Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2, Abs 3 erster Fall StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 30. Juni 2025, GZ **-18.4, und die implizit erhobene Beschwerde gegen den unter einem nach §§ 50 Abs 1, 51 Abs 2 StGB gefassten Beschluss nach der am 14. Oktober 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein des Richters Mag. Gruber und der Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M (WU) sowie in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung
I./ zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II./ den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2, Abs 3 erster Fall StGB schuldig befunden und nach § 107a Abs 3 StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.
Unter einem erteilte das Erstgericht dem Angeklagten nach §(§ 50 Abs 1), 51 Abs 2 StGB die Weisung, für die Dauer der Probezeit 1. jeglichen Kontakt, auf welchem Wege und in welcher Form auch immer, zu B* und zu C* zu meiden, sowie 2. die D*-Filiale am ** in ** zu meiden.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* zumindest seit Anfang des Jahres 2022 bis Dezember 2024, somit eine längere Zeit hindurch, wobei der Tatzeitraum ein Jahr übersteigt, in ** B* und C* in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er
1. zumindest vier Mal pro Woche ihre räumliche Nähe in der D*-Filiale aufsuchte, wobei er sie hierbei ordinär ansprach, sexuelle Anspielungen machte, sie anstarrte und bei der Arbeit beobachtete, und
2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Telekommunikationsmittel Kontakt zu ihnen herstellte, indem er am 13. November 2024 und am 29. November 2024, jeweils Datum des Poststempels, Postkarten adressiert an die D*-Filiale in ** verschickte, in welchen er Obszönitäten von sich gab und sexuelle Anspielungen machte.
In ihrer Beweiswürdigung stützte sich die Erstrichterin im Wesentlichen auf die Angaben der beiden Opfer und weiterer Mitarbeiter der D*-Filiale in ** sowie den Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts vom 13. Februar 2025 (ON 2.8) und die sichergestellten Postkarten (ON 2.11).
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen (beharrliche Verfolgung sowohl betreffend B* als auch C*), hingegen mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten. Davon ausgehend erachtete es unter Heranziehung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung die verhängte Freiheitsstrafe aus spezialpräventiven Erwägungen für notwendig und machte – allerdings ohne Begründung – von der Möglichkeit nach § 37 Abs 1 StGB keinen Gebrauch. Ein diversionelles Vorgehen scheiterte bereits an der mangelnden Verantwortungsübernahme.
Dagegen richtet sich die vom unvertretenen Angeklagten rechtzeitig (§ 57 Abs 2 letzter Satz StPO), im Zweifel mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 19) und zu ON 20 fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten, mit der er einen Freispruch anstrebt.
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit ist gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil er weder bei der Anmeldung der Berufung noch später in seiner Berufungsschrift ausdrücklich erklärte, über welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Amtswegig im Sinne der §§ 290 Abs 1, 489 Abs 1 StPO wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem erstinstanzlichen Urteil nicht an.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist vorauszuschicken, dass das Berufungsgericht keine eigene Würdigung der Beweisergebnisse vorzunehmen, sondern nur zu überprüfen hat, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat.
Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390; Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher, StPO 15§ 258 Rz 8). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, ist dies nicht von Bedeutung. Der Zweifelsgrundsatz stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Fall mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Ausgehend von diesen Prämissen begegnet die Beweiswürdigung der Erstrichterin keinen Bedenken, zumal sie unter Einbeziehung des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Angeklagten unter Würdigung der wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, darunter der Aussagen der Opfer, der vorliegenden Handschriftuntersuchung sowie der Aussagen der Zeugen E*, F* und G* nachvollziehbar darlegte, wie sie zu den für ihren Schuldspruch maßgeblichen Konstatierungen in objektiver und subjektiver Hinsicht gelangte und weshalb sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten keinen Glauben schenkte. Auch zum vorliegenden Bericht über die Handschriftuntersuchung (ON 2.8) legte die Erstrichterin schlüssig dar, aufgrund welcher Erwägungen sie trotz des Umstands, dass in diesem nur eine hinweisliche Aussage in Richtung Urheberidentität des Angeklagten getroffen werden konnte, davon ausging, dass der Angeklagte Verfasser der beiden an die Opfer adressierten Postkarten war (ON 18.4, 5).
Die Konstatierung zur subjektiven Tatseite leitete das Erstgericht empirisch einwandfrei aus dem objektiven Tatgeschehen ab (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz in Fuchs / Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452).
Das Berufungsvorbringen, das sich in einer eigenen und unvollständigen Würdigung schon im erstinstanzlichen Verfahren vorliegender Aussagen und Beweismittel erschöpft, ist bei der vom Berufungsgericht bei der Prüfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht geeignet, Zweifel an der Lösung der Schuldfrage durch die Erstrichterin zu erwecken, sodass der Berufung wegen Schuld kein Erfolg beschieden war.
Ebenso ist die Berufung wegen Strafe nicht im Recht, weil der Rechtsmittelwerber keine weiteren Milderungsgründe ins Treffen zu führen vermag, die zu einer Reduktion der Unrechtsfolge beitragen könnten.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Bei der Bemessung der Strafe hat das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahelegen könnte (§ 32 Abs 2 StGB). Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat er gebraucht werden können (§ 32 Abs 3 StGB).
Das Erstgericht hat die Milderungs- und Erschwerungsgründe vollständig angeführt. Wenn fallkonkret auch nur ein Vergehen zur Verurteilung gelangte, brachte das Erstgericht durch den in Klammer gesetzten Hinweis auf die Tatbegehung gegenüber zwei Opfern (ON 18.4, 8) hinreichend zum Ausdruck, dass es nur den darin gelegenen Umstand bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigte.
Angesichts der unveränderten Strafzumessungslage erweist sich – auch unter Berücksichtigung der allgemeinen im Sinne des § 32 Abs 2 und Abs 3 anzustellenden Erwägungen - bei einem nach § 107a Abs 3 StGB zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht mit einem Viertel der möglichen Höchststrafe ausgemessene Strafe von neun Monaten Freiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen und somit einer Reduktion nicht zugänglich.
Mit Blick auf den längeren Tatzeitraum und die Tatbegehung gegenüber zwei Opfern verbot sich die bloße Verhängung einer Geldstrafe nach § 37 Abs 1 StGB, zumal nur eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe – insbesondere im Zusammenhalt mit der vom Erstgericht erteilten Weisung – geeignet erscheint, dem Berufungswerber das Unrecht seiner Taten hinreichend vor Augen zu führen und bei ihm eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten.
Der Berufung war somit insgesamt der Erfolg zu versagen.
Ebenso wenig war der implizit erhobenen Beschwerde gegen den verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (vgl RIS-Justiz RS0101841, RS0126528) Beschluss, mit dem dem Angeklagten die Weisung erteilt wurde, für die Dauer der Probezeit 1. jeglichen Kontakt, auf welchem Wege und in welcher Form auch immer, zu B* und zu C* zu meiden, sowie 2. die D*-Filiale am ** in ** zu meiden, Folge zu geben, erscheint diese doch notwendig und zweckmäßig, um den Angeklagten von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
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