31Bs76/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* und weitere Angeklagte wegen § 156 Abs 1, Abs 2 iVm § 161 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten C* D* und E* D* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juli 2024, GZ ** 184.3, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Mag. Hinterleitner sowie in Anwesenheit der Angeklagten C* D* und E* D* und von deren Verteidigern Dr. Christian Schmaus und Mag. Sonja Scheed durchgeführten Berufungsverhandlung am 22. September 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten C* D* und E* D* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch Schuldsprüche weiterer Mitangeklagter sowie Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden soweit hier von Interesse der am ** geborene C* D* und die am ** geborene E* D* (beide polnische Staatsangehörige) wie folgt schuldig erkannt:
C* D*des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 StGB (IV/A iVm I/A/7/u/ und I/A/9/) und des Vergehens der Untreue nach § 12 dritter Fall, § 153 Abs 1 StGB (IV/B iVm I/B/7/u/ und I/B/9) und
E* D*des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB (II/A/5/c/ und II/B/), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 12 dritter Fall, § 156 Abs 1 StGB (VI/A/ iVm I/A/6/d/, I/A/7/x/ und I/A/8/c) und des Vergehens der Untreue nach § 12 dritter Fall, § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (VI/B/ iVm I/B/6/d/, I/B/7/[ergänze: x] und I/B/8/c)
und hiefür jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 156 Abs 1 StGB jeweils zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Monatenverurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurden die verhängten Freiheitsstrafen jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen .
Weiters wurden (unter anderem) „gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB“ bei C* D* ein Betrag in Höhe von 2.393,90 Euro und bei E* D* ein Betrag in Höhe von 20.217,43 Euro für verfallen erklärt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches haben – soweit hier von Interesse - in ** und **
I/ A* B* als leitender Angestellter der F* e.U.
A / von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 bis zur Insolvenzeröffnung am 9. August 2019 Bestandteile des Vermögens der F* e.U. beiseite geschafft und das Vermögen dieses Unternehmens sonst verringert und dadurch die Befriedigung von dessen Gläubigern geschmälert, wodurch ein nicht mehr feststellbarer, jedenfalls 300.000 Euro übersteigender Schaden entstanden ist, indem er
6/ im Zeitraum von April 2018 bis August 2019 (soweit hier von Interesse) in drei im Einzelnen näher angeführten Fällen Personen als Dienstnehmer der F* e.U. (US 24: „Scheinmitarbeiter“) anmeldete (b/ bis d/ betreffend G*, H* und I*), obwohl diese in keinem Dienstverhältnis standen, und sich sowie ihm nahestehenden Personen das „Gehalt“ und (betreffend G* und I*) „Kilometergeldabrechnungen“ aus diesen „Dienstverhältnissen“ auszahlte;
7/ im Zeitraum von 23. November 2018 bis Juli 2019 (soweit hier von Interesse) in sechs im Einzelnen näher angeführten Fällen (m/, n/, p/, q/ u/ und x/) sich sowie ihm nahestehenden Personen als Teile von Gehältern von Mitarbeitern sowie von ehemaligen Mitarbeitern deklarierte Beträge ohne gerechtfertigten Grund an von Mitangeklagten zur Verfügung gestellte Konten auszahlte;
8/ im Zeitraum von 2017 bis 2019 (soweit hier von Interesse) in zwei im Einzelnen näher angeführten Fällen (a/ und c/) in wiederholten Angriffen „Kilometergelder“ ausbezahlte, obwohl er wusste, dass diese den „jeweiligen Personen“ (J* B* und E* D*) nicht zustanden;
9/ im Mai 2019 „Honorarnoten“ der K* (US 26: Scheinrechnungen) in Höhe von 893,90 Euro bezahlte, obwohl die Leistungen durch C* D*, somit einen Mitarbeiter der F* e.U., erbracht wurden;
B/ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 bis zur Insolvenzeröffnung am 9. August 2019 seine Befugnisse, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, und dadurch die F* e.U. am Vermögen geschädigt, indem er
6/ die zu I/A/6/ angeführten Handlungen vornahm;
7/ die zu I/A/7/ angeführten Handlungen vornahm;
8/ die zu I/A/8/ angeführten Handlungen vornahm;
9/ die zu I/A/9/ angeführten Handlungen vornahm;
