JudikaturOLG Wien

7Rs32/25i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende und die Richter Mag. Nigl und Mag. Zechmeister in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, **, vertreten durch Mag. B* ua, ebendort, wegen Wiederaufnahmsklage, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 14.2.2025, ** 17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend. Es genügt daher eine auf die wesentlichen Punkte beschränkte Begründung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a zweiter Satz, 526 Abs 3 ZPO).

Zusammenfassend ist Folgendes auszuführen:

1.) Im Verfahren C* des Arbeits- und Sozialgerichts Wien bekämpfte die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 15.06.2010, mit welchem der Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente aufgrund eines (anerkannten) Wegunfalls vom 3.3.2009 abgelehnt worden war.

Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17.01.2013 (ON 46) wurde ein Teil der vorgebrachten Unfallfolgen als unfallkausal festgestellt, die auf Feststellung der weiteren vorgebrachten Gesundheitsstörungen sowie die Gewährung einer Versehrtenrente gerichteten Klagebegehren wurden abgewiesen.

Der gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung der Klägerin wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 25.11.2013, 7 Rs 160/13w, keine Folge gegeben (ON 60; Zustellung an den Klagevertreter am 4.12.2013).

Die gegen diese Rechtsmittelentscheidung erhobene außerordentliche Revision der Klägerin wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 23.4.2014 zurück (ON 74). Die oberstgerichtliche Entscheidung wurde dem Klagevertreter und der Beklagten am 2.6.2014 zugestellt.

2.) Mit Klage vom 24.6.2015 zu D* des Arbeits- und Sozialgerichts Wien begehrte die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens C*. Die Klage wurde mit Beschluss vom 17.8.2017 zurückgewiesen (ON 46). Dem Rekurs der Klägerin wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29.1.2018, 7 Rs 82/17f, nicht Folge gegeben (ON 58). Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 17.4.2018 zurückgewiesen (ON 62).

3.) Mit der gegenständlichen, am 26.11.2024 beim Erstgericht eingebrachten Klage beantragt die Klägerin neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens C*. Sie stützt die Wiederaufnahme auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurück. Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass die gegenständliche Klage erst nach Ablauf der 10 jährigen Klagsfrist des § 530 Abs 3 ZPO eingebracht worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Außerdem stellt sie verschiedene Eventualanträge (Näheres dazu siehe S 9 der Rekursbeantwortung).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Vorweg ist festzuhalten, dass das Rekursverfahren zweiseitig ist, weil die Wiederaufnahmsklage nicht bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde (RS0125126 ua).

Die Rekurswerberin steht zusammengefasst auf dem Rechtsstandpunkt, dass ihre Wiederaufnahmsklage rechtzeitig eingebracht worden sei, weil die Frist des § 534 Abs 3 ZPO nicht abgelaufen sei. Die Klägerin beruft sich dabei insbesondere auf Art XLVI EGZPO. Sie führt dazu aus, dass diese Bestimmung analog auf Präklusivfristen anzuwenden sei. Vor diesem Hintergrund sei durch die Wiederaufnahmsklage vom 18.6.2015 die Frist gemäß § 534 Abs 23 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens mit Beschluss des OGH vom 17.4.2018 für zumindest 33 Monate und 30 Tage unterbrochen worden, sodass die Frist des § 534 Abs 3 ZPO frühestens am 1.4.2027 ende.

Dieser Rechtsstandpunkt der Klägerin ist unrichtig.

Wie bereits das Erstgericht zutreffend aufgezeigt hat, müssen Wiederaufnahmsklagen gemäß § 530 ZPO jedenfalls binnen 10 Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Vorentscheidung erhoben werden. Es handelt sich dabei um eine absolute Klagsfrist und eine prozessuale Präklusivfrist, die nicht erstreckbar ist (Näheres dazu G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPOON § 534 ZPO Rz 29 mwN [Stand 9.10.2023, rdb.at]). Sowohl die absolute Klagsfrist von zehn Jahren nach § 534 Abs 3 ZPO als auch die relative Klagsfrist von vier Wochen nach § 534 Abs 1 ZPO sollen die Angreifbarkeit bereits eingetretener Rechtskraft eingrenzen. Es sollen „Bestand und Wirksamkeit rechtskräftiger Urteile gesichert sein“ (Näheres dazu Jelinek in Fasching/Konecny 3IV/1 § 534 ZPO Rz 1 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien [Stand 1.9.2019, rdb.at]). Gegen die Versäumung der Frist des § 534 Abs 3 ZPO findet nach herrschender Auffassung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht statt ( Jelinek aaO Rz 44 mwN).

