32Bs161/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A*über die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 7. Mai 2025, GZ **-3, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Der Amtsbeschwerde wird Folge gegeben , der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückverwiesen .
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht einer Beschwerde des A* (ON 2.2 S 139 ff) gegen den Bescheid der Leiterin der Justizanstalt B* vom 24. März 2025, GZ ** (ON 2.2 S 121 ff) Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Sache der Leiterin der Justizanstalt B* zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Mit dem angefochtenen Bescheid war der Antrag des A* auf Vollzug der vom Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 8. November 2023, AZ C*, verhängten achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest (im Weiteren: eüH) abgewiesen worden.
Das Erstgericht gibt in seiner Entscheidung zunächst wortwörtlich den Bescheid der Anstaltsleiterin wieder. Soweit für das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Wien erforderlich wird darin festgehalten wie folgt:
A* wurde mit Urteil des LG Feldkirch, GZ C* vom 08.11.2023, rechtskräftig seit 08.11.2023 wegen §§ 288 (1), 288 (4) StGB; § 229 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten verurteilt und befindet sich seit 01.08.2024 in seinem siebten Haftblock. Er hat den weiteren Vollzug dieser Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes gemäß §§ 156b ff StVG beantragt.
Feststellungen zur bisherigen Delinquenz und Persönlichkeit:
Die Strafregisterauskunft von A* weist aktuell 20 Eintragungen auf. Bei drei Verurteilungen handelt es sich um Zusatzstrafen, welche nicht gesondert zu werten sind. Es liegen zehn Verurteilungen aufgrund strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen vor. Sechs Verurteilungen beruhen auf Verstößen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen. Weiters liegt eine Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung gegen die Freiheit sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Eine Verurteilung liegt aufgrund von einer strafbaren Handlung gegen die Rechtspflege vor. Die aktuelle Verurteilung wurde aufgrund des Vergehens der falschen Beweisaussage sowie der Urkundenunterdrückung ausgesprochen.
Es mussten vier Zusatzstrafen (8., 14., 17. und 19. Eintragung der Strafregisterauskunft) verhängt werden und es sind neun Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen zu verzeichnen (2., 3., 6., 9., 11., 13., 16., 17., 18. und 20. Eintragung der Strafregisterauskunft).
Beim Antragsteller musste bereits drei Mal zunächst die Probezeiten verlängert werden und zwar in den Jahren 2010, 2011 und 2013. Bei drei Verurteilungen wurde die zuvor gewährte bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe widerrufen. Herr A* hat bereits sechs Haftblöcke verbüßt.
Bereits im fünften Haftblock wurde am 01.07.2016 die bedingte Entlassung zur Hälfte sowie die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln am 11.11.2016 abgelehnt. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung vom 11.11.2016 wurde durch das OLG Innsbruck abgewiesen.
Auch im sechsten Haftblock wurde am 06.10.2020 die bedingte Entlassung zur Hälfte sowie die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel am 06.04.2021 abgelehnt. Ein weiterer Antrag des Herrn A* auf vorzeitige Entlassung wurde am 09.12.2021 ebenfalls abschlägig beurteilt. Somit musste der Antragsteller bereits die letzten beiden Strafen vollständig verbüßen und wurde nicht mehr vorzeitig entlassen.
Ausgehend davon ist die äußerst hohe Rückfallslabilität des Antragstellers sowie die Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen und Maßnahmen (wie etwa die Anordnung der Bewährungshilfe; 1. und 3. Eintragung der Strafregisterauskunft) festzuhalten.
Feststellungen zur Missbrauchsprognose:
Wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, delinquiert der Antragsteller seit seinem Jugendalter regelmäßig. Er hat im Jahr 2022 (konkret im Zeitraum 13.01. bis 26.07.2022) bereits einen Teil einer Haftstrafe im eüH verbüßt. Damals befand er sich wegen Verstößen gegen §§ 125, 127, 223, 229, 107, 288 und 297 StGB in Haft. Als Weisungen wurden im damaligen Fußfesselvollzug ein AGT im Einzelsetting (14-tägig), ein absolutes Alkoholverbot sowie die Absolvierung einer Schuldenberatung auferlegt.
