Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc BVG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §2 StPO als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975, idF BGBl I 50/2025 lautet auszugsweise (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine Grundsätze
Das Strafverfahren
§1. (1) Die Strafprozessordnung regelt das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit zusammenhängende Entscheidungen. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist jede nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung.
(2) Das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (Abs3) ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§48 Abs1 Z2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.
(3) Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist.
Amtswegigkeit
§2. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären.
(2) Im Hauptverfahren hat das Gericht die der Anklage zu Grunde liegende Tat und die Schuld des Angeklagten von Amts wegen aufzuklären.
Objektivität und Wahrheitserforschung
§3. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind.
(2) Alle Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe haben ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Sie haben die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln.
Anklagegrundsatz
§4. (1) Die Anklage obliegt der Staatsanwaltschaft, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Staatsanwaltschaft hat für die zur Entscheidung über das Einbringen der Anklage notwendigen Ermittlungen zu sorgen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen und Anträge zu stellen. Gegen ihren Willen darf ein Strafverfahren nicht geführt werden. Die Rechte auf Privatanklage und auf Subsidiaranklage (§§71 und 72) bleiben unberührt.
(2) Einleitung und Durchführung eines Hauptverfahrens setzen eine rechtswirksame Anklage voraus; in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ist hiefür eine Ermächtigung (§92) erforderlich.
(3) Die Entscheidung des Gerichts hat die Anklage zu erledigen, darf sie jedoch nicht überschreiten. An eine rechtliche Beurteilung ist das Gericht nicht gebunden."
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Zu seiner Betroffenheit durch die angefochtenen Bestimmungen bringt der Antragsteller vor, er habe einen näher dargelegten Sachverhalt mehrfach bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zur Anzeige gebracht, die jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.
1.1. Die gesetzliche Verpflichtung der Staatsanwaltschaften, jedem Verdacht nachzugehen, sei selbstreferenziell ausgestaltet, weil sie wiederum nur durch andere Staatsanwaltschaften durchgesetzt werden könne. Mangels eines subjektiven Rechts des Anzeigers auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, bleibe zur Kontrolle des behördlichen Ermessens nur die staatsanwaltschaftliche Dienstaufsicht oder die Strafbarkeit wegen Missbrauchs der Amtsgewalt (§302 StGB). Eine gerichtliche Kontrolle finde hingegen nicht statt.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
2.1. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
2.2. Nach §62 Abs1 letzter Satz VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, demgemäß darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwiefern die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Wird durch einen Antrag nicht konkret dargetan, inwieweit durch das bekämpfte Gesetz ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers erfolgt, so leidet der Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (zB VfSlg 18.187/2007; VfGH 21.11.2013, G85/2013; 8.10.2014, G65/2014).
3. Der Antragsteller hat es entgegen §62 Abs1 letzter Satz VfGG unterlassen, seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit in Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen im Einzelnen darzulegen: Er beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, seine Rechtssphäre sei verletzt, weil auf seine Anzeigen nicht reagiert worden sei. Nachvollziehbare Angaben, anhand derer widerspruchsfrei beurteilt werden könnte, ob die angefochtene Rechtsvorschrift unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift, sind dem Antrag nicht zu entnehmen. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist es aber nicht, Vermutungen über die Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmungen auf den Antragsteller anzustellen (VfSlg 17.064/2003; VfGH 22.9.2021, G311/2020). Dem Antrag steht daher schon deshalb ein nicht behebbares Prozesshindernis entgegen (VfSlg 19.435/2011).
4. Der Antrag ist somit als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.