6R246/25b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Nigl, LL.M. und Mag. Müller im Konkurs über das Vermögen der A* B* KG , FN C*, D*, ** E*, Masseverwalterin Mag. Petra Diwok, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 13.6.2025, ** 1, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die A* B* KG ( Schuldnerin ) ist seit 14.7.2023 zu FN C* mit dem Geschäftszweig „Taxi“ im Firmenbuch eingetragen. Unbeschränkt haftende Gesellschafterin ist F* A*, geboren am **. Kommanditist mit einer Haftsumme von EUR 200, ist G* A*, geboren am **.
Am 9.5.2025 beantragte die Österreichische Gesundheitskasse ( ÖGK, Antragstellerin ) zu ** die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Diese schulde ihr laut dem angeschlossenen Rückstandsausweis vom selben Tag EUR 1.556,93. Der Betrag setze sich aus (Rest-)Beiträgen für den Zeitraum 05/2024 bis 03/2025 zuzüglich Verzugszinsen und Nebengebühren zusammen. Die Zahlungsunfähigkeit werde mit dem Zeitraum des rückständigen Betrags glaubhaft gemacht.
Die vom Erstgericht durchgeführten Abfragen nach Vorverfahren (ON 2.1), in der Liste der Vermögensverzeichnisse (ON 2.9), im Pfändungsregisters (ON 2.10) und wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit (ON 2.11) sowie im Grundbuch bezüglich der Gesellschaft (ON 2.3) und der Komplementärin (ON 2.4) verliefen negativ.
Die Namensabfrage im Exekutionsregister ergab zwei Exekutionsverfahren. Im Verfahren H* des Bezirksgerichts Meidling führt die I* AG gegen die Schuldnerin und die Geschäftsführerin Exekution wegen EUR 124,32. Im (abgestrichenen) Verfahren J* des Bezirksgerichts Leopoldstadt führte die Antragstellerin Exekution gegen die Schuldnerin wegen EUR 336,73. Aus dem Vollzugsbericht vom 22. Mai 2025 (J*- 4) ergibt sich, dass die Amtshandlung an vier Terminen nicht vollzogen wurde, weil nicht festgestellt werden konnte, ob es sich bei der Adresse D*, ** E* um einen Vollzugsort handle. Auf hinterlassene Verständigungen sei keine Rückmeldung gekommen.
Die Abfrage im KFZ Zentralregister ergab ein auf die Schuldnerin zugelassenes Fahrzeug: BMW 530d Limousine G30, Erstzulassung am 2.4.2019 (ON 2.12).
Mit Beschluss vom 12.5.2025 (ON 3) teilte das Erstgericht mit, dass die Entscheidung über die Konkurseröffnung ohne Verhandlung erfolgen werde. Es forderte die Schuldnerin zum Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 4.000, und zur Übermittlung eines ausgefüllten und unterschriebenen Vermögensverzeichnisses bis 10.6.2025 (Einlangen) auf. Sollte die Zahlungsunfähigkeit bestritten werden, seien Belege über die Vollzahlung oder Ratenvereinbarungen hinsichtlich der Antragstellerin, des Finanzamts sowie der Exekution führenden Gläubiger vorzulegen.
Dieser Beschluss wurde der Komplementärin am 12.5.2025 elektronisch zugestellt. An die Gesellschaft wurde der Beschluss mit Beginn der Abholfrist am 20.5.2025 hinterlegt und am 28.5.2025 behoben. Eine Reaktion erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Mag. Petra Diwok zur Masseverwalterin. Das Ende der Anmeldefrist bestimmte es mit 23.7.2025, die Gläubigerversammlung, Berichtstagsatzung und allgemeine Prüftagsatzung beraumte es für den 6.8.2025 an. Die Forderung der Antragstellerin sei durch den vollstreckbaren Rückstandsausweis mit EUR 1.556,93 glaubhaft gemacht worden. Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergebe sich aus dem Zurückreichen der Beitragsrückstände bis Mai 2024. Weiters seien Exekutionsverfahren vor dem Bezirksgericht Meidling zu H* und dem Bezirksgericht Leopoldstadt zu J* anhängig. Die Schuldnerin verfüge über Vermögen in Form eines offenbar laufenden Unternehmens und eines KFZ.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin, mit dem Antrag, diesen im Sinne einer Abweisung des Insolvenzeröffnungantrags abzuändern. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Antragstellerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Die Schuldnerin beruft sich in ihrem Rekurs darauf, das Erstgericht sei irrtümlich davon ausgegangen, dass ein Zahlungsrückstand bei der Antragstellerin in Höhe von EUR 1.556,93 und beim Finanzamt in Höhe von EUR 500, bestehe. Tatsächlich seien beide Forderungen durch Zahlung beglichen worden. Sie habe das erste Schreiben des Gerichts nicht erhalten und nicht rechtzeitig darauf reagieren können, weil es an die frühere Adresse gesendet worden sei.
