Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der S GesmbH in G, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 15. Jänner 2014, Zl. Ü B02/04/2014.002/002, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberwart; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. C K in B, 2. J R in G, 3. M S in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
I.
1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft O vom 5. April 2013 wurde der Revisionswerberin auf Grund ihres Antrages vom 12. November 2012 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Neuerrichtung einer Betriebsanlage, umfassend unter anderem eine Service- und Lagerhalle sowie Abstell- und Lagerflächen im Freien, eine Lkw-Waschanlage, einen Bremsprüfstand, Büro- und Sozialräume, eine Biomasseheizung und Lärmschutzeinrichtungen, erteilt.
2 2. Diese Genehmigung hat das Landesverwaltungsgericht Burgenland auf Grund der Berufungen der mitbeteiligten Parteien (Nachbarn) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Jänner 2014 gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG aufgehoben und das Genehmigungsansuchen als unzulässig zurückgewiesen. Außerdem wurde die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt.
3 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens aus, die Revisionswerberin habe bereits mit Schreiben vom 9. Februar 1995 um eine entsprechende Betriebsanlagengenehmigung am gegenständlichen Standort ersucht, die vom Landeshauptmann mit Bescheid vom 23. Juni 1997 erteilt, aber mit Berufung bekämpft worden sei. Nach mehreren Rechtsgängen (vgl. zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2012, 2007/04/0119) sei das diesbezügliche Berufungsverfahren wiederum beim zuständigen Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend anhängig, der - so das Verwaltungsgericht - bislang nicht entschieden habe. Daraus zog das Landesverwaltungsgericht den Schluss, das nunmehrige Ansuchen vom 12. November 2012 sei "unzulässig, weil nicht zwei nebeneinander bestehende Genehmigungen für die eine Einheit bildende Betriebsanlage erteilt werden dürfen".
4 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 1. Die Revisionswerberin bringt vor, das Verwaltungsgericht sei von einem offensichtlich unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und habe seine Entscheidung darauf gestützt. Die Zurückweisung des Genehmigungsantrages vom 12. November 2012 sei nur der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung geschuldet, dass ein weiteres (auf den Antrag vom 9. Februar 1995 zurückgehendes) Betriebsanlagenverfahren beim Bundesminister anhängig sei. Die Revisionswerberin habe jedoch am 28. Februar 2013 im dortigen Verfahren den Antrag um wesentliche Teile eingeschränkt, sodass ab diesem Zeitpunkt nur ein Personalgebäude sowie ein Biotop und ein Löschteich samt Abwasserkanal Verfahrensgegenstand gewesen sei. Die restlichen verfahrensgegenständlichen Projektbestandteile seien weder räumlich, sachlich noch inhaltlich in irgendeinem Zusammenhang mit dem Projekt vom 12. November 2012 gestanden. Seit 28. Februar 2013 habe es daher keinerlei "Überschneidung" mit dem aktuellen Verfahrensgegenstand und damit kein Kriterium für eine Prüfung im Sinne der "Einheit der Betriebsanlage" mehr gegeben. Am 2. Juli 2013 sei von der Revisionswerberin der Genehmigungsantrag vom 9. Februar 1995 auch hinsichtlich des damals restlichen Verfahrensinhaltes und damit das seinerzeitige Ansuchen zur Gänze zurückgezogen worden. Aus diesem Grund habe der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Bescheid vom 29. Juli 2013 den angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes vom 23. Juni 1997 und den diesem zugrunde liegenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft O vom 17. September 1996 ersatzlos behoben.
2. Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 6 Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn die Entscheidung in
seiner Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 22. April 2015, 2013/10/0143, mwN).
7 Das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung, den Genehmigungsantrag der Revisionswerberin vom 12. November 2012 zurückzuweisen, damit, dass am gegenständlichen Standort bereits ein von der Revisionswerberin am 9. Februar 1995 beantragtes Betriebsanlagengenehmigungsverfahren beim Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend anhängig sei und zwei nebeneinander bestehende Genehmigungen für die eine Einheit bildende Betriebsanlage nicht erteilt werden dürften.
Wie sich aus den von der Revisionswerberin vorgelegten Schreiben vom 28. Februar 2013 und vom 2. Juli 2013 ergibt, wurde der Genehmigungsantrag vom 9. Februar 1995 zunächst eingeschränkt und schließlich zur Gänze zurückgezogen. Dass dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Zurückweisungsentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mehr anhängig war, belegt zudem der vorgelegte (und im Verwaltungsakt einliegende) Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 29. Juli 2013.
8 3. Da der Sachverhalt vom Verwaltungsgericht in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
9 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. Juli 2016