Während der letzten Haft heiratete der Antragsteller seine damalige Partnerin, bei der er sodann auch Unterkunft für die Fußfessel genommen hatte. Knapp 1 Jahr nach der Entlassung, nämlich am 29.06.2023 kam es zwischen dem Antragsteller und seiner damaligen Ehefrau zu einer Auseinandersetzung, zu welcher auch die Polizei hinzugezogen wurde. Am 17.07.2023 wurde Herr A* hierzu polizeilich befragt und sagte dort [ ] wahrheitswidrig zum Nachteil seiner Ehegattin aus. Dies ist als rascher und einschlägiger Rückfall zu qualifizieren.
Am 06.11.2025 wurde ein Vollzugplan für den Herrn A* erstellt, in welchem das Fachteam übereinkam, dass aufgrund der jahrelangen und vielen fruchtlosen Interventionen vor, während und nach der bisherigen Haften eine Psychotherapie begonnen werden soll. Hierfür wurde eine vollzugserfahrene Psychotherapeutin durch das Fachteam benannt und festgehalten, dass Lockerungen frühestens nach drei Monaten Psychotherapie mit positivem Verlauf in Betracht kommen.
In weiterer Folge fand am 23.12.20[2]4 das Erstgespräch und sodann drei weitere Termine am 30.12.2024, 07.01. und 04.02.2025 statt. Rückmeldungen zum Verlauf der Therapie erhielt der ho. psyhologische Dienst. Am 11.02.2025 teilte die Anstaltspsychologin mit, dass nach drei Sitzungen der Psychotherapie zwar in einigen Bereichen Fortschritte erzielt werden konnten, allerdings festzustellen ist, dass keine intrinsische Motivation des Antragstellers vorhanden ist. Dieser absolviert die Therapiesitzungen aus rein extrinsischen Motiven, nämlich mit dem Ziel vollzuglicher Belohnungen wie vorzeitiger Haftentlassung, Ausgänge oder die Bewilligung einer Fußfessel.
Bei A* fehlt demnach eine tiefergehende Motivation sich nachhaltig und aus eigenem Antrieb heraus mit den zugrundeliegenden Ursachen seiner wiederkehrenden Straftaten auseinanderzusetzen. Der psychologische Dienst sprach sich daher gegen die Bewilligung des eüH aus. Aufgrund der fehlenden intrinsischen Motivation wurde die Psychotherapie durch die JA B* beendet, da entsprechende Kapazitäten knapp sind und somit Inhaftierten zukommen sollen, welche eine ernsthafte Verhaltensänderung anstreben.
Am 12.02.2025 wurde mit dem Antragsteller die negative Stellungnahme des psychologischen Dienstes besprochen. Er wurde über die daraus resultierende, negative Missbrauchsprognose für die beantragte Vollzugsform informiert, konnte jedoch keine ergänzenden Angaben machen, zumal die Psychotherapeutin auch Herrn A* selbst gegenüber angegeben hatte, dass sie von einer jahrelangen Therapie ausgeht.
Mit Meldung vom 27.02. und 28.02.2025 wurde bekannt, dass der Antragsteller während seiner Tätigkeit in der ho. Anstaltsküche ein illegales Mobiltelefon in den Betriebsräumlichkeiten in seiner Gewahrsame hatte. Er musste daraufhin mit der rechtskräftigen Ordnungsstrafe einer Geldbuße iHv 50.- Euro belegt werden. Aufgrund mangelnden Vertrauens des Betriebsleiters in den Insassen erfolgte aus Anlass dieser Ordnungsstrafe die Ablöse von der Arbeit.
Im Zuge Verkündung der og. Ordnungsstrafe am 28.02.2025 erklärte A* der ho. Ordnungsstrafreferentin, dass er seinen eüH-Antrag zurückzieht und unterfertigte am 03.03.2025 nach neuerlicher Befragung durch die eüH-Sachbearbeiterin eine entsprechende Erklärung. Das eüH- Verfahren wurde daraufhin im System mit dem Vermerk „Antrag zurückgezogen“ abgeschlossen.
