3R67/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co KG , **, Deutschland, vertreten durch Dr. Conrad Carl Borth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Walch Zehetbauer Motter Rechtsanwälte OG in Wien sowie den Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. C* AG , FN **, **, vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rechtsanwalt in Wien, 2. D* , Inhaber des nicht protokollierten Einzelunternehmens E*, **, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Dr. Diana Holzinger, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, und 3. F* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 200.000,--), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 24.02.2025, **-102, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Die Eingabe der klagenden Partei vom 26.03.2025 (Berichtigung der Berufung) wird zurückgewiesen .
II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig,
- der beklagten Partei die mit EUR 4.276,32 (darin enthalten EUR 712,72 USt);
- der Erst- und Drittnebenintervenientin die mit EUR 4.703,64 (darin enthalten EUR 783,94 USt) und
- der Zweitnebenintervenientin die mit EUR 4.276,32 (darin enthalten EUR 712,72 USt)
bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung und
Entscheidungsgründe:
I.Die Klägerin brachte am 25.03.2025 eine Berufung ein. Mit Eingabe vom 26.03.2025 berichtigte sie ihre Berufung. Jeder Partei steht jedoch nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind selbst dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RS0041666). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn die Nachträge oder Verbesserungen am selben Tag wie der erste Rechtsmittelschriftsatz bei Gericht einlangen (RS0036673 [T6]). Die Eingabe vom 26.03.2025 war daher als unzulässig zurückzuweisen.
II. Die Klägerin wurde von der G* GmbH damit beauftragt einen 40 Zoll Container mit der Nummer H*, der mit 34 Motorrädern beladen war, von der Lagerhalterin der Auftraggeberin in I* zur J* in K* zu transportieren. Die Klägerin beauftragte die Beklagte den Container von I* bis zum Seehafenterminal in L* (M* BV) zur Reederei N* (in Folge „N*“) zu transportieren. Die Beklagte beauftragte den Zweitnebenintervenienten mit dem LKW-Transport von I* zum Containerterminal O* und die Drittnebenintervenientin mit dem Bahntransport vom Containerterminal O* bis zur Reederei N* in L*. Im Innenverhältnis beauftragte die Drittnebenintervenientin die Erstnebenintervenientin als Eisenbahnverkehrsunternehmen mit der Beförderung vom Containerterminal O* bis P*. Der Weitertransport von P* bis zur Reederei N* erfolgte durch weitere von der Drittnebenintervenientin beauftragte ausländische Subfrachtführer.
Für den Transport von P* nach L* wurde der Container am 16.03.2022 auf einen Güterzug der niederländischen Q* B.V. aufgeladen und von dieser nach L* transportiert. Da der Zug verspätet (nach Closing der Reederei) in L* eintraf, durfte der Container nicht direkt zum M* Terminal gebracht werden, sondern musste zunächst im Containerterminal des Vorbahnhofs R* zwischengelagert werden. Von dort aus wurde der Container am 25.03.2022, 13.11 Uhr mit einem LKW abgeholt und zum M* Terminal gebracht, wobei der Auftrag an den LKW-Spediteur von der Drittnebenintervenientin erteilt wurde. Als der LKW den Terminal R* samt Container verließ, war immer noch das ursprüngliche blaue Siegel am Container angebracht.
Der Container wurde am 25.03.2022, 18:47 Uhr im M* Terminal für die Rederei N* entgegengenommen. Zum Zeitpunkt der Übergabe wurde zwar das Vorhandensein eines Siegels, nicht aber die konkrete Siegelnummer überprüft.
Da die Klägerin nicht rechtzeitig alle notwendigen Unterlagen (Zollfreigaben) für die Verschiffung an die Reederei übermittelte, konnte der Container erst mit dem übernächsten Schiff in Richtung Japan geschickt werden. Der Container lagerte deshalb 18 Tage im Hafenterminal. Am 12.04.2022 wurde der Container schließlich auf das Containerschiff „S*“ verladen.
