JudikaturVwGH

Ro 2018/08/0008 7 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. September 2019

Hinsichtlich der Frage, wann in den Verfahren der Verwaltungsgerichte auf Grund der Schwierigkeiten des Falles die Beigebung eines Verfahrenshelfers erforderlich ist, ist die Ausgestaltung des Verfahrens nach dem VwGVG zu berücksichtigen. Dazu hat bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss darauf hingewiesen, dass durch die in § 9 VwGVG normierten Anforderungen an eine Beschwerde, die nach den Gesetzesmaterialien so gestaltet worden sind, dass sie auch "ein durchschnittlicher Bürger (...) ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann", bzw. durch die im Verfahren der Verwaltungsgerichtsgerichte gemäß § 13a AVG iVm. § 17 VwGVG anzuwendende Manuduktionspflicht für nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene Parteien dem rechtspolitischen Anliegen eines auch für unvertretene Parteien einfach handhabbaren Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten Rechnung getragen wurde. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahren der Verwaltungsgerichte - anders als der Zivilprozess in allgemeinen Streitsachen - gemäß § 17 VwGVG iVm. § 37 und § 39 Abs. 2 AVG vom Grundsatz der materiellen Wahrheit (Offizialprinzip, Amtswegigkeitsprinzip) beherrscht werden. Demnach hat das Gericht, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der im AVG enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen und den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen (vgl. etwa VwGH 2.5.2019, Ro 2019/08/0009, mwN). Das Verwaltungsgericht hat daher von Amts wegen unabhängig vom Parteivorbringen und von den Parteianträgen den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Dabei hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge darf sich das Verwaltungsgericht nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Das Verwaltungsgericht hat freilich die Partei eines Verfahrens, wenn sie nicht nur ganz allgemein gehaltene, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt hat, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, vorerst zu einer Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die dem Verwaltungsgericht nach allfälligen weiteren Ermittlungen die Beurteilung des Vorbringens ermöglichen (vgl. zum Ganzen VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, mwN).

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