JudikaturOLG Wien

32Bs24/25a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A*über dessen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht bzw AZ * des Oberlandesgerichts Wien nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1) Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

2) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht bzw AZ * des Oberlandesgerichts Wien wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Zum besseren Verständnis ist zunächst auf den bisherigen Gang des Verfahrens einzugehen:

Soweit aus dem im gegenständlichen Akt (AZ *) erliegenden Aktenvermerk vom 5. Jänner 2024 (ON 1) ersichtlich wurde im Verfahren AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 23. November 2023 eine Eingabe (Beschwerde) des A* vom 12. September 2023, in der dieser Postunterschlagung monierte, der Leiterin des forensisch-therapeutischen Zentrums (FTZ) ** zur Erledigung im eigenen Zuständigkeitsbereich übermittelt.

Im Verfahren AZ * langte schließlich eine weitere (als Stellungnahme bezeichnete) Eingabe des A* vom 27. Dezember 2023 ein, in welcher dieser auf eine Mitteilung der Anstaltsleiterin vom 30. November 2023 Bezug nahm. Die für das Verfahren AZ * zuständige Richterin verfügte daraufhin am 5. Jänner 2024 (ON 1) die Anlegung eines neuen Aktes zu dieser Eingabe (und dessen Neuverteilung) mit der Begründung, dass es sich um einen anderen Beschwerdegegenstand handle.

In weiterer Folge wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien mit der Eingabe des A* vom 27. Dezember 2023 (ON 2) und dem oben angesprochenen Aktenvermerk das Verfahren AZ * angelegt (ON 1). Die Eingabe vom 27. Dezember 2023 (ON 2) wurde von A* unter Bezugnahme auf das Verfahren AZ * als „Schriftsatz zur Beschwerde vom 12. September 2023 bzw Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums Leitung ** vom 30. November 2023“ bezeichnet. Inhaltlich brachte der Genannte darin vor, weiterhin an seiner Klage vom 12. September 2023 festzuhalten und äußerte sich darüber hinaus inhaltlich zur Mitteilung der Anstaltsleiterin vom 30. November 2023.

Daraufhin ersuchte das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ * die Leiterin des FTZ ** um Erstattung eines Berichts nach § 121 Abs 2 StVG, wobei insbesondere ersucht wurde, abzuklären, ob die „Stellungnahme“ des A* als Beschwerde gegen die Mitteilung vom 30. November 2023 zu verstehen sei, und zu prüfen, ob dieser Mitteilung Bescheidqualität zukomme (ON 3).

Daraufhin berichtete die Anstaltsleiterin des FTZ ** am 30. Jänner 2024, dass über Nachfrage des Rechtsbüros, ob es sich beim gegenständlichen Schriftstück um eine Beschwerde gegen die Mitteilung gemäß § 122 StVG vom 30. November 2023 handle, festgehalten werden könne, dass dies vom Untergebrachten verneint worden sei. Das gegenständliche Schriftstück sei als „Klage aufgrund des Verstoßes gegen das Briefgeheimnis“ zu werten (ON 5).

Am 19. März 2024 erstattete die Anstaltsleiterin einen weiteren Bericht, in dem sie darüber hinaus ausführte, dass die Frage, ob der Mitteilung vom 30. November 2023 Bescheidqualität zukomme, zu verneinen sei. Es handle sich um eine aufsichtsbehördliche Erledigung im Sinne des § 122 StVG (ON 7).

Mit Note vom 2. April 2024 (ON 6) teilte das Landesgericht für Strafsachen Wien A* daraufhin mit, dass das Vollzugsgericht für eine „Klage aufgrund des Verstoßes gegen das Briefgeheimnis“ nicht zuständig und daher eine weitere Behandlung nicht möglich sei.

