33R95/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien fasst als Rekursgericht *** in der Markenschutzsache der Antragstellerin *** gegen die Antragsgegnerin *** , wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 325841, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 13.2.2025, WM 10063/2024, in nicht öffentlicher Sitzung den
Spruch
Beschluss:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Im Widerspruchsverfahren stehen einander die folgenden Wortmarken gegenüber:
Die Antragstellerin brachte in ihrem Widerspruch vor, zwischen ihrer älteren Marke und der jüngeren Marke der Antragsgegnerin bestehe Verwechslungsgefahr und Warenidentität.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Die jüngere Marke unterscheide sich von der älteren durch zwei Buchstaben und insbesondere auch den Wortanfang, dem besondere Bedeutung zukomme. Es bestehe daher keine Ähnlichkeit in Klang und Schriftbild der beiden Marken.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der jüngeren Marke mit Wirksamkeit vom Zeitpunkt der Registrierung auf. Die Waren der beiden Marken seien quasi ident. Die Unterschiede zwischen den Zeichen beschränkten sich auf zwei Buchstaben, wobei die Verdoppelung des „v“ in der jüngeren Marke praktisch vernachlässigbar sei, weil sie phonetisch komplett untergehe. Der Unterschied zwischen den Vokalen „e“ und „i“ sei zwar erkennbar, aber nicht gravierend genug. Beide Marken leiteten sich von italienischen Vornamen her, was die Verwechslungsgefahr nicht minimiere. Bei deren Beurteilung komme es auf eine Verkehrsgeltung oder Bekanntheit der jüngeren Marke nicht an. Es sei daher von einer verwechslungsfähigen Ähnlichkeit der Zeichen auszugehen.
Dagegen richtet sich der vorliegende Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss im Sinne einer Abweisung des Widerspruchs abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Antragsstellerin stellt in ihrer Rekurs-beantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Allgemeine Grundsätze:
1.1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
1.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den die europäischen Gerichte in mehreren Entscheidungen konkretisiert haben (EuGH C-191/11 P, Yorma’s , Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool , Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T-One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 3 § 10 Rz 397 ff mwN).
Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH C-39/97, Cannon/Canon, Rz 17; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu ).
Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at ; Koppensteiner , Markenrecht 4 111 mwN).
1.3. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (EuGH C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d, More; RS0078944; C-342/97, Lloyd , Rn 26).
1.4.Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (RS0108039; RS0117324; RS0079571; 4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit;4 Ob 183/22y, ZARA HOME/AZRA HOME). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (RS0117324; RS0066753; EuGH C-120/04, Thomson life , Rn 28; EuGH C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts , Rn 21).
2. Zu den konkreten Zeichen:
2.1. Im Rekursverfahren ist nicht strittig, dass der Oberbegriff „Möbel“, für den die jüngere Marke registriert ist, sämtliche Waren der älteren Marke umfasst und insoweit Warenidentität vorliegt. Die Waren richten sich sowohl an Endverbraucher (Konsumenten) als auch an Unternehmer, insbesondere Groß- und Einzelhändler.
Um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, ist daher im Sinne der obigen Ausführungen ein deutlicher Abstand der Zeichen erforderlich. Ein solcher liegt auch nach Ansicht des Rekursgerichts nicht vor:
2.2. Der Durchschnittsbetrachter wird die Bedeutung der jüngere Marke in einer geringfügigen Abwandlung des (italienischen) Vornamens „Silvio“ sehen. Die von der Antragsgegnerin gewünschte Herleitung von „silva“, also dem lateinischen Wort für Wald, ist hingegen schon aufgrund der (maskulinen statt femininen) Endung und des zusätzlichen Vokals („i“) keineswegs naheliegend. Hinzu kommt, dass beim Durchschnittskonsumenten Kenntnisse toter Sprachen wie eben des Lateinischen nicht vorausgesetzt werden können, sofern der Begriff nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wurde oder sich in einem Fremd- oder Lehnwort wiederfindet (OLG Wien 133 R 37/19t, NIVEA/VIVEA ). Das ist bei „silva“ jedoch nicht der Fall.
Auch die ältere Marke kann als italienischer (Vor– oder Nach-) Name verstanden werden, sodass die Ähnlichkeit nicht durch die unterschiedliche Bedeutung der Zeichen aufgehoben wird (vgl OLG Wien 33 R 136/23x, FOSTER/NOSTER ).
