21Bs102/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 11. April 2025 durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Sanda und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen 1. des Genannten sowie 2. der Staatsanwaltschaft Korneuburg jeweils gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 25. November 2024, GZ ***, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS, LL.M., sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr. Stefanie Appl, LL.M. durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (I./), der Vergehen des bildlichen sexualbezogenen Kindermissbrauchsmaterials und der bildlichen sexualbezogenen Darstellung minderjähriger Personen nach § 207a Abs 1 Z 1 und 2 StGB (II./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB (zu ergänzen: und § 19 Abs 4 Z 2 JGG) nach § 205 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt, von der ein Teil gemäß § 43a Abs 3 StGB im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Unter einem wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO iVm § 366 Abs 2 StPO schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* binnen 14 Tagen einen Betrag in Höhe von 3.400,- Euro zu bezahlen; mit ihrem Mehrbegehren wurde die Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in **
I./ am 15. Juli 2024 eine wehrlose Person, nämlich die durch Alkohol stark beeinträchtigte und in weiterer Folge tief schlafende, am ** geborene – sohin mündige minderjährige – B* unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht, dass er an ihr Vaginalverkehr vornahm, wobei er die geschlechtliche Handlung mit seinem Mobiltelefon filmte und im Anschluss der Freundin des Opfers, C*, per Snapchat übermittelte;
II./ am 15. Juli 2024 durch die unter Punkt I./ geschilderte Handlung eine bildliche sexualbezogene Darstellung minderjähriger Personen hergestellt und anderen verschafft, und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer mündigen minderjährigen Person;
III./ am 7. August 2024 B* durch eine gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, nämlich durch die sinngemäße Äußerung „ Wehe du erzählst es jemandem, sonst bist hinig “, zu einer Unterlassung zu nötigen versucht, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeige und Aussage gegen ihn bei der Polizei.
Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, das abgelegte Teilgeständnis, die eigene Enthemmung durch Alkohol bei I./ und II./ sowie die sich aus den Jugenderhebungen ergebende problematische Erziehungssituation mildernd, hingegen das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, die Tatbegehung als Folge gegenüber einer Minderjährigen (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB) sowie die mit dem Versenden des Videos einhergehende besondere Demütigung für das Opfer, das sich aus Scham zunächst nicht traute, den Vorfall anzuzeigen, erschwerend.
Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig angemeldete (ON 16.3, 21) und fristgerecht ausgeführte (ON 19), eine Herabsetzung und gänzlich bedingte Nachsicht des Strafmaßes anstrebende Berufung des Angeklagten sowie die ebenfalls rechtzeitig angemeldete (ON 16.3, 21) und in ON 18 zur Darstellung gebrachte, eine Erhöhung der Freiheitsstrafe und Ausschaltung der teilbedingten Strafnachsicht begehrende Berufung der Staatsanwaltschaft.
Rechtliche Beurteilung
Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst sind die vom Schöffengericht angenommenen Strafzumessungserwägungen um den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB zu ergänzen, weil der Angeklagte im Rahmen des Gerichtstages die vollständig geleistete Bezahlung des Privatbeteiligtenzuspruches an B* in Höhe von insgesamt 3.400 Euro bescheinigte (vorgelegte Überweisungsbestätigung in der Berufungsverhandlung; vgl Riffel, WK 2StGB § 34 Rz 34). Entgegen dem missverständlichen Rechtssatz RIS-Justiz RS0091323, wonach der Milderungsgrund des § 34 (nunmehr Abs 1) Z 14 StGB ausschließlich auf Vermögensdelikte, nicht aber auf Sexualdelikte zugeschnitten sei, ist auch die Schadensgutmachung als Milderungsgrund zu berücksichtigen (vgl etwa OGH 12 Os 118/05b; die einzigen Entscheidungen des genannten Rechtssatzes 14 Os 53/91 und 15 Os 59/91 beziehen sich ausschließlich auf den hier nicht relevanten ersten Fall des § 34 Abs 1 Z 14 StGB; auch das Zitat in Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari StGB 14 § 34 Rz 13 verweist bloß auf die Entscheidung 14 Os 53/91).
Entgegen dem Einwand des Berufungswerbers ist von keinem maßgeblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) auszugehen, weil ein umfassendes und reumütiges Geständnis und ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zwei voneinander unabhängige einander vertiefende Milderungsumstände darstellen (RIS-Justiz RS0091460) und das vom Schöffensenat ohnedies gewertete Geständnis zum Faktum II./ und III./ angesichts der dazu eindeutigen Beweislage zu keiner - dafür maßgeblichen - (vgl RIS-Justiz RS0091585 [T14]) Erleichterung des Beweisverfahrens geführt hat.
Trotz der zu Gunsten des Angeklagten ergänzten Strafzumessungslage erweist sich die vom Erstgericht ausgemittelte Sanktion in Höhe von 20 Monaten Freiheitsstrafe, von der ein Teil im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, als tat- und schuldangemessen, sodass eine Herabsetzung nicht zu erfolgen hat.
Unter Zugrundelegung des Schuldspruchs steht dem Begehren des Angeklagten einer gänzlich bedingten Nachsicht nach § 43 Abs 1 StGB nicht nur die Art der Taten, sondern auch die mehrfache Delinquenz entgegen, die eine Vollstreckung eines Teiles der Freiheitsstrafe erforderlich macht, um den Angeklagten von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten. Sofern der Berufungswerber vermeint, nur bei einer gänzlich bedingten Strafnachsicht seine Ausbildung abschließen zu können, ist er auf § 52 JGG zu verweisen.
Dem Begehren nach Reduktion des Strafmaßes sowie Gewährung gänzlich bedingter Nachsicht ist daher kein Erfolg beschieden.
In diesen Zusammenhang ist auch den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, wonach die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten kaum mildernd ins Gewicht falle, weil dieser lediglich die Drohung gegenüber dem Opfer und die daraus resultierende versuchte Nötigung sowie die Erstellung des bildlich sexualbezogenen Kindermissbrauchsmaterials und der bildlichen sexualbezogenen Darstellung minderjähriger Personen zugestanden, jedoch seine Handlungen herunterspielt habe und keine Reue erkennen lasse, entgegenzuhalten, dass das Schöffengericht zutreffend ohnedies nur ein Teilgeständnis mildernd berücksichtigte.
Wenngleich die Staatsanwaltschaft im Recht ist, dass dem Milderungsgrund des Versuches (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) hinsichtlich des Vergehens der Nötigung lediglich äußerst geringes Gewicht beizumessen ist, vermochte die Berufung der Staatsanwaltschaft keine zusätzlichen Umstände ins Treffen zu führen, die zu einer Änderung der Beurteilungsgrundlage geführt hätten.
Bei objektiver Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsgründe erweist sich – trotz der Schadensgutmachung - die vom Schöffengericht ausgemittelte Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten, die im Hinblick auf spezialpräventive Erwägungen zu Recht im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde, ausreichend verhaltenssteuernd, um den Angeklagten in Zukunft von weiterer einschlägiger Delinquenz abzuhalten.
Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.