II/ E* D*gemeinsam mit A* B* (§ 12 StGB) nachgenannte Personen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche diese oder andere mit einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
A/ nach Insolvenzeröffnung der F* e.U. im August 2019 Mitarbeiter des Insolvenzschutzverbandes (US 31: welche die Unterlagen [gutgläubig] an „den IEF“ [Insolvenz-Entgelt-Fonds] weiterleiteten) durch die Vorgabe, die „Dienstnehmer“ (US 31: „Scheinmitarbeiter“) hätten rechtmäßige Forderungen in der angemeldeten Höhe, zur Begleichung von „offenen Forderungen“ nach der Insolvenz der F* e.U., indem sie gegenüber dem Insolvenzschutzverband die angeblich bestehenden Forderungen anmeldeten und „den Insolvenzschutzverband“ (US 31: Verfügungsberechtigte des „IEF“, an welchen die Anmeldungen gutgläubig weitergeleitet wurden) hiedurch zur Überweisung von nicht zustehenden „Löhnen“ verleiteten, und zwar
5/c/ hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 4.185 Euro betreffend den angeblichen Mitarbeiter I* auf das Konto von E* D*, wobei sie zur Täuschung eine gefälschte Urkunde (US 31 f, 44 ff: „hergestellte“ [erkennbar gemeint: nicht vom vermeintlichen Aussteller stammende] Forderungsanmeldung) verwendeten;
B/ nach Insolvenzeröffnung im Oktober 2019 in zwei Angriffen den Masseverwalter der F* e.U. Mag. L* durch die Vorgabe, der angebliche Mitarbeiter I* habe noch offene Gehaltsforderungen in Höhe von 1.043,26 Euro, zur Überweisung dieses Betrags auf das Konto von E* D*;
IV/ C* D*
A/ zu unter I/A/ angeführten Tathandlungen des A* B* (I/A/7/u/, I/A/9) hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 2.393,90 Euro in zwei im Einzelnen näher angeführten Fällen (1/c/ und 2/) beigetragen, und zwar durch Zurverfügungstellung seines Kontos;
B/ zu unter I/B/ angeführten Tathandlungen des A* B* (I/B/7/u/, I/B/9) hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 2.393,90 Euro in zwei im Einzelnen näher angeführten Fällen (1/c/ und 2/) beigetragen, und zwar durch Zurverfügungstellung seines Kontos;
VI/ E* D*
A/ zu unter I/A angeführten Tathandlungen des A* B* (I/A/6/d/, I/A/7/x/ und I/A/8/c) hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 14.989,17 Euro in drei im Einzelnen näher angeführten Fällen (a/ bis c/) beigetragen, und zwar durch Zurverfügungstellung ihres Kontos;
B/ zu unter I/B angeführten Tathandlungen des A* B* (I/B/6/d/, I/B/7/[ergänze: x/] und I/B/8/c) hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 14.989,17 Euro in drei im Einzelnen näher angeführten Fällen (a/ bis c/) beigetragen, und zwar durch Zurverfügungstellung ihres Kontos.
Bei der Strafbemessung wurden als erschwerend gewertet
bei C* D* der lange Tatzeitraum, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, die Tatwiederholung, die organisierte Begehung und das heimtückische Ausnützen der besonderen Vulnerabilität des leidtragenden Inhabers des Unternehmens F*,
bei E* D* das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, die Tatwiederholung, die organisierte Begehung, die zweifache Deliktsqualifikation und der Umstand, dass das Motiv der unrechtmäßigen Bereicherung im Vordergrund stand,
als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten die „Unbescholtenheit“ (gemeint: der bisherige ordentliche Lebenswandel) und das schon längere Zurückliegen der Taten.
Die zunächst (auch) von C* D* und E* D* erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden wurden in der Folge zurückgezogen (ON 196.2, 2). Anlässlich der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A* B* und J* B* hob der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 25. Feber 2025, GZ 11 Os 116/24d-4, hinsichtlich der Angeklagten A* B* und M* teilweise den Schuldspruch sowie den Strafausspruch auf.
Somit liegen nunmehr die von der Staatsanwaltschaft rechtzeitig angemeldete (ON 183.3) und zu ON 193 ausgeführte Berufung , die hinsichtlich der nunmehr zu beurteilenden Angeklagten C* D* und E* D* eine Anhebung der Sanktion und inhaltlich auch eine Ausschaltung der bedingten Nachsicht begehrt, sowie die rechtzeitig angemeldeten (ON 186) und zu ON 196.2 ausgeführten Berufungen der Angeklagten C* D* und E* D* zur Entscheidung vor, die jeweils eine Herabsetzung der Sanktion und auch ein Absehen vom Verfall anstreben.