Am 18.03.2025 stellte Herr A* einen neuerlichen eüH-Antrag, der Unterkunft an derselben Adresse und Beschäftigung beim selben Arbeitgeber wie im ursprünglichen Antrag aufwies. Durch die zeitliche Nähe zwischen Zurückziehung und Neuantragstellung wertet die Behörde diesen Neuantrag als „Zurückziehung der Zurückziehung“ und hält dazu fest, dass der Antragsteller offensichtlich nicht in der Lage ist von ihm getroffene Entscheidungen verbindlich einzuhalten, sondern – neben den im Vollzugsplan näher angeführten psychischen Auffälligkeiten – auch eine wankelmütige Persönlichkeitsstruktur aufweist.
Im Zusammenhang mit der im Antrag (und im Neuantrag wieder vorgelegten) angeführten Anstellung ist unter Verweis auf ON 5 und ON 6 im Akt festzuhalten, dass die vorliegende Arbeitszusage durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vom Antragsteller erschlichen worden ist. Dieser hat im Rahmen eines Gesprächs mit dem potentiellen Arbeitgeber angeführt, dass er zum ersten Mal in Haft sei; weiters die aktuelle Verurteilung deshalb entstanden wäre, weil er seine damalige Partnerin schützen haben wollen und dass er (A*) eine eigene KFZ-Werkstätte betrieben habe, die er zusperren habe müssen, weil er dort auch genächtigt habe (Anm.: tatsächlich hat der Antragsteller zwar eine Lehrausbildung in diesem Bereich aber verfügte zu keinem Zeitpunkt über die Voraussetzungen eine Gewerbeberechtigung zu erlangen), worüber die Behörde am 29.01.2025 Kenntnis erlangte.
Daraufhin wurde A* am 30.01.2025 niederschriftlich zu diesen Umständen befragt und führte an, dass er „im Wesentlichen“ ehrlich gewesen wäre. Letztlich räumte der Antragsteller aber ein, in mehreren Punkten gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber die Unwahrheit angegeben zu haben.
Aufgrund dieser Umstände kann keine positive Missbrauchsprognose gestellt werden.
Beweiswürdigung:
Die Behörde hat durch Einsicht in die von A* vorgelegten Unterlagen, Einsichtnahme in den Insassenpersonalakt inkl. Vollzugsplanung und Ordnungsstrafakt, Einholung eines Berichtes zum Verlauf der Psychotherapie, Telefonat mit dem potentiellen Arbeitgeber und Durchführung von zwei Befragungen des Antragstellers Beweis erhoben.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus diesen Beweismitteln und findet in diesen Deckung.
Rechtlich erwog die Anstaltsleiterin, dass aufgrund sinngemäßer Anwendung des § 152a Abs 2 StVG der aktenkundigen Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt besondere Bedeutung zukomme. Darüber hinaus sei bereits im November 2024 im Rahmen der Fachteamsitzung festgehalten worden, dass in Bezug auf den Antragsteller Ausgänge im Sinne des § 99a StVG als bloß vorübergehende unbewachte Lockerung zur Erprobung des Wohlverhaltens erst nach der Absolvierung von zumindest drei Monaten Psychotherapie mit positivem Verlauf in Betracht kommen würden. Die begonnene Psychotherapie habe infolge fehlender intrinsischer Motivation des Antragstellers nach drei Sitzungen wieder beendet werden müssen, da die Teilnahme unter dem Aspekt der Erlangung von Vollzugslockerungen, einer vorzeitigen Entlassung oder der Bewilligung des eüH erfolgt sei. Die Bereitschaft sich nachhaltig mit Gründen und Ursachen für die wiederkehrende Delinquenz auseinanderzusetzen, sei nicht gegeben gewesen. Aus diesem Grund habe sich der Psychologische Dienst gegen die Bewilligung des eüH ausgesprochen.
