3R52/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterin MMag. a Pichler und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, Schlosser, **, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen (zuletzt) EUR 39.612,62 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 11.03.2025, **-16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.674,82 (darin EUR 612,47 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat und über keine österreichische Glücksspiellizenz verfügt, hat auf der Website ** Online-Glücksspiele angeboten. Der Kläger hat beim Spiel auf dieser Website zwischen dem 28.07.2021 und dem 29.05.2024 EUR 39.612,62 verloren.
Der Klägerbegehrt die Rückzahlung seiner Verluste samt 4% Zinsen seit dem der letzten Einzahlung folgenden Tag und bringt zusammengefasst vor, die Beklagte biete Online-Glücksspiele an und habe dafür keine Lizenz nach dem GSpG, weshalb der Kläger seine Spielverluste zurückfordern könne. Das österreichische Glückspielmonopol verstoße nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht gegen das Unionsrecht und die Dienstleistungsfreiheit.
Die Beklagtebeantragt Klagsabweisung. Sie verfüge über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority und sei daher aufgrund der Dienstleistungsfreiheit berechtigt, Glücksspiele im Internet anzubieten. Es sei maltesisches Recht anzuwenden, nach dem das angebotene Glücksspiel zulässig sei. Selbst wenn man unrichtigerweise davon ausginge dass österreichisches Sachrecht anwendbar wäre, bestünde der Anspruch nicht zu Recht, weil das GSpG – aus umfangreich dargestellten Gründen – gegen das Unionsrecht verstoße.
Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es stellte den auf den Urteilsseiten 2 und 3 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Rechtlich erwog es zusammengefasst, die Tätigkeit der Beklagten verstoße gegen die Regelungen des GSpG, das vom Kläger durchgeführte Online-Glücksspiel sei damit ein verbotenes Spiel iSd § 1174 Abs 2 ABGB, das eingesetzte und verlorene Geld könne daher herausverlangt werden. Das Glücksspielmonopol verstoße nicht gegen das Unionsrecht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsabweisung gerichteten Änderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Mängelrüge
1.1. Die Berufungswerberin erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen des österreichischen Monopolisten nicht eingeholt hat (Beweisantrag: Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Marketing und Werbung bzw Werbepsychologie sowie Marktforschung; vgl S 40 in ON 10). Durch diese(s) Gutachten hätte sie unter Beweis stellen können, dass die Werbung des Monopolisten augenscheinlich nicht darauf abziele, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, sondern vielmehr das Ziel verfolge, immer mehr aktive Spieler zu gewinnen und insbesondere auch jene Personen zur Spielteilnahme anzuregen, die bis dato nicht ohne Weiteres bereit gewesen seien zu spielen.
1.2.Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln sind. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (RS0043304).
2. Rechtsrüge
2.1. In ihrer Rechtsrüge beruft sich die Beklagte auf die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und darauf, dass das Kohärenzgebot nicht beachtet worden sei. Als sekundären Feststellungsmangel rügt sie, dass das Erstgericht zu den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols sowie zur Einhaltung der vom EuGH entwickelten Kohärenzkriterien durch den österreichischen Monopolisten keine Feststellungen getroffen hat, obwohl die Beklagte diesbezüglich umfangreiches Vorbringen erstattet und Beweise vorgelegt habe. Das Erstgericht habe auch keine Feststellungen in Bezug auf das österreichische Glücksspielmonopol und dessen Auswirkungen getroffen, insbesondere auch nicht zum Markt- und Werbeverhalten des österreichischen Monopolisten.
2.2.Richtig ist, dass die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen ist. Könnten aber bei Regelungen, bei denen sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so trifft diejenige Partei, die eine Unionsrechtswidrigkeit behauptet, auch eine entsprechende Behauptungslast (vgl RS0129945).
2.3.Seit dem Jahr 2016 geht der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl RS0130636 [T7]; sowie zB 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p; 7 Ob 163/21b; 1 Ob 174/21a). Der Oberste Gerichtshof hat auch in seinen jüngeren Entscheidungen (ua zB 7 Ob 16/25s zum Zeitraum August 2022 bis April 2023; 2 Ob 194/24d Juli bis Dezember 2023; 7 Ob 198/23b Mai 2020 bis September 2022; 5 Ob 13/24h Mai 2019 bis März 2022; 1 Ob 46/24g Februar 2020 bis August 2023 je mwN) an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten.
2.4.In seiner Entscheidung 1 Ob 25/23t hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass selbst die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den VfGH (G 259/2022) an dieser Beurteilung nichts ändere. Dass der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht habe bedeute noch nicht, dass dieses Anliegen im Glücksspielrecht als Ganzes nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken könne nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liege bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor. Entgegen der Darstellung der (dortigen) Revisionswerberin ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus , auch kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes) zu berufen.
