaluierung des weiteren Entwicklungsverlaufes mit Therapienachweisen und Vorlage eines aktuellen psychologischen Befundberichtes. […]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es besteht keine Einschränkung der Mobilität. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist möglich. Trotz der Entwicklungsstörung ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit besteht auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Während der Untersuchungssituation hat sich XXXX ruhig verhalten und ist auf seinem Stuhl sitzen geblieben. Er hat konzentriert mit den Magnetsteinen gespielt. Er hat nicht geschrien und ist nicht durch die Ordination gelaufen.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Keine erhebliche Einschränkung der Funktion des Immunsystems dokumentiert.
[…]
Begründung:
Das Erfordernis einer Begleitperson kann aufgrund von Orientierungsmangel und kognitiven Einschränkungen begründet werden. […]“
Im Rahmen des gewährten Parteiengehörs gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid des SMS vom 22.04.2025 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen, nach dem die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.
Im Rahmen der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einen Behindertenpass und einen Parkausweis gehabt habe. Nach der Verlängerung habe er nur einen Behindertenpass erhalten, aber keinen Parkausweis, obwohl die Krankheit unverändert sei. Der Beschwerdeführer habe einen Fahrtendienst von der Schule.
Das SMS legte am 22.05.2025 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Diese langten am 23.05.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines bis 31.02.2030 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 60 vH und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung(en):
Beschwerderelevanter Status:
Psychologischer Status: Der Beschwerdeführer ist ein freundlicher Bub, einfach strukturiert, der kein Wort spricht, kognitiv deutlich eingeschränkt wirkt, keine Fragen beantworten kann, einen direkten Blickkontakt zeigt, in Interaktion mit dem befassten Arzt geht und sofort auf Ansprache reagiert. Er verhält sich ruhig und bleibt auf seinem Stuhl sitzen. Er spielt konzentriert mit den Magnetsteinen. Er schreit nicht und läuft nicht durch die Ordination.
Mobilität: Keine Einschränkungen vorliegend. Beim Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel verhält er sich laut Vater meist unruhig.
Klinik: Unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit. Lernschwäche. Expressive Sprachstörung. Rezeptive Sprachstörung. Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit.
Funktionseinschränkung: Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung bei PTPN11- assoziiertem Syndrom (de novo)
1.2.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellte Funktionseinschränkung wirkt sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Beim Beschwerdeführer besteht keine Einschränkung der Mobilität. Der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist möglich. Trotz der Entwicklungsstörung ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben möglich und somit besteht auch keine Einschränkung in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Während der Untersuchungssituation im Rahmen der Gutachtenserstellung verhielt sich der Beschwerdeführer ruhig und blieb auf seinem Stuhl sitzen. Er hat konzentriert mit den Magnetsteinen gespielt. Er hat nicht geschrien und ist nicht durch die Ordination gelaufen.
Es besteht keine Einschränkung der Mobilität durch die festgestellte Funktionseinschränkung. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.
Beim Beschwerdeführer liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Relevante Einschränkungen von Sinnesfunktionen konnten nicht festgestellt werden.
Es ist keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes hatte die belangte Behörde zunächst ein Gutachten eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 03.03.2025 eingeholt. Dieses Gutachten wurde aufgrund der Aktenlage erstellt, wobei der befasste Gutachter den Beschwerdeführer erst am 09.01.2025 für ein weiteres Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz persönlich untersuchte und das Gutachten vom 03.03.2025 auf dem Gutachten vom 09.01.2025 basiert – er hatte somit Kenntnis vom tatsächlichen Zustand des Beschwerdeführers. Darin wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Funktionseinschränkung „Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung bei PTPN11- assoziiertem Syndrom (de novo)“ kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. In einem weiteren Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 11.03.2025 konkretisierte der Gutachter die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dahingehend, dass keine Einschränkungen der Mobilität vorlägen und der sichere Transport, das Ein- und Aussteigen sowie das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke möglich sind. Weiters geht aus diesem Gutachten nachvollziehbar hervor, dass beim Beschwerdeführer kein Immundefekt vorliegt, im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten.
Relevante Einschränkungen von Sinnesfunktionen gehen aus dem Gutachten zudem nicht hervor.
In der Beschwerde wird lediglich pauschal dargetan, dass der Beschwerdeführer früher einen Behindertenpass mit Parkausweis gehabt und seit der Verlängerung nur einen Behindertenpass, aber keinen Parkausweis habe, obwohl die Krankheit unverändert sei. Dazu führt der Gutachter aus, dass trotz der Entwicklungsstörung eine Teilhabe am öffentlichen Leben und somit eine Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel möglich sei. Der Beschwerdeführer habe sich während der Untersuchung ruhig verhalten und sei auf seinem Stuhl sitzen geblieben. Er habe konzentriert mit Magnetsteinen gespielt, nicht geschrien und sei nicht durch die Ordination gelaufen. Das Vorgutachten vom 30.01.2022 geht hingegen von Verhaltensauffälligkeiten aus, die für den Gutachter im gegenständlichen Verfahren offenbar nicht mehr erkennbar waren, sodass nachvollziehbar ausgeführt wurde, warum der Gutachter nunmehr zu dem Schluss gelangt, dass dem Beschwerdeführer die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel mittlerweile zumutbar ist.
Es liegt kein geeignetes Vorbringen vor, das Ergebnis der Gutachten in Zweifel zu ziehen. Darin wurden die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG, auszugsweise).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (kurz: VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen), BGBl II 2013/495, zuletzt geändert durch BGBl II 2016/263, ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
– erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
– erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
– erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
– eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
– eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.10.2011, 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der geltenden Fassung geregelt in § 1 Abs. 4 Z 3) ausgeführt:
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – severe combined immunodeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z. B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer – unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse – durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186).
Beim Beschwerdeführer liegen – wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt – weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen festgestellt werden. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Ebenso wenig liegen eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen vor.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, da keine Einschränkung der Mobilität festgestellt werden konnte. Zwar können auch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen, insbesondere eine hochgradige Entwicklungsstörung mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten; jedoch liegt eine derartige Einschränkung beim Beschwerdeführer nicht vor. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, besteht beim Beschwerdeführer zwar eine Entwicklungsstörung, jedoch nicht in einem derart hochgradigen Ausmaß mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten, dass eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar wäre.
Es wird im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt somit davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Der Vollständigkeit halber wird auch darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und – ihm folgend – des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfGH 08.10.2020, E 1873/2020, mwN).
Zur Klärung des Sachverhaltes hatte die belangte Behörde zunächst ein neurologisches Sachverständigengutachten sowie eine Stellungnahme eingeholt. Darin war kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt worden. Nach Beschwerdeerhebung holte sie ein weiteres neurologisches Gutachten samt Stellungnahme ein. Darin wurde (erneut) nachvollziehbar das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Vorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Alle relevanten Befunde bzw. Unterlagen des Beschwerdeführers wurden in den vom SMS eingeholten Gutachten und Stellungnahmen berücksichtigt. Durch die mündliche Erörterung war eine weitere Klärung der Rechtssache somit nicht zu erwarten.
Zudem wird darauf hingewiesen, dass der vorliegende Sachverhalt zur Gänze auf den dem Beschwerdeführer bekannten Aktenteilen basiert und dieser Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig ist noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien (vgl. VwGH 19.09.2018, Ra 2018/11/0145).
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher – trotz Beantragung – unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung hängt von Tatsachenfragen ab. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.