Der Wiederaufnahmskläger hat gemäß § 536 Z 3 ZPO darzutun, dass er die gesetzlichen Fristen eingehalten hat, und dafür Bescheinigungsmittel anzubieten ( A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 538 ZPO Rz 4; JelinekaaO Rz 46). Die Wiederaufnahmsklage ist im Vorprüfungsverfahren nicht erst bei erwiesener Verspätung, sondern schon mangels Glaubhaftmachung ihrer Rechtzeitigkeit zurückzuweisen, weil dem Gesetz die Vermutung der Rechtzeitigkeit eine Wiederaufnahmsklage fremd ist (RS0111662; RS0044613; A. Kodek aaO Rz 4).

Die Wiederaufnahmsklägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren weder dargetan, dass sie die absolute Klagsfrist des § 534 Abs 3 ZPO eingehalten hat, noch dafür Bescheinigungsmittel angeboten. Soweit die Wiederaufnahmsklägerin erstmals in ihrem Rekurs dazu Vorbringen erstattet, verstößt dieses gegen das im gegenständlichen Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot gemäß § 482 ZPO. Diese unzulässigen Neuerungen sind im Rekursverfahren nicht zu berücksichtigen.

Bereits aufgrund dieser Sach Rechtslage erfolgte die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage wegen Verspätung (bereits im Vorprüfungsverfahren) zu Recht.

Diese Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage wegen Verspätung kann sich darüber hinaus auch noch auf weitere Gründe stützen. Sogar wenn man im Sinne der Rekursausführungen davon ausginge, dass Art XLVI EGZPO auch hinsichtlich der absoluten Klagsfrist nach § 534 Abs 3 ZPO gilt, wäre für die Rekurswerberin nichts gewonnen.

Art XLVI EGZPO soll nämlich grundsätzlich die erfolgreiche Wiederaufnahme durch den vorerst mit Urteil abgewiesenen Kläger absichern ( Konecny in Fasching/Konecny 3II/1 Art XLVI EGZPO Rz 2 [Stand 1.9.2014, rdb.at]). Die von der Klägerin ins Treffen geführte Wiederaufnahmsklage vom 24.6.2015 zu D* des Arbeits und Sozialgerichts Wien war jedoch nicht erfolgreich, sondern wurde diese Klage rechtskräftig zurückgewiesen. Damit ist die im Art XLVI normierte fortgesetzte Unterbrechung der Verjährungsfrist (Näheres dazu siehe KonecnyaaO Rz 1) gemäß § 1497 ABGB als nicht eingetreten anzusehen (vgl Konecny aaO).

Auf die weitere Argumentation der Rekurswerberin unter Punkt 2.4. ihres Rechtsmittels, in der sie mit einer überlangen Verfahrensdauer in ihrem Schadenersatzprozess vor dem LG für ZRS Wien argumentiert, ist nicht näher einzugehen, weil die Klägerin auch hier gegen das im gegenständlichen Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass diese rechtliche Argumentation der Klägerin vom Rekursgericht nicht nachvollzogen werden kann.

Unter Punkt 2.5. des Rekurses vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das Erstgericht darin irre, dass das wiederaufzunehmende Verfahren C* des Arbeits und Sozialgerichts Wien mit dem in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 23.4.2014, 10 ObS 42/14w, rechtskräftig beendet worden sei. Richtigerweise sei dieses Verfahren jedoch erst mit dem im ersten Wiederaufnahmeverfahren vom Obersten Gerichtshof gefassten Beschluss vom 17.4.2018 rechtskräftig erledigt worden.

Diese Argumentation kann nicht nachvollzogen werden, weil die erste Wiederaufnahmsklage von der Klägerin erst nach rechtskräftiger Beendigung des wiederaufzunehmenden Verfahrens C* des Arbeits und Sozialgerichts Wien erhoben wurde. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden (siehe Seite 2 f des angefochtenen Beschlusses).

Dem Rekurs war demzufolge nicht Folge zu geben.

Für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG ergeben sich weder aus dem Vorbringen noch aus dem Akt Anhaltspunkte, weshalb die Klägerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen hat. Die Rekurswerberin hat zutreffend (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG) keine Kosten verzeichnet.

Die Bestätigung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses führt zur Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen, weswegen der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig ist (7 Ob 268/98g; 4 Ob 46/04b; 3 Ob 128/19y mwN uva). Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht für zulässig zu erklären, weil das Rekursgericht bei seiner Entscheidung von herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgegangen ist.

Gemäß § 11a Abs 2 Z 2 ASGG war die Entscheidung in einem Dreiersenat ohne Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zu fällen.