In einer dagegen erhobenen Beschwerde vom 8. April 2024 (ON 8) monierte A* zusammengefasst, dass nicht nachvollziehbar sei, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien für die Verletzung des Brief- und Postgeheimnisses durch die Anstaltsleitung nicht zuständig sein soll, und beantragte zudem umfassende Verfahrenshilfe.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2024, AZ * (ON 11), wies das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat den Antrag des Genannten auf Verfahrenshilfe zurück, gab der Beschwerde jedoch Folge und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Begründend führte der Vollzugssenat zusammengefasst aus, dass es - im Hinblick darauf, dass weder die Mitteilung der Anstaltsleiterin vom 30. November 2023 noch die dieser Mitteilung zugrunde liegende Eingabe des A* vom 12. September 2023 im Akt erliegen – nicht möglich sei, zu klären, ob es sich bei der Eingabe vom 27. Dezember 2023 (ON 2) nun tatsächlich um eine Beschwerde gegen die Erledigung der Anstaltsleiterin vom 30. November 2023 handle und ob dieser Bescheidqualität zukomme. Zur Ermittlung des objektiven Erklärungswerts der Eingabe werde das Erstgericht daher zunächst die entsprechenden Schriftstücke beizuschaffen haben.

Nach Beischaffung der erforderlichen Unterlagen wurde von dem für das Verfahren * zuständigen Richter am 11. September 2024 die Anlegung eines neues Aktes mit diesen Unterlagen verfügt und zeitgleich das Verfahren AZ * abgelegt, sodass es in letzterem zu keinen weiteren Verfahrensschritten mehr gekommen ist. Das neue Verfahren wurde zu * geführt.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 2024 (ON 16) beantragt A* nunmehr die „Wiederaufnahme iSd § 353 StPO“ des Verfahrens AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien sowie AZ * des Oberlandesgerichts Wien „wegen der offenkundigen Straftaten“. Weiters stellt der Genannte den Antrag auf umfassende Verfahrenshilfe für alle Rechtsschritte/-mittel einschließlich EuGH und EGMR sowie Beigabe eines fachlichen Verfahrenshelfers gemäß § 47 GRC, § 61 Abs 2, 4 StPO iVm Art 3, 5.1, 6c, 13 EMRK, „wobei das Landesgericht für Strafsachen Wien trotz schriftlichen Antrags ein wichtiges Beweismittel – Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG, Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums ** unterschlagen, anher zu mir als Kopie.“ Die Verfahrenshilfe ergebe sich auch aus ** Seite 48 der Maßnahmenstudie und den Beschlüssen des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien **-30 vom 30. April 2020 und des Landesgerichts Steyr **-1 vom 5. Dezember 2019 sowie Beschlüssen des OGH, des VwGH und weiteren. Bei Vorliegen der im § 61 Abs 2, 4 StPO normierten Voraussetzungen bestehe das Recht auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ( Pieber in WK 2StVG § 17 Rz 1), somit auch für die Führung einer Beschwerde. Als Beilage zu dieser Eingabe übermittelte A* zwei mit „Folge der Spur des Geldes“ und „Warum nur, warum?“ titulierte und von Mag. B* verfasste Schreiben, in welcher dieser sich – ohne jeglichen Bezug zum gegenständlichen Verfahren – zu seiner Meinung nach bestehenden Problemen insbesondere im Zusammenhang mit dem Maßnahmenvollzug äußert.

Rechtliche Beurteilung

Ad 1.): Verfahrenshilfe:

Verfahrenshilfe ist im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen, weil die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, sodass allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; Pieberin WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger, StVG 5§ 17 Rz 7). Mangels subsidiärer Wirkung der StPO kommt die Bestimmung des § 61 StPO somit nicht zur Anwendung .

Im vorliegenden Fall handelt es sich um keine unter Art 6 Abs 1 EMRK fallende Rechtssache, weil weder ein Verfahren über eine strafrechtliche Anklage, noch über eine Streitigkeit wegen „civil rights“ iSd Art 6 EMRK vorliegt. Auch aus Art 3 und 5 EMRK kann kein Anspruch auf Verfahrenshilfe abgeleitet werden.