Am 26.04.2022 wandte sich die Klägerin per E-Mail an die Beklagte und teilte ihr mit, dass ein Motorrad mit einer Seriennummer, das sich zu jenem Zeitpunkt noch im Container in Richtung K* befinden sollte, in L* einem T*-Vertragshändler angeboten worden war. Am 21.05.2022 dockte das Containerschiff im Hafen K* an. Aufgrund der Information, dass Motorräder abhanden gekommen sein könnten, wurde umgehend das Siegel geprüft und eine Bestandsaufnahme durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass der Container zwar weiterhin versiegelt, jedoch nunmehr ein anderes, weißes Siegel angebracht war. Beim Öffnen des Containers stellte sich außerdem heraus, dass 26 Motorräder aus dem Container fehlten.
Die U* S.A. hat als Transportversicherer des T*-Konzerns im Juli 2022 ihrer Versicherungsnehmerin eine Versicherungsleistung von EUR 210.871,-- ausbezahlt. Der Verkaufswert der gestohlenen Ware betrug umgerechnet EUR 211.371,--. Die U* S.A. forderte sodann die Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2022 unter Verweis auf ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin oder eines ihrer Subfrachtunternehmen zum Ersatz der vollen Schadenssumme in Höhe von EUR 211.371,-- auf.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus dem Transport des Containers zwischen I* und dem Seehafenterminal M* BV in L*. Hilfsweise begehrt sie die Zahlung von EUR 130.525,20 s.A. Der Ort des Diebstahls der Motorräder sei zwar unbekannt, könne aber auf die von der Beklagten durchgeführte Teilstrecke eingeschränkt werden. Besonders hoch sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Diebstahl während des LKW-Nachlaufs vom R* Terminal zum M* Terminal in L* ereignet habe, weil es sich hierbei um den einzigen Zeitraum gehandelt habe, in dem der Container unüberwacht gewesen sei. Ein Diebstahl am Seehafenterminal in L* könne ausgeschlossen werden, weil es sich dabei um ein hermetisch abgeriegeltes Zollfreigebiet handle.
Die Beklagten sowie die Nebenintervenientinnen beantragen Klagsabweisung und wenden – soweit im Berufungsverfahren noch von Relevanz - ein, der Diebstahl habe sich nicht im Obhutsbereich der Beklagten ereignet. Zudem vertreten sie die Ansicht, die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Klägerin ihren Schaden bereits beziffern könne.
In der Tagsatzung vom 06.10.2023 , ON 71.2 (S 6), fasste das Erstgericht über Antrag der Klägerin den Beschluss, dass die Einvernahme der von der Erst- und Drittnebenintervenientin beantragten Zeugen V*, W* und X* im Rechtshilfeweg bis zum 30.09.2024 stattzufinden habe, widrigenfalls die Verhandlung auf Antrag der Klägerin ohne diese Beweismittel fortgesetzt werde. Über Antrag der Beklagten und der Nebenintervenientinnen wurde die Einvernahme des von der Klägerin beantragten Zeugen Y* im Rechtshilfeweg ebenfalls bis zum 30.9.2024 befristet.
