6R121/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Pscheidl und MMag. Klaus in der Rechtssache der Antragstellerin Österreichische Gesundheitskasse , **, gegen den Antragsgegner A* , geboren am **, **, wegen Insolvenzeröffnung, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 24.2.2025, **-8, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben .
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Mit einem am 2.1.2025 eingebrachten Antrag begehrte die Österreichische Gesundheitskasse ( Antragstellerin ) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A* ( Schuldner, Antragsgegner ). Dieser schulde laut Rückstandsausweis vom selben Tag offene und fällige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 8.681,07 für den Zeitraum von Mai bis August 2024. Der Antragsgegner sei zahlungsunfähig. Auf die beim Bezirksgericht Neusiedl am See geführten Exekutionen zu ** und ** werde verwiesen.
Erhebungen des Erstgerichtes (vgl ON 3) durch eine Abfrage im Verfahrensregister ergaben neben den von der Antragstellerin genannten Exekutionen weitere fünf aktuelle Exekutionsverfahren aus den Jahren 2023 und 2024.
Die Abfrage im Pfändungsregister wies das Verfahren ** aus. Den Vollzugsberichten zu diesem Verfahren ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner im Zeitraum 23.9.2024 bis 19.12.2024 mehrere Teilzahlungen leistete.
Registerabfragen wegen ergebnisloser Vollzugsversuche, in der Liste der Vermögensverzeichnisse, im Firmenbuch und im Grundbuch verliefen negativ.
Die Abfrage im Gewerbeinformationssystem Austria ergab aufrechte Gewerbeberechtigungen für das „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementieren Handelsgewerbe und Handelsagent“, für die „Montage von Solar- und Photovoltaikmodulen ohne Anschlussarbeiten“ sowie für „Kanalräumung“.
Mit Beschluss vom 3.1.2025 gab das Erstgericht bekannt, das Insolvenzeröffnungsverfahren werde gemäß § 70 Abs 2 IO schriftlich abgeführt. Der Antragsgegner habe nunmehr die Möglichkeit, die bescheinigte Zahlungsunfähigkeit zu entkräften. Es forderte den Antragsgegner zur Beantwortung eines Fragenkatalogs und zur Urkundenvorlage auf, insbesondere zur Vorlage des ausgefüllten und unterfertigten Vermögensverzeichnisses sowie von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Saldenlisten der letzten drei Jahre.
Eine Reaktion erfolgte darauf nicht.
Über Ersuchen des Erstgerichtes teilte die Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse mit, dass der Antragsgegner bei ihr nicht aufscheine. Die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen gab am 15.1.2025 bekannt, dass ein Zahlungsrückstand von EUR 463,88 bestehe, der mit einer Zahlungsvereinbarung geregelt sei.
Am 11.2.2025 gab die Antragstellerin bekannt, dass der Antragsgegner eine Teilzahlung über EUR 2.234,- geleistet habe und der Rückstand nunmehr EUR 6.511,59 betrage.
Mit Beschlüssen vom 5.2.2025 forderte das Erstgericht die Antragstellerin (ON 6) und den Schuldner (ON 7) auf, binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- zur Deckung der voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens zu erlegen, widrigenfalls der Insolvenzeröffnungsantrag mangels kostendeckendem Vermögen abgewiesen werde.
Es wurde kein Kostenvorschuss erlegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fest und erklärte, das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht zu eröffnen. Es wies den Insolvenzeröffnungsantrag daher ab.
Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass gegen den Schuldner mehrere ergebnislose Exekutionsverfahren anhängig seien. Da Beiträge der Antragstellerin bereits seit Mai 2024 aushaften, sei die Zahlungsunfähigkeit ausreichend indiziert. Der Schuldner habe weder ein Vermögensverzeichnis noch einen Zahlungsplan vorgelegt und daher nicht bescheinigt, dass seine Einkünfte die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken würden. Da der Schuldner über kein kostendeckendes Vermögen verfüge, sei der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens abzuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, diesen aufzuheben und nach Erlag eines Kostenvorschusses durch ihn im Sinne des Antrags der ÖGK den Konkurs zu eröffnen.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt .
1.Der Beschluss über die Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags mangels kostendeckenden Vermögens ist gemäß § 71b Abs 1 IO durch Aufnahme in die Insolvenzdatei öffentlich bekannt zu machen. Die Berechnung der 14-tägigen Rechtsmittelfrist (§ 260 IO) beginnt gemäß § 252 IO iVm § 125 ZPO am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung. Der Tag nach der Bekanntmachung ist der erste Tag der Rechtsmittelfrist (RS0065237 [T27]).
Der angefochtene Beschluss wurde in der Insolvenzdatei am 24.2.2025 bekanntgemacht. Der am 10.3.2025 bei der Post aufgegebene Rekurs ist daher rechtzeitig.
2. Der Rekurswerber macht geltend, dass er erstmals mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom Verfahren Kenntnis erlangt habe und sich deshalb am Verfahren nicht beteiligt habe. Hätte er rechtzeitig vom Verfahren Kenntnis erlangt, so hätte er einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- erlegt. Er gestehe seine Zahlungsunfähigkeit zu. Er habe bereits einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung stellen wollen. Entgegen der Annahme des Erstgerichtes sei kostendeckendes Vermögen vorhanden bzw könne er jederzeit einen Kostenvorschuss erlegen. Mit dem Rekurs legte der Antragsgegner ein Vermögensverzeichnis, eine Gläubigerliste und Saldenlisten vor.