Darüber hinaus habe A* über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten, während der eüH-Antrag „gelaufen sei“, an seinem Arbeitsplatz in der Anstaltsküche illegal ein Mobiltelefon in Gewahrsam gehabt. Dazu liege eine rechtskräftige Ordnungsstrafverfügung vor. Weiters habe er gegenüber seinem potenziellen Arbeitgeber unwahre Angaben gemacht, seine Person und sein Leben dabei äußerst beschönigend dargestellt, was letztlich zur Einstellungszusage geführt habe.
In einer Gesamtschau liege beim Antragsteller daher weder das erforderliche Bewusstsein für eine Verantwortungsübernahme in Bezug auf sein bisheriges Leben vor noch stehe er zu getroffenen Entscheidungen und setze diese um, was sich aus der Zurückziehung des Antrags auf eüH und der Stellung eines neuen Antrags ergäbe. Überdies habe er sich selbst im Normalvollzug nicht an die Regeln gehalten, zumal er ein illegales Mobiltelefon genutzt und versteckt habe, sodass es weiterhin an Normtreue fehle. Ein Vollzug im eüH setze ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Ehrlichkeit voraus, das beim Antragsteller nicht gegeben sei.
Im Weiteren gibt das Erstgericht die Beschwerde des A* wieder und führt aus, dass diese insofern durchdringe als der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Leiterin der Justizanstalt B* zurückzuverweisen sei.
Wortwörtlich wird weiters ausgeführt wie folgt:
Wie die Beschwerde zu 1./ zutreffend aufzeigt, führte die Absolvierung psychologischer Gespräche und dreier Sitzungen bei einer externen Psychotherapeutin zumindest zu einem Teilerfolg („insbesondere in der Auseinandersetzung mit seinen Verhaltensmustern und emotionalen Themen“; ON 2.2, 109) und hat sich der Beschwerdeführer bereits mit dem D* in Verbindung gesetzt (ON 2.2, 135 f).
Weiters ist der Beschwerdeargumentation zu 2./ beizupflichten, dass laut Anordnung des Vollzugs von Ordnungsstrafen vom 28.02.2025 (ON 2.2, 95) nicht feststellbar ist, in welchem Zeitraum des sechsmonatigen Versteckthaltens des Handys der Beschwerdeführer daran Mitgewahrsam hatte und dass das Handy durch die Mitwirkung des Beschwerdeführers sichergestellt und eingezogen werden konnte.
Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer – wie zu 3./ der Beschwerde ausgeführt – am 18.03.2025 einen neuen Antrag stellte, oder ob er seine Zurückziehung vom 28.02.2025 rückgängig machen wollte. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer „im Zuge der Verkündung“ der Ordnungsstrafe seinen Antrag auf Vollzug der Freiheitsstrafe in Form des eüH zurückzog und zweieinhalb Wochen später diesen wieder anstrebte, ist nach Ansicht des erkennenden Senats keine dieser Vollzugform entgegenstehende Persönlichkeitsstruktur zu erkennen.
Zumal die Beschwerde releviert, dass es zu Missverständnissen zwischen dem potenziellen Arbeitgeber und dem Beschwerdeführer in Bezug auf die Häufigkeit der Haft und die Innehabung des Gewerbescheins der Kfz-Werkstatt gekommen sei (4./), ist deren (ergänzende) Einvernahme notwendig, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich dadurch ergeben wird, dass der Beschwerdeführer den potentiellen Arbeitgeber nicht belogen hat und dies zu einer anderen Beurteilung der Missbrauchsprognose führen würde.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz, die die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck beantragt.
Zusammengefasst wiedergegeben wird moniert, dass sich konkrete Feststellungen (und damit zusammenhängend beweiswürdigende Erwägungen) im angefochtenen Beschluss nicht fänden. Das Erstgericht beschränke die Begründung auf die Wiedergabe des Bescheids der Vollzugsbehörde erster Instanz und der Beschwerde. Es sei nicht ersichtlich von welchem entscheidungswesentlichen Sachverhalts das Erstgericht ausgehe.
