Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Mag. Seidenschwann, LL.B (WU) als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 84 Abs 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. August 2025, GZ ** 74.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit am selben Tag rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Juni 2024, GZ **16.1, wurde der am ** in **/Rumänien geborene rumänische Staatsangehörige A* wegen der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 84 Abs 4 StGB und nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB (I.) und der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall, 15 StGB (II.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, von der gemäß § 43a Abs 2 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe in Ausmaß von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.
Unter einem wurde gemäß §§ 50, 52 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Verurteilten gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, die Therapie bei der Männerberatung fortzusetzen und dies dem Gericht alle drei Monate unaufgefordert nachzuweisen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2024 wurde der Vollzug des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe (neuerlich) bis 10. Februar 2026 aufgeschoben und dem Verurteilten die Weisung erteilt, dem Gericht unaufgefordert am 1. Juli 2025, am 1. Oktober 2025 und am 10. Jänner 2026 Bestätigungen über die Fortsetzung der Lehre zum Karosseriebautechniker vorzulegen (ON 63).
Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht (44.1) den A* gewährten Strafaufschub nach § 52 JGG, weil der Verurteilte trotz Aufforderung zur Vorlage einer aktuellen Lehrbestätigung (ON 70) und anschließender Mahnung (ON 73) den Weisungen des Gerichts nicht nachgekommen sei, laut Sozialversicherungsabfrage vom 1. August 2025 (ON 72) bei keinem Dienstgeber gemeldet sei, die Lehre bereits am 9. Juni 2025 beendet und anschließend Arbeitslosengeld bezogen habe.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 75), in der er zusammengefasst vorbringt, die Lehre als Karosseriebautechniker im Juni 2025 beendet zu haben, jedoch in Abstimmung mit dem AMS ** eine neue Zubuchung für den Lehrberuf als Kraftfahrzeugtechniker vereinbart zu haben. Er habe sämtliche Termine beim AMS eingehalten und es sei ihm gelungen einen Zubuchungstermin für die Lehre am 3. September 2025 zu erwirken. Er sei auch als geeignet für diesen Beruf aufgenommen worden und könne die Ausbildung mit 15. September 2025 beginnen.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der Widerruf eines Aufschubs nach § 52 JGG ist nicht eigens im Jugendgerichtsgesetz geregelt, weil es sich - wie das Zitat des § 6 StVG in § 52 JGG zeigt - lediglich um eine Erweiterung der Aufschubsmöglichkeiten für Verurteilungen, denen eine Jugendstraftat bzw eine von einem jungen Erwachsenen begangene Straftat zugrunde liegt, handelt. Nach dem dafür anwendbaren § 6 Abs 4 StVG ist der Aufschub unter anderem zu widerrufen und die Freiheitsstrafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte den Weisungen des Gerichts nicht nachkommt (Z 1).
Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf die zutreffende Darstellung im angefochtenen Beschluss (BS 2) zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (zur Zulässigkeit vgl RISJustiz RS0119090[T4], RS0098664[T3], RS0098936[T15]), aus dem hervorgeht, dass der Verurteilte trotz Aufforderung und förmlicher Mahnung, obwohl dies nicht Voraussetzung für den Widerruf ist, keinen Ausbildungsnachweis vorlegte und die Lehre bereits am 9. Juni 2025 beendet hat.
Auch wenn im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gilt (vgl Kirchbacher, StPO 15§ 89 Rz 3f) und auch nach der erstgerichtlichen Entscheidung eingetretene Umstände, sohin die Vorlage der Bestätigung des Beginns der Lehre Kraftfahrzeugtechnik am 15. September 2025 (ON 80.3), vom Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen sind, ist ungeachtet dessen dem Erstgericht jedoch beizupflichten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufschubs nach nicht mehr vorliegen.
Denn der Wortlaut des § 52 JGG, der auf den Abschlussseiner Ausbildung abstellt, ist unmissverständlich. Nach dieser Bestimmung ist einem Jugendlichen oder einem jungem Erwachsenen unter den Voraussetzungen des § 6 StVG ein Aufschub des Vollzuges der Freiheitsstrafe zur Förderung des späteren Fortkommens (§ 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG) auch für die Dauer von mehr als einem Jahr zu gestatten, wenn dies notwendig ist, um dem Verurteilten den Abschlussseiner Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Aufschubsmöglichkeit nach § 52 JGG soll sowohl dem Wortsinn als auch seinem telos nach ausschließlich die Beendigung einer bereits begonnenen Ausbildung ermöglichen, nicht aber den Beginn . Dieser Aufschubsgrund stellt einen Unterfall der Zweckmäßigkeit für das spätere Fortkommen des Verurteilten dar (vgl Pieber, WK 2StVG § 6 Rz 10; OLG Wien, AZ 21 Bs 231/06h, 21 Bs 167/17p, 21 Bs 271/22i ua).
Unter diesen Prämissen liegen mit Blick auf den Abbruch bzw Beendigung der Lehre als Karosseriebautechniker im Juni 2025 die Voraussetzungen für einen Strafaufschub nach § 52 JGG (für den Beginn des Lehrberufs Kraftfahrzeugtechnik) nicht mehr vor.
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
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