JudikaturVfGH

G219/2023 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
21. September 2023
Leitsatz

Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch eine Bestimmung des RStDG betreffend die — im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gelegene — aliquote Bezugskürzung bei Herabsetzung der Auslastung von Richtern nach einem Krankenstand; keine Bedenken gegen die unterschiedlichen dienstrechtlichen Systeme bestimmter Gruppen öffentlicher Bediensteter hinsichtlich der divergierenden Wiedereingliederungsteilzeit und den besoldungsrechtlichen Konsequenzen; keine Diskriminierung durch die aliquote Bezugskürzung im Falle der antragsbedürftigen und sohin freiwilligen Herabsetzung der Auslastung

Abweisung von Anträge des BVwG auf Aufhebung der Zeichenfolge "75g" in der Aufzählung des §76d Abs1 Z1 RStDG idF BGBl I 205/2022.

Zum Vorbringen des BVwG, dass die aliquote Bezugskürzung gemäß §76d Abs1 Z1 RStDG im Fall einer herabgesetzten Auslastung wegen Krankheit nach §75g leg cit gleichheitswidrig sei, weil Richter damit schlechter gestellt seien als andere öffentlich Bedienstete nach den entsprechenden Regelungen für Staatsanwälte und Beamte bzw Vertragsbedienstete, aus denen sich jeweils eine im Vergleich höhere Besoldung ergebe, ist zunächst festzuhalten, dass in §75g RStDG zwei Fälle der Herabsetzung wegen Krankheit geregelt sind. Nach Abs1 leg cit ist die Herabsetzung des regelmäßigen Dienstes des Richters nach einem längeren Krankenstand bis auf die Hälfte möglich und zwar längstens für die Dauer von zwei Jahren, wobei Verlängerungen um bis zu zwei weitere Jahre möglich sind. Diese Herabsetzung dient daher der Wiedereingliederung in den Dienst mit dem Ziel einer Rückkehr zur Vollzeit. Demgegenüber erfolgt die Herabsetzung nach Abs2 leg cit zeitlich unbefristet und setzt voraus, dass der Richter wegen einer nicht heilbaren Erkrankung dauerhaft nicht mehr voll dienstfähig ist. In beiden Fällen werden die Bezüge des Richters gemäß §76d Abs1 Z1 RStDG aliquotiert. Die "Wiedereingliederungsteilzeit" gemäß §50f BDG 1979 und §20c VBG, auf die das BVwG seine gleichheitsrechtlichen Erwägungen bezieht, ist auf bis zu sechs Monate befristet (mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um bis zu drei Monate) und dient der Wiederherstellung einer Vollzeitbeschäftigung. Im Fall der Wiedereingliederungsteilzeit gemäß §50f BDG 1979 gebührt gemäß §12j iVm §13c GehG ein Monatsbezug in Höhe von 80 %. Im Fall der Wiedereingliederungsteilzeit gemäß §20c VBG gebührt zusätzlich zum aliquotierten Gehalt das Wiedereingliederungsgeld gemäß §143d Abs3 iVm Abs7 ASVG. Während also die Herabsetzung gemäß §75g Abs2 RStDG wegen einer unheilbaren Krankheit erfolgt und zeitlich unbefristet ist, dauert die Wiedereingliederungsteilzeit höchstens neun Monate und soll in eine Vollzeitbeschäftigung münden. Eine Gleichheitswidrigkeit auf Grund unterschiedlicher gehaltsrechtlicher Folgen scheidet somit mangels Vergleichbarkeit dieser beiden Regelungen aus.

Vor dem Hintergrund, dass gegen unterschiedliche dienstrechtliche Systeme für bestimmte Gruppen öffentlich Bediensteter grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, bestehen auch keine Bedenken gegen die Herabsetzung nach §75g Abs1 RStDG. Es scheidet auch aus, die besoldungsrechtlichen Konsequenzen von einzelnen Bestimmungen dieser unterschiedlichen Systeme isoliert im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz miteinander zu vergleichen. Wenn daher einerseits im RStDG – das im Übrigen keine geregelten Dienstzeiten kennt – und andererseits im BDG 1979 und im VBG jeweils eine eigene Form der Wiedereingliederungsteilzeit vorgesehen ist, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn auch die besoldungsrechtlichen Konsequenzen jeweils unterschiedlich geregelt sind.

