JudikaturOLG Wien

18Bs84/25x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Immaterieller Schaden
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. September 2024, GZ **-33.2, nach der am 24. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer, als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Vertreterin der Oberstaatsanwaltschaft Staatsanwältin MMag. Linzner, des Vertreters der Privatbeteiligten Mag. B*, in Abwesenheit des Angeklagten A*, jedoch in Anwesenheit seiner Verteidigerin Mag. Judith Gingerl durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene irakische Staatsangehörige A* des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren sowie gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 5.000,-- Euro binnen 14 Tagen an die Privatbeteiligte C* verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er C* in **

I./ Ende Mai 2023 durch gefährliche Drohung zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr androhte, er werde Fotos, die deren heimliche Beziehung belegen und sie ohne Kopftuch sowie nur teilweise bekleidet zeigen, ihrer Familie schicken, wenn sie sich nicht von ihm anfassen lassen werde (gemeint: sexuelle Handlungen an ihr vornehmen lasse) und sie sodann am ganzen Körper unterhalb der Kleidung berührte, sie auszog, sich nackt auf sie legte und seinen Penis an ihrer Vagina bis zum Samenerguss rieb;

II./ am 30. Mai 2023 gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihr sagte: „Wieso kommst du so spät nach Hause? Ich werde dich jetzt töten!“ und dies durch drei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht bekräftigte;

III./ am 31. Mai 2023 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Beinen festhielt und sie vaginal penetrierte.

Bei der Strafbemessung wertete das Kollegialgericht den bisher ordentliche Wandel als mildernd, hingegen das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen und die Tatbegehung zu Punkt III./ aus besonders verwerflichen Beweggründen, nämlich in der Absicht, das Opfer zu deflorieren (im gemeinsamen Kulturkreis von Opfer und Angeklagten bei außerehelichem Beischlaf mit besonderer Schande verbunden), als erschwerend.

Nach Zurückweisung der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 4. März 2025, GZ **-4, ist nunmehr über dessen rechtzeitig angemeldete (ON 34), zu ON 43 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsparameter vollständig aufgelistet und auch tat- und schuldangemessen gewichtet.

Dem Angeklagten, der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf drei Jahre und deren teilbedingte Strafnachsicht anstrebt, gelingt es nicht, weitere für ihn günstige Strafbemessungsgründe zur Darstellung zu bringen.

Wenn er kritisiert, dass das Erstgericht die Tatbegehung zu Punkt III./ aus besonders verwerflichen Beweggründen, nämlich in der Absicht, das Opfer zu deflorieren, was im gemeinsamen Kulturkreis von Opfer und Angeklagten bei außerehelichem Beischlaf mit besonderer Schande verbunden ist, als erschwerend gewertet hat, ist ihm zu entgegnen, dass Fälle wie der gegenständliche von § 33 Abs 1 Z 5 StGB umfasst sind. Besonders verwerflich sind Beweggründe, die nach dem Empfinden eines rechts-treuen Menschen besonders verachtenswert sind und dessen Abscheu hervorrufen (RIS-Justiz RS0091823). Fallbezogen kam es dem Angeklagten darauf an, die Privatbeteiligte zu entjungfern und dadurch in ihrem Kulturkreis zu entehren (US 7), und er erklärte ihr nach der Tatbegehung, dass sie nun keine Jungfrau mehr sei und ihn heiraten müsse (US 6). Das Erstgericht ging auch aufgrund der vorliegenden Chat-Nachrichten (ON 19.2, Seiten 2 und 6) davon aus, dass der Angeklagte die Entjungferung als Mittel sieht, die Privatbeteiligte für sich zu behalten (US 8 f).

Da der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 6 StGB nicht angenommen wurde, erübrigt sich ein Eingehen auf das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers (ON 43.2, 7).

Ausgehend von der zutreffend erfassten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von zwei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht mit der Hälfte der Strafobergrenze ausgemessene Sanktion durchaus dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten sowie generalpräventiven Erwägungen (RIS-Justiz RS0090600) gerecht werdend und ist daher einer Herabsetzung nicht zugänglich.

Die Anwendung des § 43a Abs 3 bzw Abs 4 StGB scheitert schon an der Strafhöhe.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche, mit der eine Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg angestrebt wird, ist nicht berechtigt. Zum Ausgleich des erlittenen, mit einem sexuellen Übergriff notwendig verbundenen immateriellen Schadens steht der Privatbeteiligten ein Ersatzanspruch nach § 1328 ABGB zu, bei dessen – global vorzunehmender – Bemessung im Sinne des § 273 ZPO auf eine Schätzung zurückgegriffen werden kann (RIS-Justiz RS0031614, RS0111431). Für einen auf § 1328 ABGB gestützten Zuspruch von immateriellem Schadenersatz bedarf es daher nicht der Feststellung von behandlungsbedürftigen Krankheiten, erlittenen Schmerzen oder Schmerzperioden oder gar der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen. Zieht man als Richtmaß für die Höhe der danach zu leistenden Entschädigung den schon in Fällen (bloßer) sexueller Belästigung gemäß § 38 Abs 2 Gleichbehandlungsgesetz gebührenden Mindestschadenersatz von 1.000,-- Euro heran, erweist sich der zugesprochene Ersatzbetrag von 5.000,-- Euro in Anbetracht von zwei ausgeführten sexuellen Übergriffen als angemessen und keineswegs überhöht.

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.