Auch aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Erlass ** (Titel: Arbeitsgruppe Massnahmenvollzug, Bericht an den Bundesminister für Justiz über die erzielten Ergebnisse) lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen, zumal dort lediglich die Empfehlung ausgesprochen wird, dass bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 2 StGB im Entlassungsverfahrendas Erfordernis der notwendigen Verteidigung (iSd § 61 StPO) ab dem Zeitpunkt des urteilsmäßigen Strafendes, bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 1 StGB ab einer Unterbringung von drei Jahren, bestehen soll (vgl S 76 des angesprochenen Berichts). Soweit der Beschwerdeführer auf S 48 dieser Studie verweist, ist daraus nichts für seinen Standpunkt zu gewinnen, weil dort die Qualität der Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose in den Verfahren zur Unterbringung und zur bedingten Entlassung abgehandelt wird. Soweit S 49 dieser Studie gemeint sein soll, wonach der EGMR die Pflicht der Mitgliedsstaaten annehme, für psychisch kranke Menschen im Maßnahmenvollzug eine anwaltliche Vertretung bereitzustellen, übergeht A*, dass sich die dazu zitierte Rechtsprechung des EGMR Megyeri vs. Germany , 12/05/1992 (13770/88) und Magalhaes Pereira vs. Portugal , 26/02/2002 (44872/98) und Literatur ( Nowak/Krisper , Der österreichische Maßnahmenvollzug und das Recht auf persönliche Freiheit, EuGRZ 2013, 650 ff insb 661) auf Verfahren zur Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung der Haft bzw Entlassungsverfahren beziehen. Ein solches Verfahren liegt fallkonkret aber nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Art 47 GRC ins Treffen führt, ist vorauszuschicken, dass dieser Bestimmung zufolge Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. Die GRC gilt gemäß ihrem Art 51 Abs 1 erster Satz für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe fällt, wenn kein Zusammenhang mit der Umsetzung, Auslegung oder Vollziehung von Unionsrecht besteht, nicht in den Anwendungsbereich der GRC ( Holoubek/Oswald , GRC-Kommentar² Art 51 Rz 23).

Die vom Beschwerdeführer für seine Rechtsansicht weiters ins Treffen geführte Stelle im WK² StVG § 17 Rz 1 bezieht sich auf das Verfahren des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 2 StVG; im (fallkonkret vorliegenden) Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3 und 16a StVG gilt die StPO hingegen – wie bereits ausgeführt - nicht (vgl Pieberin WK² StVG § 17 Rz 1 und 19).

Auch die – ohne Konkretisierung ihres Inhaltes – von A* zitierten Entscheidungen, welche schon aufgrund der Geschäftszahlen erkennbar einerseits in Justizverwaltungsangelegenheiten (**-30 des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien), andererseits im Verfahren über eine bedingte Entlassung (**-1 des Landesgerichts Steyr) ergangen sein sollen, sind schon im Hinblick darauf, dass sich diese nicht auf das vollzugsgerichtliche Verfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG beziehen, ebensowenig geeignet die Rechtsansicht des Antragstellers zu stützen wie der allgemeine Verweis auf die Judikatur des OGH und des VwGH.

Aus diesen Gründen war der Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzuweisen.

Ad 2.): Wiederaufnahme

Wie bereits im Zusammenhang mit der Verfahrenshilfe ausgeführt, entfaltet die StPO im Verfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung.

Die Beurteilung einer möglichen Wiederaufnahme des Verfahrens richtet sich daher nach § 69 AVG, der aufgrund der Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß zur Anwendung kommt.

Demnach ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Nur wenn eine Tatbestandsvoraussetzung des § 69 Abs 1 AVG erfüllt ist, darf die seinerzeitige Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren neu aufgerollt werden.

Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der Antrag des A*, der jegliches Vorbringen zu den möglichen Gründen einer Wiederaufnahme ebenso vermissen lässt wie ein solches zu dessen Bezugspunkt, als nicht berechtigt. In Ermangelung jeglicher inhaltlicher Ausführungen (mit Ausnahme jener zur Verfahrenshilfe) ist nicht einmal erkennbar, auf welchen Verfahrensgegenstand sich dieser Antrag bezieht, sodass im Hinblick auf die explizite Bezugnahme (ausschließlich) auf das Verfahren AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien bzw AZ * des Oberlandesgerichts Wien und in Ermangelung anderer Anhaltspunkte auch ein Zusammenhang zu einem anderen Verfahren – insbesondere zu dem als Folgeverfahren zu AZ * geführten Verfahren AZ * des Landesgerichts für Strafsachen Wien – nicht hergestellt werden kann.

In Ermangelung eines für die Wiederaufnahme eines Verfahrens ausreichenden Tatsachensubstrats war der Antrag daher abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.