Am 23.11.2023 (ON 77) richtete das Erstgericht Anträge nach Artikel 19 und 20 der VO (EU) 2020/1783 an den Raad voor de Rechtspraak (Jusitzrat) in Den Haag. Mit Schreiben vom 15.02.2024 (ON 81, ON 82) wurde der Fall durch den Justizrat an das Gericht in Rotterdam (Rechtbank Rotterdam) verwiesen. In der Folge versuchte das Erstgericht mehrfach telefonisch und schriftlich einen Termin für eine Videokonferenz zu organisieren (ON 83 bis ON 90), was jedoch scheiterte. In der Tagsatzung vom 27.11.2024 (ON 96.2 S 2) hielt das Erstgericht fest, dass es trotz vielfachen Nachfragens nicht gelungen sei, eine Vernehmung im Rechtshilfeweg durchzuführen. Die Beweise seien daher antragsgemäß präkludiert und die Verhandlung sei ohne die Einvernahmen fortzusetzen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es stellte den auf den Urteilsseiten 2 und 4 bis 7 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Insbesondere traf es folgende bekämpfte Feststellung:
„ Es kann nicht festgestellt werden, wo es zum Diebstahl der 26 Motorräder aus dem Container H* gekommen ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit fand der Diebstahl in L* statt, wobei nicht festgestellt werden kann, ob er sich noch im Obhutszeitraum der Beklagten bzw. einer ihrer Subfrachtführer zugetragen hat, oder bereits im Obhutszeitraum der Reederei, nach Übernahme des Containers im M* Terminal. Weiters kann nicht festgestellt werden, ob Erfüllungsgehilfen der Beklagten in irgendeiner Form an einem Diebstahl beteiligt waren. “
Rechtlich erwog es, die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits die volle Schadenshöhe gekannt. Auch das Gewicht der in Verlust geratenen Ware sei bekannt gewesen, sodass auch die Berechnung eines allfälligen Haftungslimits möglich gewesen wäre. Ein Leistungsbegehren hätte schon zum Zeitpunkt der Klagseinbringung erhoben werden können. Der Feststellungsklage fehle es daher am rechtlichen Interesse, sodass das Hauptbegehren bereits aus diesem Grund abzuweisen sei.
Unabhängig davon scheitere das Begehren aber auch an folgenden Erwägungen, die auch für das Leistungsbegehren gelten: Wenn aufgrund eines einheitlichen Frachtvertrages die Beförderung mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln geschuldet werde, liege ein sogenannter multimodaler Transport vor. Multimodalbeförderungsverträge seien in Österreich nicht gesetzlich geregelt. Maßgeblich sei das von der Rechtsprechung entwickelte „Network-System“. Bei bekanntem Schadensort seien die für diese Teilstrecke geltenden Bestimmungen heranzuziehen. Entscheidend sei demnach der hypothetisch über die Teilstrecke abgeschlossene Vertrag. Übernahme- und Ablieferungsort werden dabei durch die Orte des Beginns und des Endes der Teilstrecke ersetzt. Bei unbekanntem Schadensort könne sich der Anspruchsteller auf das für ihn günstigste Haftungsrecht berufen. Dasselbe werde auch für Verjährungsfristen angenommen.
Nach den Feststellungen sei der Schadensort unbekannt, weshalb das für den Anspruchsteller günstigste Haftungsregime zur Anwendung gelange. Welches das günstigste sei könne jedoch dahingestellt bleiben, da alle möglichen Haftungsregime des nationalen und internationalen Transportrechts eine Obhutshaftung bei Beschädigung oder Verlust des Transportgutes vorsehen. Die Bestimmung der Obhutszeit durch die Begriffe Annahme und Ablieferung sei den meisten frachtvertraglichen Haftungsregelungen gemeinsam. Die Annahme bedeute den Erwerb des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes zum Zweck der alsbaldigen Beförderung. Der Ablieferungsvorgang sei abgeschlossen, wenn ein Verhältnis hergestellt werde, das dem zur Entgegennahme bereiten Empfänger die Einwirkungsmöglichkeit auf das Gut einräume. Die Beklagte habe das Transportgut durch ihre Erfüllungsgehilfen in I* übernommen und in L* beim M* Terminal abgeliefert. Die Beweislast dafür, dass das schädliche Ereignis während des Zeitraums der Obhut des Frachtführers eingetreten sei, treffe die Klägerin. Die Klägerin habe den Verlust der 26 Motorräder während des Zeitraums der Obhut der Beklagten jedoch nicht bewiesen. Die Negativfeststellung gehe zu ihren Lasten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Mängelrüge
Das Verfahren soll mangelhaft geblieben sein, weil das Erstgericht den Zeugen Z* nicht ergänzend einvernommen hat. Dieser hätte Angaben darüber machen können, dass überhaupt ein LKW-Nachlauf stattgefunden habe und wie lange ein solcher üblicherweise dauere. Weiters liege ein Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht keine weiteren Bemühungen unternommen habe, die Rechtshilfeeinvernahmen in den Niederlanden zu erlangen oder zumindest über elektronische Fernbildübertragung durchzuführen. Zwar werde durchaus anerkannt, dass das Erstgericht Beträchtliches unternommen habe. Nichtsdestotrotz wären noch ergänzende Bemühungen – insbesondere über diplomatische Vertretungen – erforderlich gewesen. Die Durchführung dieser Rechtshilfeeinvernahmen hätten ein anderes Verfahrensergebnis bringen können, nämlich das Gelingen des Nachweises, dass sich der Diebstahl in der Obhut der Beklagten ereignet habe.