2.Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528).
3. Die Antragstellerin hat mit der Vorlage des vollstreckbaren Rückstandsausweises sowohl den Bestand ihrer Forderung als auch aufgrund der Dauer des Rückstandes (Zurückreichen bis 05/2024) die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausreichend bescheinigt. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen um Betriebsführungskosten handelt. Diese werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr, IO 11 § 70 E 70, E 74).
4. Wird vom Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – einschließlich der Antragstellerin – bezahlt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist.
5.Bei der Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, ist im Rechtsmittelverfahren wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz - hier der 13.6.2025– und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]; 8 Ob 19/17b ua).
Grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erlerin KLS², § 260 IO Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h).
Hier wurde der Schuldnerin – zulässigerweise ( Schumacher in KLS 2 § 70 Rz 43; derselbe in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 68; Übertsroider in Konecny, InsG § 70 IO Rz 117; OLG Wien 28 R 402/14i = ZIK 2015, 228 uva) - auf schriftlichem Weg Gehör gewährt. Dies bedeutet, dass ihr die Neuerungserlaubnis im Rekursverfahren – trotz der Nichtbeteiligung am Eröffnungsverfahren – uneingeschränkt offenstand.
6.1 Mit dem Rekurs legte die Schuldnerin Umsatzdetails ihres Bankkontos vor, aus denen sich Zahlungen von EUR 1.556,93 an die ÖGK (Buchungsdatum: 16.6.2025), von EUR 267,40 an die SVS (Buchungsdatum: 16.6.2025), von EUR 500, an das Finanzamt (Durchführungsdatum: 16.6.2025) sowie von EUR 178,32 und EUR 768,05 an die I* (Durchführungsdatum jeweils: 16.6.2025) ergeben. Auftraggeberin ist jeweils die Komplementärin. Weiters legte die Schuldnerin die Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung per 13.6.2025 vor.
6.2 Der Schuldnerin ist entgegenzuhalten, dass sämtliche Buchungen erst zum 16.6.2025 erfolgten und damit nicht geeignet sind, ihre Zahlungsfähigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz zu belegen.
6.3 Im Übrigen zeigte die Masseverwalterin in ihrem Bericht vom 23.6.2025 die Masseunzulänglichkeit an. Die Gewerbeberechtigung sei per 13.6.2025 von der Schuldnerin ruhend gestellt worden. Laut ÖGK seien zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keine Dienstnehmer beschäftigt gewesen. Ein Kraftfahrzeug der Marke BMW 530d Limousine, Baujahr 2019, ** stehe im Eigentum der Schuldnerin. Zur Steuer Nr. ** weise der Finanz Online Ausdruck einen Rückstand von EUR 500, auf. Eine Gläubigerliste existiere nicht. Anfechtungen würden geprüft. Die Übermittlung eines komprimierten Kontoauszugs der Schuldnerin bei der K* sei ausständig.
6.4 Bis zum Stichtag 23.7.2025 langten zwei Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren der Schuldnerin ein. Die Antragstellerin meldete zu ON 1 rot eine Forderung in Höhe von EUR 4.068,90 an. Dieser Betrag beinhalte Ansprüche aus der Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse und eventuell noch zu verrechnender Beiträge im geschätzten Betrag von EUR 2.500, .
Zu ON 2 rot meldete die Stadt E* unter Anschluss vollstreckbarer Rückstandsausweise bzw. Bescheide an aushaftender Kommunalsteuer ua. eine Insolvenzforderung in Höhe von EUR 8.000,-- an. Auf diese Verbindlichkeit ging die Schuldnerin in ihrem Rekurs gar nicht ein. Anhaltspunkte, dass sie in der Lage wäre, diese Forderung zu bezahlen, ergeben sich nach der Aktenlage nicht.
7. Zusammengefasst ist der Schuldnerin die Gegenbescheinigung ihrer Zahlungsfähigkeit damit nicht gelungen.
8. Kostendeckendes Vermögen ist aufgrund des auf die Schuldnerin angemeldeten Kfz offenkundig vorhanden.
9. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, weshalb der Rekurs ohne Erfolg bleibt.
10.Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.