Nach dem zur Anwendung zur gelangenden § 60 AVG seien in einer Begründung der Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Das Oberlandesgericht Wien sei eine reine Rechtsinstanz und habe den Beschluss bei mangelhafter Sachverhaltsfeststellung aufzuheben und das Verfahren an das Vollzugsgericht zurückzuverweisen.
Die Prognoseentscheidung hinsichtlich der Gefahr eines Missbrauchs der Vollzugsform des eüH sei eine typische Ermessensentscheidung im Sinne des § 16a Abs 2 StVG. Die vom Vollzugsgericht erstellte Prognose gemäß § 156c Abs 1 Z 4 StVG sei insofern mangelhaft, als das Erstgericht keine eigenen Feststellungen getroffen und im Übrigen auch gänzlich unbegründet gelassen habe, aus welchen konkreten Gründen die Missbrauchsprognose positiv bewertet werde. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den einzubeziehenden Parametern finde nicht statt. Diese würden weder erwähnt noch gewichtet. Das Vollzugsgericht setze sich mit der negativen Stellungnahme des Psychologischen Dienstes nicht auseinander. Zudem werde auch der Hinweis auf die Risikofaktoren der hohen Rückfallslabilität des Beschwerdeführers und der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen und Maßnahmen nicht gewürdigt.
Das bloße Anführen des Umstandes, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer den potenziellen Arbeitgeber nicht belogen habe, dass die Zurückziehung des Antrags auf Vollzug der Freiheitsstrafe in Form des eüH und die zeitnahe neuerliche Antragstellung keine dieser Vollzugsform entgegenstehende Persönlichkeitsstruktur erkennen lasse, dass Teilerfolge bei psychologischen Gesprächen vorlägen sowie bestimmter Umstände im Zuge der Verhängung der Ordnungsstrafe, würden eine Nichtbegründung darstellen, zumal auch hier Feststellungen des Erstgerichts völlig fehlen würden.
Eine rechtliche Beurteilung der Voraussetzungen für einen Vollzug im eüH sei daher nicht möglich, weshalb der angefochtene Beschluss mit Rechtswidrigkeit behaftet sei (ON 5.2).
Rechtliche Beurteilung
Die Amtsbeschwerde ist im Recht.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde ist auszuführen, dass das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet – soweit hier interessierend – über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit entscheidet (§ 16a Abs 1 Z 1 StVG). Rechtswidrig ist eine Entscheidung, wenn sie gegen materielles oder formelles Recht verstößt ( Pieberin WK² StVG § 16a Rz 5).
Gemäß § 156b Abs 4 StVG gilt auch § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß. Demnach hat das Gericht im Verfahren nach den §§ 16 Abs 3 und 16a StVG folgende Bestimmungen sinngemäß anzuwenden:
1. im Beschwerdeverfahren nach den § 16 Abs 3 Z 1 und 2 sowie § 16a Abs 1 Z 1 und 2 außer wegen eines Ordnungsstraferkenntnisses das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 38, 40 bis 44g, 51, 55, 57, 58a, 63 bis 66, 68 Abs 2 bis 7, 73 Abs 2 und 3 und 75 bis 80.
Demzufolge ist § 45 AVG anzuwenden, der wie folgt lautet:
1. Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
2. Im Übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
3. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der gleichfalls anzuwendende § 37 AVG normiert, dass Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen.
Nach § 45 Abs 2 AVG gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, dh dass lediglich die Überzeugungskraft der Beweismittel im gegebenen Zusammenhang für ihre Bewertung maßgebend ist. Die Beweiswürdigung ist jedoch insofern nicht frei, als der maßgebende Sachverhalt vollständig erhoben und die Beweisführung tragfähig sein muss ( Thienel/Zeleny , Verwaltungsverfahrensgesetze 21§ 45 AVG Anm 4).
Demnach hatte das Gericht vorliegend nach den gerade dargestellten Verfahrensregeln abzuklären, ob beim Verurteilten die Voraussetzungen nach § 156c StVG vorlagen, wobei gemäß § 60 AVG in den Entscheidungsgründen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind (vgl auch Hengstschläger/Leeb AVG 2 § 60 Rz 7).
