Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. A* gegen die Antragsgegnerin B* Gesellschaft mbH Co KGwegen §§ 9 ff MedienG über die Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Juli 2025, GZ **-8.2, durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder gemäß § 14 Abs 3 MedienG iVm §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit (§ 14 Abs 3 MedienG iVm §§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 489 Abs 1 StPO) wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner weiteren Berufung wegen Schuld wird der Antragsteller auf diese Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist ein am ** in einem Beitrag der Tageszeitung „C*“, deren Medieninhaberin die Antragsgegnerin ist, erschienener Artikel eines mit Rechtsanwalt Dr. D* geführten Interviews (vgl Beilage ./A zu ON 2).
Mit außergerichtlichem Schreiben vom 23. Mai 2025 begehrte der Antragsteller unter Bezugnahme einer Passage dieses Artikels (vgl Beilage ./B zu ON 2) die Antragsgegnerin wolle folgende Gegendarstellung veröffentlichen:
„GEGENDARSTELLUNG:
Entgegen der in Ihrer Veröffentlichung im Artikel „**?" vom **, von Dr. D* in diesem Interview aufgestellten und wiedergegebenen Behauptung hat der Ehemann der Richterin, Dr. A* die Urteilsverkündung im Verfahren gegen E* nicht gefilmt. Die behauptete verbotene Filmaufnahme durch ihn hat nicht stattgefunden.“
Nachdem die Antragsgegnerin das Begehren ablehnte, brachte der Antragsteller beim Landesgericht für Strafsachen Wien – so die Urteilskonstatierungen des Erstgerichts (US 2) – einen Antrag auf Anordnung „dieser Veröffentlichung“ (vgl hingegen ON 2, 3 [„Urteilsverkünd ig ung“]) ein.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Begehren des Antragstellers auf gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung der von ihm begehrten Gegendarstellung (gemäß den Bestimmungen des § 13 MedienG) ab, erklärte das fortgesetzte Verfahren für nicht zulässig und verfällte den Antragsteller in die Tragung der ziffernmäßig bestimmten Verfahrenskosten. Eine förmliche Abweisung des weiteren Antrags im Urteilstenor, der Antragsgegnerin die Zahlung einer Geldbuße gemäß § 18 Abs 1 MedienG aufzuerlegen, erfolgte nicht (vgl jedoch die darauf gerichtete, aus US 4, vorletzter Absatz ableitbare Intention des Erstgerichtes; vgl RIS-Justiz RS0099643 [T1] zur insoweit vollständigen Erledigung der Anträge).
Dazu traf das Erstgericht wortwörtlich folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:
Feststellungen:
Der Antragsgegner B* Gesellschaft m.b.H. Co. KG. ist Medieninhaber der Tageszeitung „C*“ und hat seinen Sitz in **.
Mit außergerichtlichem Schreiben vom 23. Mai 2025 begehrte der Antragsteller Dr. A* vom Antragsgegner, in diesem Druckwerk eine Gegendarstellung im nachstehenden Wortlaut zu veröffentlichen:
GEGENDARSTELLUNG:
Entgegen der in Ihrer Veröffentlichung im Artikel „**“ vom **, von Dr. D* in diesem Interview aufgestellten und wiedergegebenen Behauptung hat der Ehemann der Richterin, Dr. A* die Urteilsverkündung im Verfahren gegen E* nicht gefilmt. Die behauptete verbotene Filmaufnahme durch ihn hat nicht stattgefunden.
Mit E-Mail vom 27. Mai 2025 lehnte der Antragsgegner durch seinen Rechtsanwalt das Veröffentlichungsbegehren ab. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2025 brachte der Antragsteller daraufhin bei diesem Gerichtshof einen Antrag auf Anordnung dieser Veröffentlichung ein.
