33R11/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien fasst als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Schmoliner und die Richterin Dr. in Berka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Peter Abmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Matthias Cernusca, Rechtsanwalt in 3420 Klosterneuburg-Kritzendorf, wegen EUR 88.695,02 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29.11.2024, **-12, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 2.316,48 (darin enthalten EUR 386,08 USt) bestimmte Rekursbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g:
Die Klage (ON 1) und der Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung (ON 2) wurden der Beklagten am 16.4.2024 zugestellt.
Am 31.5.2024 erließ das Erstgericht auf Antrag des Klägers (ON 3) ein Versäumungsurteil (ON 4), das der Beklagten am 5.6.2024 zugestellt wurde.
In ihrem am 11.11.2024 (ON 7) eingebrachten Schriftsatz beantragte die Beklagte die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung, in eventu gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil. Gleichzeitig erhob sie Widerspruch, erstattete eine Klagebeantwortung und verkündete der C* GmbH den Streit. Zwar seien der Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung und das Versäumungsurteil wirksam zugestellt worden, doch habe die zuständige Mitarbeiterin diese Dokumente verlegt und keine entsprechenden Veranlassungen getroffen. Bei der Beklagten sei betreffend Poststücke und andere administrative Agenden ein effizientes, gut organisiertes und nachhaltig funktionierendes System implementiert; da es bislang nur sehr selten zu gleichartigen Versäumnissen gekommen sei, falle der Beklagten höchstens ein minderer Grad des Verschuldens zur Last. Vom gegenständlichen Zivilverfahren habe die Beklagte erst am 28.10.2024 Kenntnis erlangt, als ein Auftrag zur Drittschuldnererklärung zugestellt worden sei, den das BG Döbling in dem an diesen Zivilprozess anknüpfenden Exekutionsverfahren erlassen hatte.
Der Kläger sprach sich in seiner Äußerung vom 19.11.2024 (ON 9) gegen den Wiedereinsetzungsantrag aus.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag ab (1.), wies den Widerspruch und die Klagebeantwortung zurück (2. und 3.) und verhielt die Beklagte zum Ersatz der Kosten des Verfahrens über die Wiedereinsetzung (4.).
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt kam der Erstrichter in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass der am 11.11.2024 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag außerhalb der Frist des § 148 Abs 2 ZPO erhoben worden und daher verspätet sei. Auch der Widerspruch und die Klagebeantwortung seien deshalb als verfristet zurückzuweisen.
Dagegen wendet sich der vorliegende Rekurs der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass der Wiedereinsetzungsantrag bewilligt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger stellt in seiner Rekursbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
1.1. Die Rekurswerberin macht geltend, dass das Erstgericht das Vorbringen der Beklagten zur ihrer Kenntnisnahme vom Verfahren in seiner Beweiswürdigung unerwähnt und unberücksichtigt gelassen habe.
Dabei übergeht die Rekurswerberin die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die sich zentral mit der Frage beschäftigt, wann die Beklagte Kenntnis vom Verfahren erlangte. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinn einer fehlenden Begründung (RS0102004) liegt daher nicht vor.
1.2. Die Beklagte rügt weiters die unterlassene Einvernahme ihres Geschäftsführers.
Die Mängelrüge ist in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil nicht dargelegt wird, welche konkreten Tatsachenfeststellungen auf Basis der vermissten Einvernahme des Geschäftsführers zu treffen gewesen wären (RS0043039).
1.3.Schließlich moniert die Beklagte, das Erstgericht habe es iSd §§ 182, 182a ZPO verabsäumt, seine Einschätzung bezüglich der Verfristung des Wiedereinsetzungsantrags offenzulegen; das hätte der Rekurswerberin die Möglichkeit gegeben, entsprechendes weiteres Vorbringen zu erstatten und Bescheinigungsanträge zu stellen.
Allerdings führt die Beklagte nicht aus, welche konkreten Ausführungen sie nach einer von ihr vermissten Anleitung vorgetragen hätte (siehe zu diesem Erfordernis RS0037325 [T5]).
Darüber hinaus reicht die Prozessleitungspflicht nicht so weit, dass das Gericht zu erkennen geben müsste, welchen Beweisaufnahmen es Glauben schenken werde und welchen nicht, und dass es in diesem Zusammenhang zur Stellung neuer Beweisanträge anleiten müsste (RS0036869).
Die Mängelrüge schlägt daher auch in diesem Punkt nicht durch.
2. Zur Beweisrüge:
Die Beklagte bekämpft die folgende Feststellung:
„Der Geschäftsführer der beklagten Partei wusste jedenfalls am 21. Oktober 2024, dass gegen die beklagte Partei am 31. Mai 2024 ein Versäumungsurteil ergangen war.“
Der Erstrichter hat die gegenständliche Feststellung aufgrund seiner unmittelbaren Wahrnehmungen getroffen, die er im Rahmen einer gerichtlichen Einvernahme gewonnen hatte. Die vorliegende Beweisrüge entzieht sich deshalb einer Prüfung durch das Rekursgericht, dem ein Abgehen von den erstinstanzlichen Konstatierungen in solchen Konstellationen verwehrt ist (RS0044018 [T6]).
3. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
4.Die Entscheidung über die Rekursbeantwortungskosten gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
5.Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.