Die Beschlussannahmen zu den Voraussetzungen nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG vermögen die Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung an die Anstaltsleiterin nicht zu tragen. Das Erstgericht ging nämlich – wie von der Amtsbeschwerde moniert - nur auf die in der Beschwerde angeführten, einzelne Aspekte der Beweiswürdigung der Anstaltsleiterin kritisierenden Argumente ein und wollte wohl zum Ausdruck bringen, dass es aufgrund der vorliegenden Verfahrensergebnisse und der Beschwerdeargumentation keine abschließende Klärung der Prognoseentscheidung nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG vornehmen könne. Diese Schlussfolgerung beruht aber auf keiner tragfähigen Beweiswürdigung, weil nur isoliert auf die einzelnen Punkte des Beschwerdevorbringens eingegangen und für den Beschwerdeführer sprechende Aspekte erwogen werden, ohne aber eine gebotene Gesamtbetrachtung der Verfahrensergebnisse vorzunehmen.
So geht das Erstgericht etwa offensichtlich davon aus, dass für den Beschwerdeführer spreche, dass er psychologische Gespräche und drei Sitzungen bei einer externen Psychotherapeutin absolviert und sich bereits mit dem D* in Verbindung gesetzt habe. Abgesehen davon, dass die Stellungnahme des D*, wonach die Psychotherapie nicht übernommen werde (ON 2.2 S 136), unberücksichtigt geblieben ist, wird - wie von der Amtsbeschwerde zutreffend aufgezeigt – weder in diesem Zusammenhang noch an anderer Stelle auf die Stellungnahme des Psychologischen Dienstes Bezug genommen.
Weiters führt das Erstgericht an, dass nicht feststellbar sei, in welchem Zeitraum des sechsmonatigen Versteckthaltens des Handys der Beschwerdeführer daran Mitgewahrsam gehabt habe, sowie dass das Handy durch dessen Mitwirkung sichergestellt und eingezogen habe werde können, macht aber nicht klar, inwieweit dieser Vorfall zu einer für ihn günstigen Prognose führen könnte. Soweit das Erstgericht ausführt, dass allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Verkündung der Ordnungsstrafe seinen Antrag auf Vollzug der Freiheitsstrafe in Form des eüH zurückgezogen und zweieinhalb Wochen später wieder neu gestellt habe, keine dieser Vollzugsform entgegenstehende Persönlichkeitsstruktur erkannt werden könne, ist anzumerken, dass auch diese Erwägungen des Erstgerichts isoliert und ohne Bezugnahme zu weiteren aktenkundigen Umständen, wie etwa der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen und Maßnahmen, angestellt werden. Soweit das Erstgericht letztlich noch vermeint, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass es zu Missverständnissen zwischen dem Beschwerdeführer und seinem potenziellen Arbeitgeber gekommen sei, wird wiederum völlig außer Betracht gelassen, dass der Beschwerdeführer einräume, im Vorstellungsgespräch bei seinem künftigen Arbeitgeber unrichtige Angaben gemacht zu haben (vgl ON 2.2 S 113).
Weiters fällt auf, dass keine Feststellungen zum Vorliegen derzeitlichen Voraussetzungen nach § 156c Abs 1 Z 1 StVG getroffen wurden, wobei deren Annahme bei einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten die Annahme hoher Wahrscheinlichkeit einer bedingten Entlassung zum Hälfte- oder Zwei-Drittel-Stichtag voraussetzen würde (vgl Drexler/Weger, StVG 5 § 156c Rz 4). Abgesehen davon, dass eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag am 1. Mai 2025 bereits rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl ON 2.2 S 145 ff), wäre bei dieser Entscheidung neben dem Vorleben des Beschwerdeführers (ON 2.2), auch etwa der Umstand miteinzubeziehen, dass die zuletzt verhängten Freiheitsstrafen vom Beschwerdeführer vollständig verbüßt wurden (vgl ON 2.2 S 34, S 122).
Im erneuerten Verfahren werden daher auch (begründete) Feststellungen dahin zu treffen sein, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers zu rechnen sein wird.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.