30Bs53/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richt-erinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. Februar 2025, GZ ** 18, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Strafantrag vom 20. November 2024 (ON 9) legt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt A* das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (A./ siehe zur stillschweigenden Subsidiarität zu C./ RIS-Justiz RS0120530), das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (B./ siehe zur Nichterfüllung der Annahme einer widerrechtlichen Erlangung bei Fund RIS-Justiz RS0093818) und das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB (C./) zur Last.
Demnach habe er in **
A./ am 11. August 2024 sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen darf, nämlich die Bankomatkarte des B*, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem er die von B* verlorene Bankomatkarte auffand und für sich zur eigenen Verwendung bei Bezahlvorgängen behielt;
B) fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. am 11. August 2024 Verfügungsberechtigten der „C*“ Zigaretten im Wert von 6,50 Euro;
2. am 12. August 2024 Verfügungsberechtigten der Fa. „D*“ Getränke im Wert von 2,50 Euro;
3. am 16. August 2024 Verfügungsberechtigen der „E*“ Zigaretten im Wert von 7 Euro;
4. am 19. August 2024 Verfügungsberechtigten des „**“ noch festzustellende Lebensmittel im Wert von 10,90 Euro;
wobei er den Diebstahl beging, indem er zur Ausführung der Tat jeweils eine Sperrvorrichtung, nämlich den Ausgabemechanismus des jeweiligen Automaten, mit der zu A./ genannten Bankomatkarte, mithin einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, öffnete;
C./ am 17. August 2024 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Fa F* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorspiegelung seiner Verfügungsberechtigung über die zur Zahlung verwendete unter Pkt A./ beschriebene Bankomatkarte des B*, zur Ausfolgung von Waren im Wert von 36,36 Euro, sohin zu einer Handlung, verleitet, die „Nachgenannte“ am Vermögen schädigte, wobei er den Betrug beging, indem er zur Täuschung ein entfremdetes unbares Zahlungsmittel benützte.
Anlässlich der am 11. Dezember 2024 durchgeführten Hauptverhandlung, im Zuge derer der Sachverhalt hinreichend geklärt werden konnte, bot die Erstrichterin dem reumütig geständigen Angeklagten ein diversionelles Vorgehen an (Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren, Leistung von 150 Euro Pauschalkosten und Schadenswiedergutmachung in Höhe von 63,26 Euro binnen sechs Monaten an B*). Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Der Angeklagte erteilte seine Zustimmung (ON 12.2, 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht nach Leistung des aufgetragenen Kostenbeitrags in Höhe von 150 Euro (ON 17)das Strafverfahren gegen A* gemäß § 203 Abs 1 StPO iVm § 199 StPO für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 19), in der unter Hinweis auf das näher ausgeführte „mehrfach getrübte Vorleben“ des Angeklagten, die Begehung mehrerer Vergehen sowie aus spezial und generalpräventiven Gründen das Erfordernis einer Bestrafung behauptet wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Wie vom Erstgericht zutreffend erkannt, liegen die in § 198 Abs 1 StPO normierten Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung vor.
Bei der Bewertung des Grads der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) als „schwer“ ist nach Lage des konkreten Falls eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen. Bei der wie gegenständlich vom Gesetzgeber mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des Unrechts und Schuldgehalts der angelasteten Delikte bedarf es für die Annahme schwerer Schuld eines Unwerts der Tat, der als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist ( Schroll/Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO § 198 Rz 28 ff; RISJustiz RS0116021). Mit Blick auf die Art und Weise der Erlangung der Bankomatkarte und den geringen Gesamtschaden ist im Vergleich zu typischen Fällen ein erhöhter Handlungs-, Gesinnungs- und/oder Erfolgsunwert nicht begründbar.
Eine Bestrafung des Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung reumütig geständig verantwortete, seine Bereitschaft zur Schadensgutmachung bekundete und sich bei dem Opfer entschuldigte (ON 12.2, 4 f), ist – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - auch aus spezial oder generalpräventiven Gründen nicht geboten.
In Ermangelung des Vorliegens eines gesetzlichen Schuldnachweises (Art 6 Abs 2 EMRK) ist die von der Beschwerdeführerin reklamierte Berücksichtigung vorangegangener diversioneller Erledigungen zum Nachteil des Angeklagten ebenso unzulässig (RISJustiz RS0130150) wie ein (bereits zehn Jahre zurückliegendes) Vorgehen nach § 6 Abs 1 JGG. Mag die gewählte diversionelle Vorgehensweise auch die am wenigsten eingriffsintensivste sein, wird die für den Angeklagten durch Zahlung des Kostenbeitrags durchaus spürbare staatliche Reaktion auch generalpräventiven Belangen hinreichend gerecht (RISJustiz RS0123346).
Da der angefochtene Beschluss somit der Sach und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.