3.Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass er bis zum angefochtenen Beschluss nicht gehört worden sei, ist er darauf zu verweisen, dass der Beschluss vom 3.1.2025, mit dem unter anderem die Aufforderung erging, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, am 7.1.2025 gemäß § 35 ZustG elektronisch zugestellt wurde. Die elektronischen Verständigungen erfolgten am 3.1.2025 und 5.1.2025 an die Verständigungsadresse ** (ON 3). Die elektronische Zustellung des Beschlusses vom 5.2.2025 schlug fehl, weil die elektronischen Verständigungen an die obige Verständigungsadresse nicht zustellbar waren (ON 7).
Ob dieser Umstand einen Verfahrensmangel begründet, kann aber dahinstehen, weil der angefochtene Beschluss jedenfalls aus anderen Gründen aufzuheben ist.
4.Jede Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrages mangels kostendeckenden Vermögens setzt voraus, dass die Eröffnungsvoraussetzungen des § 70 IO bescheinigt sind.
5.Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528).
5.1. Die Antragstellerin hat durch die Vorlage des vollstreckbaren Rückstandsausweises sowohl den Bestand ihrer Forderung als auch auf Grund der Dauer des Rückstandes die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners ausreichend bescheinigt. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen um Betriebsführungskosten handelt. Sie werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr, IO 11 § 70 E 70, E 74).
5.2. Das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit wird vom Rekurswerber auch nicht in Zweifel gezogen.
6.Die weitere Konkursvoraussetzung des § 71 IO, das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen, ist von Amts wegen zu prüfen. Solches liegt nach § 71 Abs 2 IO vor, wenn das Vermögen des Schuldners zumindest ausreicht, um die im Gerichtshofverfahren üblicherweise mit EUR 4.000,- veranschlagten Anlaufkosten des Verfahrens bis zur Berichtstagsatzung zu decken. Dieses Vermögen muss weder sofort noch ohne Aufwand verwertbar sein; dabei sind auch Anfechtungsansprüche zu berücksichtigen.
6.1.Eine wesentliche Grundlage für die Erhebungen zum kostendeckenden Vermögen bildet das vom Schuldner zu unterfertigende Vermögensverzeichnis, zu dessen Vorlage er nach den §§ 71 Abs 4, 100, 100a und 101 IO vom Gericht anzuhalten ist.
6.2.Vor Fassung des angefochtenen Beschlusses wurde ein Vermögensverzeichnis des Antragsgegners nicht eingeholt. Angesichts der vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Sanktionsmöglichkeiten (§§ 100, 101 IO) kann zur Erfüllung der amtswegigen Erhebungspflicht mit der Übermittlung des Formulars an den Antragsgegner samt der Aufforderung, dieses binnen drei Wochen ausgefüllt vorzulegen, nicht das Auslangen gefunden werden.
Das Erstgericht wäre daher nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates befugt und verpflichtet gewesen, nach einmaligem Nichterscheinen des Antragsgegners trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einer Einvernahmetagsatzung dessen zwangsweise Vorführung anzuordnen (§ 101 IO; OLG Wien 6 R 331/24a; vgl Mohr, IO 11 § 71 E 48 ff).
6.3.Das Unterbleiben der Ladung sowie eines allfälligen Vorführversuchs begründen einen Verfahrensmangel, der, weil er gegen zwingende Verfahrensvorschriften der IO verstößt, auch wenn dies im Rekurs nicht geltend gemacht wird, von Amts wegen wahrgenommen werden muss ( Mohr, IO 11 § 71 E 75).
7. Im nunmehr mit Rekurs vorgelegten Vermögensverzeichnis führt der Antragsgegner unter anderem Barvermögen von EUR 6.000 an. Auch die vom Antragsgegner laut Vollzugsberichten (vgl ON 3) getätigten Zahlungen im Zeitraum 23.9.2024 bis 19.12.2024 weisen auf das Vorliegen von kostendeckendem Vermögen hin.
8. In Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluss daher aufzuheben. Das Erstgericht wird das Insolvenzeröffnungsverfahren fortzusetzen und das Vorliegen von kostendeckendem Vermögen neuerlich zu beurteilen haben. Im Zweifel wird von dessen Vorliegen auszugehen und der Konkurs unverzüglich zu eröffnen sein.
9.Im übrigen wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass dem Antragsgegner auch die Möglichkeit einer Antragstellung nach den §§ 183 ff IO offen steht. § 183 IO sieht für natürliche Personen eine Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip vor. Danach ist ein Insolvenzantrag trotz Fehlens eines zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens dann nicht abzuweisen, wenn der Schuldner ein genaues Vermögensverzeichnis und einen Zahlungsplan vorlegt, dessen Annahme beantragt und die Erfüllung bescheinigt, und wenn er weiters glaubhaft macht, dass seine Einkünfte die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken werden. Dies gilt auch in einem auf Gläubigerantrag eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahren (RS0117184).
10. Im weiteren Verfahren wird das Erstgericht im Hinblick auf den Zustellmangel bezüglich des Beschlusses vom 5.2.2025 (vgl ON 7) auch zu prüfen haben, ob dem Antragsgegner elektronisch zugestellt werden kann.