1.1. In der Tagsatzung vom 06.10.2023 beantragte die Klägerin die ergänzende Einvernahme des Zeugen Z*, um klären zu können, ob bestimmte Packstücke in einem Container untergebracht werden könnten (ON 71.2, S 2). Zuletzt (ON 96.2, S 2) wurde die Einvernahme ua zur Frage beantragt, dass der offenbar durchgeführte LKW-Nachlauf zwischen R* und M* jedenfalls über Auftrag der Beklagten erfolgt sei. Dieser Umstand wurde vom Erstgericht jedoch unbekämpft festgestellt. Zum nun in der Berufung relevierten Thema, wie lange ein LKW-Nachlauf überlicherweise dauere, wurde die Einvernahme des Zeugen nicht beantragt.
1.2. Die Berufungswerberin legt nicht dar, durch die Unterlassung welcher Einvernahmen im Rechtshilfeweg sie sich beschwert erachtet. Die Einvernahme der (zuletzt noch beantragten; vgl ON 83) Zeugen V*, W* und X* wurde jedoch nicht von der Klägerin, sondern von der Erst- und Drittnebenintervenientin beantragt (ON 40, S 4; ON 60, S 3); die Klägerin selbst hat die Präklusion dieser Beweisanträge begehrt. Die Klägerin kann durch die unterlassene Einvernahme dieser Zeugen daher nicht beschwert sein.
Die Klägerin hat die Einvernahme des Zeugen Y* beantragt (ON 22, S 2) und diesen Beweisantrag ungeachtet der Mitteilung der Hafenmeisterei vom 06.06.2023 (ON 38), wonach dieser Zeuge keine Wahrnehmungen zum Sachverhalt habe, mit der Begründung aufrecht erhalten, der Umstand, ob die Transportware im Hafen L* abhanden gekommen sein könnte, sei eine Streitfrage (ON 71.2, S 6).
1.3. Die Berufung wendet sich nicht gegen den – auch von ihr hinsichtlich der Zeugen V*, W* und X* begehrten – Präklusionsbeschluss vom 06.10.2025, sondern lediglich dagegen, dass das Erstgericht nicht alle Möglichkeiten, die Einvernahmen durchzuführen, ausgeschöpft habe und die Verhandlung trotzdem ohne Rücksicht auf den mittels dieser Zeugen angebotenen Beweises fortgesetzt hat. Im vorliegenden Fall ist die Verordnung (EU) 2020/1783 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (EuBVO) anzuwenden. Das Erstgericht hat entsprechend den Vorgaben der EuBVO (Artikel 19 f) mit den Formblättern L und N ein Ersuchen an die zuständige Zentralstelle gerichtet (ON 77). In Folge hat das Erstgericht mehrfach versucht (ON 86 bis 90), innerhalb der gesetzten Frist eine Videokonferenz zu organisieren, was jedoch an den niederländischen Gerichten scheiterte. Anfragen an die diplomatische Vertretungen (wobei die Berufung nicht ausführt, welche Schritte das Erstgericht konkret setzen hätte sollen) sind in der EuBVO nicht vorgesehen. Das Erstgericht hat somit sämtliche erforderlichen Schritte unternommen.
Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
2. Beweisrüge:
Die Berufungswerberin begehrt folgende Ersatzfeststellung:
„ Es kann nicht genau festgestellt werden, ob der Diebstahl der 26 Motorräder aus dem Container H* fand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in L*, noch im Obhutszeitraum der Beklagten bzw. einer ihrer Subfrachtführer statt (und eventualiter: und zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während des von der dritten Nebenintervenientin beauftragten LKW-Transportes des Containers vom Terminal R* zum M*-Terminal der Reederei und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter Mitwirkung einer der mit dem LKW-Transport betrauten Mitarbeiter der Erfüllungsgehilfen der Beklagten). “
Sie meint zusammengefasst, schon alleine aufgrund der festgestellten völlig ungewöhnlichen Länge des Transportweges im LKW-Nachlauf sei zwingend davon auszugehen, dass der Diebstahl während dieses Transportes erfolgt sei. Die Richtigkeit der Ersatzfeststellung ergebe sich auch daraus, dass die Beklagte, trotz entsprechender Aufforderung zur Aufklärung, ihrer Darlegungspflicht nur für die Teilstrecke bis P* nachgekommen sei und erst in der allerletzten Verhandlung des Verfahrens Details über den LKW-Nachlauf zur Eisenbahnfracht bekanntgegeben habe.
2.1. Die Berufungsbeantwortungen weisen zwar richtig darauf hin, dass die Ersatzfeststellung sprachlich schwer verständlich ist. Die Ausführungen in der gesamten Beweisrüge lassen aber ausreichend erkennen, dass die Berufungswerberin sinngemäß festgestellt haben will, der Diebstahl habe sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während des Obhutszeitraums der Beklagten (in eventu mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während des LKW-Nachlaufs) ereignet.
2.2.Die Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung erfordert die bestimmte Angabe, a) welche konkreten Feststellungen der Rechtsmittelwerber angreift bzw durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, b) weshalb diese Feststellung Ergebnis einer unrichtigen Wertung der Beweisergebnisse ist, c) welche Tatsachenfeststellungen der Berufungswerber stattdessen anstrebt und d) aufgrund welcher Beweise diese anderen Feststellungen zu treffen gewesen wären (RS0041835). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen somit eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RS0041835 [T2]). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen. Maßgeblich ist alleine, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden ( Klauser/Kodek 18§ 467 ZPO E 39/1). Die Beweiswürdigung kann daher nur dadurch erfolgreich angefochten werden, dass stichhaltige Gründe gegen deren Richtigkeit ins Treffen geführt werden ( Rechberger in Fasching/Konecny 3§ 272 ZPO Rz 4 ff). Dies gelingt der Berufungswerberin insgesamt nicht:
2.3. Nach den unbekämpften Feststellungen (US 6) war das ursprüngliche (blaue) Siegel noch am Container angebracht, als der LKW am 25.03.2022 den Terminal R* samt Container verließ. Damit ist ein Diebstahl nur während des LKW-Nachlaufs oder im M* Terminal L* denkbar. Die Berufungsausführungen beschränken sich auch darauf darzulegen, weshalb sich der Diebstahl während des LKW-Nachlaufs ereignet haben muss. Das Erstgericht hat die Argumente, die die Berufung ins Treffen führt, beachtet und diese Aspekte auch einer umfassenden Beweiswürdigung unterzogen (US 9 f). Der Berufung gelingt es nicht, die schlüssige Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu erschüttern. Es ist zwar richtig, dass das Erstgericht unbekämpft feststellt, dass der Container um 13:11 Uhr vom Vorbahnhof R* abgeholt wurde. Dokumente, die dies belegen, liegen jedoch nicht vor. Weder aus dieser Feststellung noch aus der ihr zu Grunde liegenden Aussage des Zeugen BA* (ON 71.2, S 19) ist zudem ableitbar, wann die Abfahrt mit dem LKW tatsächlich erfolgte. Neben der Abfahrtszeit ist auch weder die Route des LKW bekannt noch, ob der LKW warten musste, bis er in das Entladegelände eingelassen wurde und entladen werden konnte. Die in der Berufung erhobene Behauptung, dass der LKW im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Personal