Ra 2020/08/0008 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht einen Umgang des Arbeitslosen mit Vermittlungsvorschlägen festgestellt, der deren nachträgliches Verlorengehen begünstigte. Der Arbeitslose führe für seine Vermittlungsvorschläge keine Mappe, sondern gebe sie nach dem Beratungsgespräch ins Auto, um sie dann zu Hause "kurz anzuschauen". Ein solches Verhalten einer langjährig arbeitslosen und daher jedenfalls mit der Bedeutung von Vermittlungsvorschlägen vertrauten Person kann nicht als bloß fahrlässig angesehen werden, wird doch damit - solange der arbeitslosen Person die Fähigkeit zur Selbstorganisation nicht überhaupt abzusprechen ist - offenkundig in Kauf genommen, dass Vermittlungsvorschläge verloren gehen oder vergessen werden und in der Folge kein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 22.12.2010, 2008/08/0264). Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher auf Basis seiner Feststellungen nicht den Vorsatz des Arbeitslosen als Voraussetzung für den Anspruchsverlust nach § 10 Abs. 1 AlVG verneinen dürfen. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Gründen wäre nur eine Nachsicht nach § 10 Abs. 3 AlVG in Betracht gekommen. Ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Bestimmung kann u.a. dann vorliegen, wenn dem Arbeitslosen sein - wenn auch in Bezug auf die Weigerung bzw. Vereitelung vorsätzliches - Verhalten ausnahmsweise aus besonderen Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann (vgl. etwa VwGH 20.10.2010, 2007/08/0231, mwN).