JudikaturOLG Wien

2R16/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann (Vorsitzender) sowie die Richter MMag. Popelka und Dr. Nowak in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Transportmanager, **, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 5.778,29 samt Nebengebühren, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Dezember 2024, **-12, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.095,12 (darin EUR 182,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in ** wohnhafte Kläger hatte bei der beklagten Partei, die über keine aufrechte Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt (jedoch sehr wohl […] solche diverser anderer EU-Staaten sowie eine der Malta Gaming Authority, auf die sie sich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in Österreich beruft), zur Teilnahme an Online- Glücksspielen einen Account eingerichtet.

Er handelte dabei nicht als Unternehmer und spielte vom Inland aus.

Im Zeitraum 4.5.2024 bis 6.6.2024 erlitt er auf diese Weise bei von der beklagten Partei veranstalteten Glücksspielen, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich vom Zufall abhängen, einen Gesamtspielverlust von EUR 5.778,29.

Der Klägerbegehrte die Rückzahlung dieses Spielverlustes und brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte betreibe ein Online-Casino ohne Lizenz nach dem GSpG, weshalb die abgeschlossenen Glücksspielverträge unerlaubt und daher unwirksam seien.

Die Beklagtewendete ein, sie verfüge über eine ihr in Malta erteilte Glücksspielkonzession, auf deren Grundlage sie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV zur Anbietung von Glücksspielen in Österreich berechtigt sei.

Das in Österreich geltende Glücksspielmonopol verstoße gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht und entspreche nicht den vom EuGH aufgestellten Kriterien, weswegen das von der Beklagten angebotene Glücksspiel nicht rechtswidrig sei und die geschlossenen Verträge daher wirksam seien.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt. Es traf die eingangs wiedergegeben Feststellungen und folgerte rechtlichdaraus, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Judikatur davon ausgehe, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspreche. Die Überlegungen der Beklagten brächten insoweit keine neuen Argumente, sodass auch keine weiteren Beweisaufnahmen zu tätigen gewesen seien.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise es aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Über die Berufung war gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden, weil der Berufungssenat eine mündliche Berufungsverhandlung (siehe den ersten Berufungseventualantrag auf Seite 16 der Berufungsschrift) für entbehrlich hielt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Mängelrüge:

1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen“ (Beweisantrag Seite 35 in ON 3: „SV Gutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing“) nicht eingeholt hat. Aufgrund dieses Gutachtens hätte sich ergeben, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.

1.2. Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel, sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln ist. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (vgl RS0043304).

2. Zur Rechtsrüge:

2.1. Die Berufungswerberin behauptet in der Rechtsrüge im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Ihrer Ansicht nach fehlten Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarktes, zu der stetigen Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, den exzessiven Werbemaßnahmen, welche von den Konzessionsinhabern betrieben und stetig ausgeweitet würden, der steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und zur Unwirksamkeit des Spielerschutzes mangels ausreichender Kontrolle. Die österreichischen Höchstgerichte hätten sich mit der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspiel und Sportwetten, dem Wachstum des Glücksspielmarktes, den Werbemaßnahmen, welche von der Berufungswerberin aufgezeigt worden seien, der unzureichenden Kontrolle der Werbung, der Unwirksamkeit des Spielerschutzes und dem unzureichenden Rahmen für die Vollziehung aufgrund der Kompetenzverteilung und nicht aufzulösender Interessenskonflikte und Mehrfachfunktionen des BMF in ihrer bisherigen Judikatur nicht ausreichend auseinandergesetzt.

2.2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (siehe etwa 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w; 6 Ob 157/24t).

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach dem klagsgegenständlichen Spielzeitraum sind bereits etliche weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshof ergangen, welche an der bisherigen Judikatur festhalten (insbesondere jüngst 3 Ob 210/24i, 2 Ob 194/24d, 2 Ob 198/24t).

2.3. Der Oberste Gerichtshof hat dabei auch sämtliche Aspekte, die die Beklagte im Verfahren ins Treffen führte, ausdrücklich behandelt. So hat er auch die Argumente, wonach der Spielerschutz durch die bestehenden Regeln nicht gewährleistet wäre (1 Ob 229/20p; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) sowie die Unterscheidung von Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten (1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 17]; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) bereits ausführlich behandelt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes C-920/19, Fluctus/Fluentum, wurde auch das inkriminierte Werbeverhalten der Konzessionsinhaber mehrfach behandelt und vom Obersten Gerichtshof eine daraus resultierende Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich verneint (zB 1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 12]; 3 Ob 72/21s).

Aus den von der Beklagten aufgezeigten Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen und der Aufsicht über die Konzessionäre und Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der C* AG (Seiten 39 ff in ON 3) ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten. § 56 GSpG wurde vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis E 945/2016 für unbedenklich erachtet. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht zu dem von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang angeregten Vorabentscheidungsersuchen veranlasst.Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ändert auch die – lediglich in erster Instanz ins Treffen geführte (vgl Seite 37 in ON 3) – Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) nichts an dieser Beurteilung. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweise Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 3 Ob 69/23b).

Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral ).

2.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die getroffenen Feststellungen für eine rechtliche Beurteilung daher ausreichend.

Neue Aspekte, die in den zitierten Entscheidungen nicht schon behandelt wurden, hat die Beklagte nicht vorgebracht; es kann daher auf diese Entscheidungen verwiesen werden, welchen sich das Berufungsgericht anschließt.

3. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Kosten des Berufungsverfahrens beträgt EUR 5.778,29.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtslage durch die umfassende Judikatur des Obersten Gerichtshofes geklärt ist (§ 502 Abs 1 ZPO).