Das BVwG bringt darüber hinaus zur Herabsetzung nach einem längeren Krankenstand gemäß §75g Abs1 RStDG vor, dass die angefochtene Regelung zu der "paradoxen Situation" führe, dass die damit verbundene Bezugskürzung höher sei als bei einer ebenso möglichen Verlängerung des Krankenstandes. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Herabsetzung gemäß §75g Abs1 RStDG nach einem Krankenstand erfolgt und dementsprechend auch eine ärztliche Bestätigung betreffend die Dienstfähigkeit voraussetzt. Wenn das BVwG von einer "ebenso möglichen Verlängerung des Krankenstandes" ausgeht, ist dem zu entgegnen, dass die antragsbedürftige, also freiwillige Herabsetzung auf Grund von Krankheit gemäß §75g Abs1 RStDG keine Alternative zu einem Krankenstand (also zur vorübergehenden Dienstunfähigkeit), sondern zur Vollauslastung nach einem Krankenstand darstellt und daher die (wenn auch eingeschränkte) Dienstfähigkeit voraussetzt. Im Übrigen wird vom BVwG auch nicht berücksichtigt, dass der Richter im Fall eines Krankenstandes, wenn dieser "länger als ein Jahr" dauert – also etwa nicht durch einen Dienst mit herabgesetzter Auslastung gemäß §75g RStDG unterbrochen bzw gehemmt wird –, gemäß §83 Abs1 Z1 RStDG "in den Ruhestand zu versetzen [ist]". Auch insofern kann bei einem allfälligen Verbleib im Krankenstand eine vom BVwG behauptete Privilegierung im Vergleich zur Herabsetzung der Auslastung nicht erkannt werden.

Schließlich behauptet das BVwG nach einem Hinweis auf die Fürsorgepflicht gemäß §6 BEinstG und unter Verweis auf eine Literaturstelle pauschal, dass die "proportionale Gehaltskürzung […] somit auch im Lichte des §7 BEinstG und dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot erheblichen Bedenken" begegne, ohne dies jedoch – etwa unter Bezug auf Art7 Abs1 dritter Satz B‑VG – näher zu begründen. Soweit sich das BVwG mit seinen Bedenken auf §7 BEinstG stützt, ist dem – abgesehen davon, dass diese Bestimmung nicht im Verfassungsrang steht – entgegenzuhalten, dass es selbst dieser Bestimmung nicht widerspricht, wenn ein teilzeitbeschäftigter begünstigter Behinderter dieselbe (aliquote) Entlohnung erhält wie ein gesunder Dienstnehmer in derselben Verwendung. Unabhängig davon lässt das BVwG außer Acht, dass in Erfüllung der Fürsorgepflicht gemäß §6 BEinstG bei begünstigt behinderten Richtern gemäß §26a GOG im Rahmen der Geschäftsverteilung eine entsprechende Entlastung erfolgen kann und – sofern erforderlich – auch zu erfolgen hat. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung (also ein Verstoß gegen §6 BEinstG) kann von einer betroffenen Person auf dem in §27 GOG vorgesehenen Weg bekämpft werden. Sofern eine Vollzeitbeschäftigung nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten nicht in Betracht kommt, liegt Dienstunfähigkeit vor. Wenn nun §75g RStDG eine antragsbedürftige, also freiwillige Herabsetzung der Auslastung als Alternative zur Ruhestandsversetzung nach §83 RStDG ermöglicht, ist nicht ersichtlich, inwiefern die damit verbundene aliquote Bezugskürzung diskriminierend sein soll. Davon, dass die existenzsichernde Funktion der Besoldung öffentlich Bediensteter durch eine derartige Regelung gefährdet wäre, kann angesichts des Gehaltsschemas für Richter keine Rede sein.