Dem Text der begehrten Gegendarstellung kann ein Leser entnehmen, dass es in der C* am ** einen Artikel mit der Überschrift „ **? “ gegeben habe, in welchem Dr. D* in einem Interview eine Behauptung aufgestellt und zugleich auch wiedergegeben habe, wonach der Antragsteller als Ehemann der Richterin die Urteilsverkündung im Verfahren gegen E* verbotener Weise gefilmt habe, was nicht stattgefunden habe. Weder kann der Leser dieser Gegendarstellung entnehmen, wer Dr. D* ist, noch von welchem Interview die Rede ist, der Ehemann welcher Richterin Dr. A* ist, wer E* ist, um welches Verfahren es überhaupt geht, in welcher Weise der Antragsteller eine Aufnahme gemacht haben soll und weshalb dies verboten sei. Der Inhalt der Gegendarstellung kann sich für den Rezipienten ohne Kenntnis der Primärveröffentlichung sohin nicht erschließen.
Auch kann beim tendenziell niedrigen bis mittleren Bildungsschichten zugehörigen, an kurzen, boulevardesk aufgemachten, mit großen bunten Bildern versehenen und in einfachen Worten abgefassten Nachrichten interessierten Durchschnittsleser der „C*“ weder vorausgesetzt werden, dass er jede Ausgabe der C* konsumiert und daher die Primärveröffentlichung kennt, noch dass er über ein derart weitreichendes Allgemeinwissen verfügt, dass ihm bekannt wäre, dass auch die Frau des Antragstellers Richterin ist und diese sowohl den Vorsitz im sogenannten „F*-Verfahren“ gegen Mag. G* als auch jenen im zweiten Rechtsgang im sogenannten „H*-Verfahren“ gegen Ing. E* inne hatte. Ohne diese Informationen kann der Medienkonsument die beantragte Gegendarstellung aber nicht verstehen.
Zudem lässt die Textierung den Leser auch uninformiert zurück. Der Rezipient erfährt nämlich nur, dass der Antragsteller entgegen einer Behauptung Dris. D* die Urteilsverkündung im angesprochenen Prozess „ nicht gefilmt “ hat und „die behauptete verbotene Filmaufnahme durch ihn nicht stattgefunden habe “. Durch diese bloße Negation wird dem Medienkonsumenten aber nicht mitgeteilt, was stattdessen stattgefunden hat.
Beweiswürdigung:
Die Medieninhaberschaft des Antragsgegners und sein Sitz sind gerichtsnotorisch, Zeitpunkt und Inhalt von Aufforderungsschreiben, Ablehnung und Einbringung des gerichtlichen Antrags durch die entsprechenden Urkunden objektiviert (Beilagen ./B und ./C, ON 2).
Die Konstatierungen zum Leserverständnis gründeten sich jeweils auf eine grammatikalische und wörtliche Interpretation der Texte aus Sicht des angesprochenen, seinerseits gerichtsnotorischen Leserkreises und dessen Vorwissens. Dass der Leser sich ohne Vorkenntnis des Primärartikels beim Inhalt der begehrten Gegendarstellung schlichtweg „nicht auskennt“, folgt schon aus dem Umstand, dass für das Verständnis dieses Textes eine Fülle von Vorinformationen vorausgesetzt werden, die er nicht liefert. Dass der Leser des Weiteren auch hinsichtlich des statt des vermeintlich erfolgten Filmens tatsächlich Stattgefundenen völlig uniformiert zurückbleibt, fußt insbesondere darauf, dass ihm nicht die notwendigen Informationen (im Sinne einer These, auf die repliziert wird) gegeben werden, den Sachverhalt zu erfassen. So wird insbesondere nicht erwähnt, dass die behauptete Aufnahme durch das Mobiltelefon des Antragstellers erfolgt sein soll. Es bleibt sohin völlig im Unklaren, ob der Antragsteller sein Mobiltelefon überhaupt während der Urteilsverkündung herausgenommen hat und ob er allenfalls etwas anderes damit gemacht hat, das als Aufzeichnung fehlinterpretiert hätte werden können, er etwa auf das Display seines Handys geblickt hat, um auf die Uhr zu sehen, sein Spiegelbild zu betrachten, eine eingehende Nachricht zu lesen oder ähnliches.
Des Weiteren bleibt für den Leser durch bloße Negation einer verbotenen Filmaufnahme offen, ob der Antragsteller nicht eine andere verbotene Aufnahme der Verhandlung, nämlich eine bloße Bildaufnahme (Kamerafunktion) oder eine bloße Tonaufnahme (Diktierfunktion) gemacht hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 9), in weiterer Folge zu ON 10 fristgerecht ausgeführte Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit und Schuld.