des Beförderers umgeleitet, entladen und neu versiegelt wurde, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt. In erster Instanz behauptete sie bloß (vgl ON 50, S 4 f), einer der Erfüllungsgehilfen der Beklagten (oder ein von dieser eingesetzter Suberfüllungsgehilfe) sei am Diebstahl zumindest durch Informationsweitergabe beteiligt gewesen. Die Berufung nennt auch kein einziges Beweismittel, das die in der Berufung erstmals formulierte Theorie belegt. Das Berufungsgericht teilt daher die schlüssige Würdigung des Erstgerichtes, nach der - trotz der möglicherweise auffälligen Fahrzeit des LKW in L* - keine ausreichenden Beweisergebnisse vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich der Diebstahl mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits vor der Ablieferung des Containers beim M* Terminal zugetragen hat. Es mag zwar sein, dass im Hafen L* hohe Sicherheitsstandards gelten, bereits das Erstgericht hat aber nachvollziehbar dargelegt, dass ein Diebstahl von diesem Gelände (ebenso wie das nun von der Berufungswerberin behauptete Umleiten des LKW) trotzdem möglich ist. Welcher Aufforderung der Klägerin die Beklagte nicht nachgekommen sein soll und damit ihre Darlegungspflicht verletzt hat, legt die Berufung nicht dar. Die bekämpfte Feststellung ist unbedenklich, die Beweisrüge bleibt ohne Erfolg.
2.4. Ein Eingehen auf die in der Berufungsbeantwortungen der Beklagten (S 3) und der Zweitnebenintervenientin (S 4) geltend gemachten Beweisrügen erübrigt sich aus rechtlichen Erwägungen.
3. Rechtsrüge
Die Berufungswerberin meint zusammengefasst, die Beklagte wäre zur detaillierten Aufklärung verpflichtet gewesen. Die bekämpfte Negativfeststellung gehe daher zu Lasten der Beklagten. Die Klagsabweisung sei auch unrichtig, weil das Erstgericht nicht auf das Rechtsinstitut der Prozessstandschaft eingegangen sei, auf das das Klagebegehren auch gestützt gewesen sei, und das (anerkanntermaßen) zur Klagstattgebung führe. Außerdem habe sich das Erstgericht nicht mit Fragen der alternativen Kausalität auseinandergesetzt.
3.1. Nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) ist bei einem Vertrag über die Beförderung von Gütern das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort, der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Es ist daher österreichisches Recht anzuwenden.
3.2.Hat der erteilte Transportauftrag von vornherein die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln zum Gegenstand (Lastkraftwagen, Eisenbahn, Schiff), richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung („network–System“; RS0062353). Anstelle des Übernahme- und Auslieferungsorts der multimodalen Beförderung treten der Ort des Beginns und des Endes der betreffenden Teilstrecke (7 Ob 2/16v; 7 Ob 45/20y).
3.3. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes fand der Diebstahl in L* statt, womit feststeht, dass er sich entweder beim LKW-Nachlauf oder nach der Übernahme des Containers im M* Terminal ereignete.Die Klägerin stützt sich in der Rechtsrüge sichtlich auch nur mehr darauf, dass sich der Diebstahl am Weg vom Containerterminal R* zum M* Terminal ereignet hat. Diese Teilstrecke wurde innerhalb der Niederlande mit dem LKW zurückgelegt. Bei multimodalen Transporten sind die CMR nur auf jenen Beförderungsteil (auf jene Teilstrecke) anzuwenden, für den die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Übereinkommens zutreffen (7 Ob 2/16v Pkt 3.2.). Die CMR sind daher nicht anwendbar, weil der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort (dieser Teilstrecke) nicht in zwei verschiedenen Vertragsstaaten liegt (Art 1 Z 1 CMR). Zwar normiert § 439a UGB den Anwendungsbereich der CMR auch auf innerstaatliche Transporte. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber aber nur den Transport für das österreichische Inland regeln, sodass der nicht grenzüberschreitende Transport im Ausland bei Anwendbarkeit österreichischen Rechts auch unter Berücksichtigung dieser Bestimmung nicht den CMR unterliegt (RS0126558). Es sind daher für diese Teilstrecke die einschlägigen Bestimmungen des UGB (§§ 425 ff) anwendbar.