2.3. Klanglich liegt ein Unterschied darin, dass der erste Vokal in der älteren Marke ein „e“, in der jüngeren hingegen ein „i“ ist. Allerdings besteht zwischen diesen beiden Vokalen – wie auch zwischen „a“ und „i“ – eine hohe klangliche Übereinstimmung (vgl OLG Wien 33 R 114/21h, E.LUB/ILUBE ; 33 R 127/24z Retaron/RetIron ). Diese könnte nur durch einen großen Warenabstand ausgeglichen werden, der hier jedoch - wie oben zu Punkt 2.1. dargelegt - gerade nicht vorliegt.
Die Verdoppelung des Konsonanten „v“ in der jüngeren Marke wiederum hat keinen maßgeblichen Einfluss auf die Aussprache und damit den Klang des Wortes (vgl OLG Wien 133 R 52/17w, SIX/sixx ).
Warum im Hinblick darauf die ältere Marke zweisilbig („Sel-vio“) und mit der Betonung auf der zweiten Silbe ausgesprochen werden soll, die jüngere Marke hingegen dreisilbig („Sil-vvi-o“) mit der Betonung auf der ersten Silbe, legt der Rekurs nicht näher dar. Genauso gut ließe sich nach diesen Regeln nämlich die ältere Marke in drei Silben („Sel-vi-o“) und die jüngere in zwei („Sil-vvio“) aussprechen.
Dass sich damit der einzige klangliche Unterschied am Wortanfang findet, spricht entgegen dem Rekursvorbringen nicht grundsätzlich gegegn die Verwechslungsgefahr (vgl OLG Wien 33 R 105/23p, FEVO/REVO) .
Auch in klanglicher Hinsicht besteht damit kein ausreichender Unterschied zwischen den beiden Zeichen.
2.4.Das optische Erscheinungsbild der beiden Marken differiert im Wesentlichen darin, dass die jüngere Marke ein zusätzliches „v“ enthält und damit aus sieben und nicht wie die ältere Marke nur aus sechs Buchstaben besteht. Das vermag jedoch für sich im Hinblick auf die Übereinstimmung in den anderen Kriterien die Verwechslungsgefahr nicht zu beseitigen (vgl 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis [2.1.]).
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei den hier relevanten Waren nicht um solche des täglichen Bedarfs handelt, sodass der Grad der Aufmerksamkeit der Konsumenten nicht besonders gering ist. Der Käufer wird die beiden Bezeichnungen nämlich selten nebeneinander sehen und damit nur einzelne Elemente der Zeichen – hier einen nahezu gleich klingenden italienischen Namen – im Gedächtnis behalten (vgl OLG Wien 34 R 5/14a, SPANNMAX/P.MAX ua ).
2.5. Soweit sich die Antragsgegnerin schließlich darauf stützt, die ältere Marke weise keinen Bekanntheitsgrad auf, so ist mit der Rechtsabteilung darauf hinzuweisen, dass es darauf in einem – wie hier – auf § 30 Abs 1 MSchG gestützten Widerspruchsverfahren nicht ankommt. Auf eine Ausnutzung einer bekannten Marke iSd Abs 2 der zitierten Bestimmung hat die Antragstellerin den Widerspruch nicht gegründet.
2.6.Auf den von ihr in erster Instanz erhobenen Nichtbenutzungseinwand kommt die Antragsgegnerin in ihrem Rekurs nicht zurück, weshalb sich ein Eingehen darauf im Hinblick auf die auch im Außerstreitverfahren geltende Bindung des Rekursgerichts an die Beschränkung der Rechtsmittelgründe (vgl RS0043317 ua) verbietet (vgl OLG Wien 33 R 135/24a, REVOPUR/RENOPUR ).
2.7. Zusammengefasst hat die Rechtsabteilung die Verwechslungsgefahr der Marken damit zutreffend bejaht. Der Rekurs musste daher erfolglos bleiben.
3. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war nach§ 59 Abs 2 AußStrG (iVm § 139 PatG und § 37 Abs 3 MSchG)auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt (vgl 4 Ob 66/18m ua).
4 .Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112739). Derordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG(iVm § 139 PatG und § 37 Abs 3 MSchG) ist daher nicht zuzulassen.