Der erhobenen Rechtsrüge(§ 14 Abs 3 MedienG iVm §§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 489 Abs 1 StPO) kommt Berechtigung zu.
Das Berufungsgericht teilt die vom Antragsteller vertretene Auffassung, dass ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen, es der Gegendarstellung weder an einer klaren These ermangelt noch die in einer bloßen Negation bestehende Antithese fallkonkret keinen ausreichend instruktiven Inhalt aufweise.
Denn das Erstgericht stellte fest (vgl US 2), ein Leser könne der begehrten Gegendarstellung entnehmen, „dass es in der C* am ** einen Artikel mit der Überschrift „**?“ gegeben habe, in welchem Dr. D* in einem Interview eine Behauptung aufgestellt und zugleich auch wiedergegeben habe, wonach der Antragsteller als Ehemann der Richterin die Urteilsverkündung im Verfahren gegen E* verbotener Weise gefilmt habe“ (= These), „was nicht stattgefunden habe“ (= Antithese).
Solcherart handelt es sich aber um keine „rudimentäre“ These, die weiterer Information bedurft hätte. In dieser muss schlicht derjenige Teil der Äußerung enthalten sein, der unrichtig oder unvollständig ist und dem in der Antithese entgegengetreten wird ( Rami , WK 2MedienG § 9 Rz 20), wobei die Gegendarstellung zufolge § 9 Abs 3 zweiter Satz StPO sprachlich frei gestaltet werden kann und insoweit auch kein Zwang zum Ritual des „Unwahr ist …, wahr ist vielmehr …“ besteht ( Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG 4 § 9 Rz 28).
Diesen Anforderungen wird die in Rede stehende Gegendarstellung jedoch gerecht.
Wenngleich im Übrigen eine solche informativ zu fassen ist, dem Medienkonsumenten also in der Antithese der Gegendarstellung ein Sachverhalt vermittelt werden muss, der ihn über die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der inkriminierten Äußerung (= These) informieren muss ( Rami , WK 2MedienG § 9 Rz 21 mwN), kann dafür in Ausnahmefällen auch die bloße Kontradiktion, also das schlichte Verneinen der Wahrheit der Veröffentlichung genügen, so etwa dann, wenn entgegnet wird, ein bestimmtes Ereignis – hier das verbotene Filmen einer Urteilsverkündung – habe überhaupt nicht stattgefunden ( Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG 4 § 9 Rz 31).
Der bloßen Negation kommt fallaktuell nämlich – wie der Antragsteller zutreffend ausführt – auch ein eigenständiger Informationswert zu, nämlich dass die verbotene Handlung, also ein Rechtsbruch, durch den Antragsteller nicht gesetzt worden ist.
Soweit das Erstgericht in diesem Zusammenhang ein Herausnehmen des Mobiltelefons durch den Antragsteller anspricht, entfernt es sich seinerseits unzulässig von der in Rede stehenden These, die – wie im Übrigen in Einklang mit der Primärveröffentlichung (Beilage ./A zu ON 2, 1) im Urteil auch festgestellt (US 2) – dem Antragsteller nur vorwirft, verbotener Weise gefilmt zu haben, jedoch ein Mobiltelefon und dem Hantieren mit diesem gänzlich unerwähnt lässt. Der Antragsteller war folglich zu einer Stellungnahme darüber in der Antithese auch nicht gehalten.
Wenn nun das Erstgericht darüber spekuliert, ob nicht an Stelle einer verbotenen Filmaufnahme tatsächlich eine verbotene Bild- oder Tonaufnahme erfolgt sei, weshalb die gegenständliche Entgegnung entsprechende Informationen vermissen lasse, verkennt es, dass die Gegendarstellung diesfalls weiterhin informativ bliebe und damit lediglich deren Unwahrheit im Aussagekern angesprochen wird (vgl Rami , WK 2MedienG § 9 Rz 21/1 und § 11 Rz 16).