3.4.Nach dem Haftungsregime des UGB haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung oder durch Versäumung der Lieferzeit entsteht (§ 429 Abs 1 UGB). Diese Obhutshaftung umfasst Schäden und Verluste, die in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung des Gutes eingetreten sind ( Kofler in U. Torggler, UGB 3 § 429 Rz 3; Csoklich in Artmann UGB 3§ 429 UGB Rz 2). Der Haftungszeitraum und damit auch der Aufgabenbereich des Frachtführers endet, sobald dem annahmebereiten Empfänger die Möglichkeit des Zugriffes auf das Gut eingeräumt ist (RS0062537; RS0074012). Vom Geschädigten ist nachzuweisen, dass der Schaden während des Obhutszeitraumes des Frachtführers eingetreten ist ( Zehetbauer in Zib/DellingerUGB § 429 UGB Rz 15; zu Art 17 CMR vgl 7 Ob 102/13w [Pkt 2]; 7 Ob 126/09v [Pkt 2]; 3 Ob 132/06t [Pkt b]; zum (behaupteten) teilweisen Verlust einer Lieferung vgl 1 Ob 28/00z). Das Erstgericht konnte allerdings nicht feststellen, ob die Motorräder vor oder nach Ablieferung des Containers am M* Terminal in L* gestohlen wurden. Diese Negativfeststellung geht zu Lasten der Klägerin.
3.5.Auf eine alternative Kausalität hat sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht gestützt, sondern stets behauptet, der Diebstahl habe sich unter der Obhut der Beklagten ereignet. Darüber hinaus weist die Zweitnebenintervenientin zu Recht darauf hin, dass die Haftung im Rahmen der alternativen Kausalität voraussetzt, dass jeder der potentiellen Schädiger ein Verhalten gesetzt hat, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit alle haftungsbegründenden Elemente enthält. Jeder der möglichen Täter muss konkret gefährlich, also in höchstem Maße adäquat für den Schadenseintritt gehandelt haben (RS0022721 [T2]). Derartige Behauptungen hat die Klägerin aber im Verfahren erster Instanz gar nicht aufgestellt.
3.6. Richtig ist, dass den Frachtführer hinsichtlich der Organisationsstruktur seines Unternehmens sowie der bei der konkreten Beförderung getroffenen Sicherungsmaßnahmen eine Darlegungsobliegenheit trifft ( ZehetbaueraaO Rz 17). Das Vorliegen einer Aufklärungsobliegenheit des Frachtführers gegenüber dem Geschädigten über die Umstände, die in seiner Sphäre liegen, wird von der Judikatur aus § 184 ZPO abgeleitet (7 Ob 186/10v). Welche konkreten Auskünfte die Klägerin von der Beklagten verlangt, aber nicht erhalten hat, führt die Berufung nicht aus. Zudem weist die Zweitnebenintervenientin zu Recht darauf hin, dass sich die Frage der Darlegungsobliegenheit (nur) im Zusammenhang mit dem vom Frachtführer zu vertretenden Verschuldensgrad stellt (vgl RS0062591). Da aber vorliegend nicht einmal feststeht, ob sich der Diebstahl im Obhutsbereich der Beklagten ereignete, kommt es darauf hier nicht an.
3.7. Inwieweit das Rechtsinstitut der Prozessstandschaft auf Basis des festgestellten Sachverhaltes „anerkanntermaßen zur Klagstattgebung führt“, ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar.
3.8. Das Erstgericht hat die Klagebegehren zu Recht bereits deshalb abgewiesen, weil nicht feststeht, ob sich der Diebstahl im Obhutsbereich der Beklagten ereignet hat. Ob die Klägerin überhaupt ein rechtliches Interesse an dem erhobenen Feststellungsbegehren hätte, kann dahingestellt bleiben.
Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
5.Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes folgt der unbedenklichen Bewertung durch die Klägerin. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war.