9Ra21/25m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeitsund Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Pöhlmann als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Oberbauer und Mag. Kegelreiter (Dreiersenat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A* geboren am **, **gasse ** */**, **, vertreten durch Mag. Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei D* GmbH , FN **, ** Straße */**, **, vertreten durch diese, wegen Kündigungsanfechtung, hier: wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom [richtig:] 27.2.2025, ** 8, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Mit der am 19.12.2024 beim Erstgericht eingelangten Klage focht die Klägerindie von der Beklagten am 27.9.2024 ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses wegen Sozialwidrigkeit (erkennbar im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) an. Dies verband sie mit einem Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Anfechtung der Kündigung. Sie brachte hiezu vor, aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigung bzw Erkrankung sei es ihr bis jetzt nicht möglich gewesen, etwas gegen die Kündigung zu unternehmen. Nunmehr habe sie sich einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen und sei einigermaßen in der Lage, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen und rechtliche Hilfe in Form einer Beauftragung der Klagevertreterin einzuholen.
Die Beklagte sprach sich in ihrer Äußerung gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung an.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Klage gegen die Kündigung der Beklagten ab (Spruchpunkt 1.) sowie die mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Klage zurück (Spruchpunkt 2.).
Es erachtete nach Einvernahme der Klägerin und Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden nachstehenden Sachverhalt als bescheinigt:
„Die Klägerin war bei der beklagten Partei als juristische Mitarbeiterin beschäftigt, wobei sie die letzten vier Jahre ausschließlich von zu Hause aus (Homeoffice) tätig war. Sie verfügt über ein abgeschlossenes Diplomstudium der Rechtswissenschaften und ist seit 1988 in Kanzleien beschäftigt. Die Klägerin weiß um die Wichtigkeit von Fristen und die Folgen einer Säumnis. Die Klägerin machte in ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn bereits Erfahrung mit der Kündigung ihres Dienstverhältnisses. Sie kannte des Rechtsinstitut der Kündigungsanfechtung. Die Klägerin wurde von der beklagten Partei am 27.09.2024 per E-Mail gekündigt. Diese Kündigung kam für die Klägerin völlig überraschend, was sie der beklagten Partei in einem Antwortmail auch mitteilte. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Klägerin um die Frist einer Kündigungsanfechtung. Eine Woche später, am Donnerstag, traf sich die Klägerin mit Gesellschaftern der beklagten Partei in einem Café am E*, um die Kündigung zu besprechen und gegebenenfalls – letztendlich vergeblich – eine (andere) Lösung zu finden. Auch zu diesem Zeitpunkt war der Klägerin bewusst, dass eine Anfechtungsfrist läuft. Eine Woche nach diesem Gespräch kontaktierte die Klägerin einen Facharzt für Neurologie. Eine rechtsfreundliche Vertretung kontaktierte die Klägerin damals nicht. Am 06.11.2024 kontaktierte die Klägerin die beklagte Partei aufgrund von IT-Problemen mit ihrem Laptop. Insbesondere führte sie in dem Zusammenhang an „(...)...ich habe Angst wegen allfälliger Fristversäumung zu der elektronischen Zustellung die ich habe (…)“. Am 25.11.2024 schrieb die Klägerin der beklagten Partei eine detaillierte Zusammenfassung betreffend ihre IT-Probleme und der bis dato unternommenen Schritte unter Anführung sämtlicher relevanten Daten. Am 17.12.2024 begann die Klägerin eine psychotherapeutische Therapie. [...]“
Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst, die Klägerin sei nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen. Sie wisse als rechtskundige Person um die Frist für die Anfechtungsklage Bescheid. Selbst wenn die Klägerin an einer psychischen Krankheit leide, müsse diese kausal für die Versäumung der Frist sein und die Klägerin daran gehindert haben, die Klage rechtzeitig zu erheben. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die Klägerin bei Erhalt der Kündigung am 27.9.2024 sowie bei einer Besprechung eine Woche später und auch im November 2024 in der Lage gewesen sei, umfassend zu korrespondieren und detaillierte Angaben zu Daten zu machen und Probleme zu schildern. Sie sei auch in der Lage gewesen, einen Arzt und eine Psychotherapeutin zu kontaktieren. Es wäre ihr daher auch möglich gewesen, eine rechtsfreundliche Vertretung aufzusuchen bzw einen Vertreter zu bestellen. Dass ein bloß minderer Grad des Versehens vorliege, sei von der Klägerin gar nicht behauptet worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Antragsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
Die Klägerin führt aus, es treffe zwar zu, dass sie um die Frist der Kündigungsanfechtungsklage Bescheid gewusst habe. Sie sei jedoch aufgrund ihres psychischen Ausnahmezustandes „quasi“ wochenlang handlungsunfähig gewesen und habe gerade noch ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Erst nach einer Psychotherapie habe sich ihr Zustand langsam verbessert, eine frühere Klagseinbringung sei ihr aufgrund ihres psychischen Ausnahmezustandes nicht möglich gewesen.
Diese Ausführungen überzeugen nicht.
1.Gemäß § 146 Abs 1 ZPO ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (ua) an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde, und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hat. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2.Grundsätzlich können auch psychische Erkrankungen einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, dies jedoch nur dann, wenn sie die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließen (vgl 2 Ob 44/21s mwN; Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5§ 146 ZPO Rz 5 lit b). Die psychische Erkrankung muss zudem kausal für die Versäumung sein ( Gitschthaler aaO Rz 1).
3. Nach den getroffenen Feststellungen war es der Klägerin jedoch eine Woche nach Erhalt der Kündigung möglich, mit Gesellschaftern der Beklagten ihre Kündigung zu besprechen und gegebenenfalls (andere) Lösungen zu finden, wobei ihr bewusst war, dass die Kündigungsanfechtungsfrist läuft (ON 8, 3).
Daraus ergibt sich, dass die Klägerin unmittelbar nach Erhalt der Kündigung Dispositionen treffen konnte und es ihr auch möglich gewesen wäre, nicht nur einen Facharzt für Neurologie, sondern auch eine rechtsfreundliche Vertretung zu kontaktieren.
Dass die Klägerin entgegen ihrer Darstellung im Rekurs nicht „quasi“ wochenlang handlungsunfähig war, zeigt auch der festgestellte Umstand, dass sie am 6.11.2024 die Beklagte wegen IT Problemen mit ihrem Laptop kontaktierte und am 25.11.2024 der Beklagten eine detaillierte Zusammenfassung betreffend ihrer IT Probleme und der bis dato unternommenen Schritte unter Anführung sämtlicher relevanter Daten schrieb (ON 8, 3).
4. Da zusammengefasst keine psychische Erkrankung vorlag, die die Dispositionsfähigkeit der Klägerin völlig ausschloss, hat das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zu Recht abgewiesen.
Dem unberechtigten Rekurs war sohin ein Erfolg zu versagen.
5.Ein Kostenzuspruch an die Beklagte nach § 154 ZPO kommt nicht in Betracht, weil im Verfahren nach § 50 Abs 2 ASGG gemäß § 58 Abs 1 ASGG ein Kostenersatz nur vor dem Obersten Gerichtshof stattfindet. In solchen Verfahren greift § 154 ZPO nicht, sodass Kosten des Gegners des Wiedereinsetzungswerbers nicht ersatzfähig sind ( Deixler Hübner in Fasching/Konecny 3§ 154 ZPO Rz 2; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.303).
6.Gegen die Bestätigung der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO; RS0105605 [T1]).