Dem Einwand der Antragsgegnerin, die Gegendarstellung verstoße gegen das (absolute) Knappheitsgebot, ist zu erwidern, dass gerade der letzte Satz der Gegendarstellung die Verbotenheit der Filmaufnahme thematisiert und insoweit einen – gegenüber dem vorletzten Satz – weiteren relevanten Informationsgehalt bietet. Zumal das Knappheitsgebot des § 9 Abs 3 MedienG nicht kleinlich auszulegen ist, dem Gegendarstellungswerber nicht abzuverlangen ist, die kürzest mögliche Form zu wählen, von diesem die Wiedergabe der Erstmitteilung sprachlich frei gestaltet werden kann und es sich hier auch nicht um eine unnötige Ausdehnung und Wiederholung im Sinn einer exzessiven und schikanösen Ausübung des Gegendarstellungsrechts handelt (RIS-Jutiz RS0127376 [auch T1 und T2]), ist der von der Antragsgegnerin eingewendete Verstoß nicht auszumachen.
Das erstgerichtliche Urteil war folglich bereits gemäß § 14 Abs 3 MedienG iVm §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO zulässigerweise nichtöffentlich aufzuheben, erfolgt die Kassation gegenständlich doch nicht ausschließlich zur Herbeiführung einer Entscheidung über den eingewandten Ausschlussgrund der Unwahrheit der Gegendarstellung (vgl dazu Rami , WK 2MedienG § 15 Rz 40).
Eine Entscheidung durch das Berufungsgericht in der Sache selbst nach Aufhebung eines (hier:) antragsabweisenden Urteils – aus welchen Gründen immer – darf hinwieder nur dann erfolgen, wenn es im Urteil die Tatsachen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären, nach einem mängelfreien Verfahren mit unbedenklicher Begründung festgestellt findet (RIS-Justiz RS0096159).
Gegenständlich fehlen aber einerseits sämtliche Konstatierungen zur Primärveröffentlichung und bestehen insbesondere erhebliche Bedenken gegen die getroffene Feststellung, wonach „[m]it Schriftsatz vom 1. Juli 2025 der Antragsteller daraufhin bei diesem Gerichtshof (Anm: dem Landesgericht für Strafsachen Wien) einen Antrag auf Anordnung dieser Veröffentlichung ein[brachte]“ (US 2).
Dementgegen erweisen sich nach Ansicht des Berufungsgerichtes die mit außergerichtlichem Schreiben vom 23. Mai 2025 begehrte Gegendarstellung (vgl hiezu ./B zu ON 2, 2) und jene, deren gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung der Antragsteller mit Schriftsatz vom 1. Juli 2025 begehrte (vgl hiezu ON 2, 3), im Wortlaut nicht ident. Während nämlich im Aufforderungsschreiben von „Urteilsverkündung“ die Rede ist, wird im verfahrenseinleitenden Schriftsatz an dieser Stelle die „Urteilsverkünd ig ung“ erwähnt.
Der insoweit kritisierten Feststellung kommt entscheidungswesentliche (RIS-Justiz RS0117264) Bedeutung zu. Denn die mit dem Antrag durchzusetzende Veröffentlichung hat mit jener identisch zu sein, die der Antragsteller zuvor schriftlich vom Medieninhaber bzw der Redaktion gefordert hat. Dieser Identität steht bereits eine auch nur sprachliche Modifizierung entgegen. Nur die bloße Berichtigung von Schreib- und Flüchtigkeitsfehlern ist zulässig, wobei ein solcher Fehler mit Blick auf das Aufforderungsschreiben und der richtigen Schreibweise des gewählten Wortes „Urteilsverkündung“ gegenständlich ohnehin nicht vorlag. Ob durch die Abweichung in den Begehren auch eine inhaltliche Änderung des Entgegnungsbegehrens erfolgt, ist dabei unbeachtlich ( Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG 4 § 14 Rz 10).
Den Antragsteller trifft die Obliegenheit, sein Veröffentlichungsbegehren zunächst unverändert zum Gegenstand des bei Gericht gestellten Antrags auf Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung zu erheben; erst danach darf er es verändern. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, ist das Veröffentlichungsbegehren zur Gänze abzuweisen und kommt auch eine Verbesserung iSv § 17 Abs 1 (dritter Satz) MedienG nicht in Betracht ( Rami , WK 2MedienG § 14 Rz 26).
Da sohin schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung feststeht, dass das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist, war der Berufung stattzugeben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Mit seiner weiteren Berufung wegen Schuld war der Antragsteller auf diese Entscheidung zu verweisen.
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