Rechtliche Beurteilung
Das Schöffengericht hat die besonderen Strafzumessungsgründevollständig und richtig erfasst und auch zutreffend gewichtet. In ihren Berufungen können die Angeklagten C* und E* D* nicht darlegen, welche Relevanz ihre Schulbildung in Polen sowie die Sorgepflicht für zwei Kinder im konkreten Fall für die Strafzumessung haben sollen. Der Umstand, dass durch ein Tatverhalten mehrere Tatbestände gesetzt wurden, kann zwanglos als erschwerend gewertet werden, da § 33 Abs 1 Z 1 StGB nicht zwischen Real und Idealkonkurrenz unterscheidet (siehe Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 33 Rz 2). Eine untergeordnete Rolle von einzelnen Angeklagten innerhalb einer Tätergruppe widerspricht entgegen dem weiteren Berufungsvorbringen nicht einer insgesamt organisierten Begehung der Taten. Welche Relevanz der Umstand haben soll, dass E* D* sich nur wenige Stunden täglich im Büro aufhielt, kann die Berufung nicht darlegen. Das zur Erkrankung des Zeugen N* erstattete Vorbringen der Angeklagten E* und C* D* übergeht die Gesamtheit der Aussage des Zeugen, wonach er etwa über längere Zeit zwar körperlich anwesend war, seine Aufgaben aber sukzessive abgegeben habe (siehe etwa ON 153.2, 55). Zum vom Erstgericht herangezogenen Motiv der unrechtmäßigen Bereicherung durch E* D* ist auszuführen, dass ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz keine Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB ist und daher dessen erschwerende Wertung nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt. Mit dem Vorbringen, E* und C* D* hätten „die Voruntersuchung erleichtert“, wird offenbar der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB ins Spiel gebracht; jedoch ist das bloße Halten des „Kontaktes zur untersuchenden Polizeiabteilung“ alleine noch kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung. Dass während der Folgejahre bis zum heutigen Tag keine weiteren strafbaren Handlungen mehr gesetzt wurden, wurde im Übrigen ohnehin vom Schöffengericht berücksichtigt.
Angesichts der somit insgesamt unverändert gebliebenen Strafzumessungslage hat das Schöffengericht tat und schuldangemessene Sanktionen gefunden. Auch im Hinblick auf den jeweils entstandenen Schaden (rund 2.400 Euro bei C* D* und rund 20.000 Euro bei E* D*) erscheinen die jeweils verhängten Freiheitsstrafen notwendig, umgekehrt aber auch ausreichend, um spezial und generalpräventiven Erfordernissen Genüge zu tun. Eine auch nur teilweise Ausschaltung der jeweils ausgesprochenen bedingten Nachsicht war nicht indiziert.
Zum Ausspruch über den Verfall:
Zunächst ist grundsätzlich festzuhalten, dass die vermögensrechtliche Maßnahme des Verfalles gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB im Regelfall zwingend auszusprechen ist. Der Verfall wäre (soweit hier von Interesse) nur dann ausgeschlossen, wenn der Betroffene zivilrechtliche Ansprüche aus den Taten befriedigt oder für sie Sicherheit geleistet hätte (§ 20a Abs 2 Z 2 StGB) oder soweit die Wirkung des Verfalls durch andere rechtliche Maßnahmen erreicht würde (§ 20a Abs 2 Z 3 StGB).
Weiters ist festzuhalten, dass der Schöffensenat im Urteilsspruch nicht präzisiert hat, auf welchen der in § 20 StGB genannten Tatbestände er den Verfallsausspruch stützte (jeweils „gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB“, US 16). Da bei C* D* mit gerichtlichem Beschluss Vermögenswerte auf einem Konto in der Höhe von 1.373,93 Euro beschlagnahmt wurden (ON 73), ist davon auszugehen, dass das Gericht für jenen Betrag einen Verfall nach § 20 Abs 1StGB aussprechen wollte, im Übrigen jedoch einen Verfall nach § 20 Abs 3StGB.
Das grundsätzliche Vorliegen der Voraussetzungen für die (zwingend zu erfolgende) Verfallsentscheidung wurde vom Erstgericht zutreffend bejaht. Mit dem bloßen Verweis auf die Bestimmung des § 20 StGB und einem Antrag, vom Verfall abzusehen, können die Angeklagten C* und E* D* keine stichhaltigen Argumente dagegen vorbringen.