2.5. Entgegen den Berufungsausführungen ändert auch das Vorbringen, die Beklagte habe im klagsgegenständlichen Spielzeitraum in Österreich kein Glücksspiel beworben, nichts an dieser Beurteilung. Es ist zwar richtig, dass das Landesgericht St. Pölten in der in der Berufung zitierten Entscheidung 21 R 201/24b ausführte, es sei kein Tatsachenvorbringen dazu erstattet worden, wie sich das Werbeverhalten des jeweils beklagten Glücksspielanbieters darstelle; ohne eine solche zweiseitige Betrachtung wären isolierte Feststellungen zum Werbeverhalten des Monopolisten nicht geeignet, Rückschlüsse auf eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit zu ziehen. Der Oberste Gerichtshof hat aber in zahlreichen Entscheidungen (auch) zum hier gegenständlichen Spielzeitraum (siehe Punkt 2.3.) dargelegt, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmender Konzessionäre im relevanten Zeitraum nicht gegen Unionsrecht verstoße. Zudem hat bereits das Erstgericht richtig auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2016 verwiesen, bei denen insbesondere das Werbeverhalten der Konzessionäre zu beurteilen war. Der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes lagen dort nahezu jene Feststellungen zum Werbeverhalten zu Grunde, die von der Berufungswerberin nun vermisst werden (insbesondere Berufung S 13; vgl 4 Ob 31/16m Beschluss vom 30.03.2016: „ Die Werbung diente nicht ausschließlich dazu, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, sondern verfolgte den Zweck, insbesondere jene Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bis dato nicht ohne weiteres bereit waren zu spielen“). Dem Erstgericht ist auch dahingehend beizupflichten, dass der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung C-920/19 (Fluctus/Fluentum) darauf hingewiesen hat, dass Art. 56 AEUV einem dualen System der Organisation des Glücksspielmarkts nicht allein deshalb entgegensteht, weil die Werbepraktiken des Monopolisten für Lotterien und Spielbanken darauf abzielen, zu aktiver Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost wird, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (Rz 53; vgl auch 3 Ob 200/21i [Rz 5]; 1 Ob 135/21s [Rz 7]; 3 Ob 106/21s [Rz 10]). Es mag zwar sein, dass die Konzessionsinhaber – anders als im Jahr 2015/16 – nun auch in den sozialen Netzwerken werben. Durch die Berufungswerberin wird aber kein substantiell anderes Werbeverhalten der Konzessionsinhaber aufgezeigt als jenes, das der Oberste Gerichtshof bereits zu beurteilen hatte.
2.6.Neue, in den zitierten Entscheidungen nicht bereits behandelte Aspekte oder relevante Änderungen des Sachverhalts hat die Beklagte somit nicht aufgezeigt, weshalb weder die (auch in der Mängelrüge relevierten) sekundären Feststellungsmängel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliegen und auf die zitierten Entscheidungen verwiesen werden kann. Die im Berufungsverfahren wiederholte Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die relevanten Prüfungskriterien vom EuGH bereits ausreichend festgelegt wurden und zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (vgl zB 1 Ob 78/24p).
2.7.Zuletzt wendet sich die Berufungswerberin gegen den Zinsenzuspruch des Erstgerichts. Voraussetzung für den Beginn des Zinsenlaufes sei die Fälligstellung der Forderung, was erst mit der Zustellung der Klage erfolgt sei. Dabei verkennt die Berufungswerberin jedoch, dass der Bereicherungsschuldner nach ständiger Rechtsprechung die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben hat (4 Ob 46/13p; 7 Ob 10/20a), womit auch der Zinsenzuspruch durch das Erstgericht nicht zu beanstanden ist. Es ist zwar richtig, dass in vereinzelten Entscheidungen von Rechtsmittelgerichten (so wie in der Berufung zitiert: OLG Innsbruck 5 R 70/22s; OLG Wien 16 R 205/22t) ein anderer Standpunkt vertreten wurde. Die oben referierte Rechtsansicht – der sich das Berufungsgericht anschließt – entspricht jedoch der völlig überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (so zB: OLG Wien: 16 R 4/23k, 16 R 220/22y, 16 R 183/22g, 13 R 228/22b, 12 R 137/22b, 12 R 30/22a; OLG Graz: 2 R 212/22x; OLG Linz: 15 R 161/22i, 2 R 154/22p, 4 R 174/22v). Die in der Berufung zitierte Entscheidung 5 Ob 115/23g ist nicht einschlägig, weil der dortige Kläger das Zinsenbegehren über Einwand der Beklagten einschränkte, sich dem Einwand der Beklagten, die Vergütungszinsen seien verjährt (sichtlich) unterworfen und sein Zinsenbegehren (nur mehr) auf einen Verzug der Beklagten gestützt hatte (vgl Rz 13).
Der unberechtigten Berufung muss damit ein Erfolg versagt bleiben.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
4.Da eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu sämtlichen behandelten Aspekten besteht, von der das Berufungsgericht nicht abweicht, war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.