4R5/25x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Falmbigl und Mag. Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Allmayer-Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* , **, M-**, vertreten durch die BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Auskunft gemäß Art 15 Abs 3 DSGVO (Streitwert EUR 5.000,-), über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse [richtig:] EUR 2.505,53) gegen die in Urteilsform ergangene Kostenentscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28.11.2024, **-11, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,82 (darin EUR 56,14 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte zunächst gestützt auf Art 15 Abs 3 DSGVO die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Kopie seiner Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten seien, digital zu übermitteln.
In ihrer Klagebeantwortung(ON 3) anerkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers und beantragte Kostenersatz nach § 45 ZPO, da sie keine Veranlassung zur Klagsführung gegeben habe. Die Beklagte sei am 25.4.2024 von der Klagevertreterin zur Übermittlung von Daten aufgefordert worden. Dem Aufforderungsschreiben sei aber keine rechtsgültige Vollmacht beigelegen. Am 26.4.2024 habe sie der Klagevertreterin mitgeteilt, dass eine rechtskonforme Vollmacht vorliegen und insbesondere nachvollziehbar sein müsse, dass die Unterschrift auf der Vollmacht mit der Unterschrift der betroffenen Person auf einem Ausweisdokument übereinstimme. Die (nicht qualifizierte) elektronische Signatur entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und weiche zudem erheblich von der Unterschrift im Ausweisdokument ab. Die Klagevertreterin habe nicht mehr auf die Nachricht der Beklagten reagiert, sondern unmittelbar eine Klage gegen die Beklagte eingebracht. Verlange ein Dritter die Herausgabe von Daten der betroffenen Person, sei dies nur zulässig, wenn der Betroffene den Dritten nachweislich bevollmächtigt habe. Gegenüber privaten Personen habe auch ein Rechtsanwalt seine Vollmacht urkundlich nachzuweisen. Bestünden Zweifel an der Vollmacht, dürften personenbezogene Daten nicht an Dritte herausgegeben werden. Wenn eine Unterschrift auf einer Vollmacht von der Unterschrift auf dem Ausweisdokument abweiche, müsse sich der Verantwortliche versichern, dass der Betroffene auch tatsächlich die Vollmacht unterschrieben habe. Eine elektronische Signatur könne diesen Zweck nur dann erfüllen, wenn diese im Sinne der eIDAS-VO qualifiziert sei. Im konkreten Fall sei die vorgelegte Vollmacht nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen. Zudem sei die Unterschrift nicht verifizierbar gewesen. Ein Vergleich des Ausweises des Klägers mit der auf der Vollmacht befindlichen Unterschrift zeige nicht einmal eine grobe Ähnlichkeit.
Mit Schriftsatz vom 13.8.2024 (ON 6) schränkte der Kläger das Klagebegehren auf Kosten ein und brachte ergänzend vor, der Verantwortliche könne nur dann weitere Informationen zur Identifizierung des Antragstellers einfordern, wenn er begründete Zweifel habe, die konkret darzulegen seien. Er dürfe nicht generell die Vorlage eines Identitätsnachweises verlangen. Begründete Zweifel iSd Art 12 Abs 6 DSGVO würden nicht bestehen, da neben der unterfertigten Vollmacht ohnehin eine Kopie des Reisepasses des Klägers übermittelt worden sei und die dort ersichtliche Unterschrift ein im Wesentlichen gleichartiges Schriftbild aufweise wie jenes auf der Vollmacht. Die Beklagte habe es unterlassen, ihre – behaupteten – begründeten Zweifel gegenüber der Klagevertreterin konkret darzulegen, sondern habe pauschal darauf verwiesen, auf eine handschriftlich in Tinte unterfertigte Vollmacht zu bestehen.
Mit der angefochtenen Kostenentscheidungverpflichtete das Erstgericht die Beklagte zum Ersatz der mit EUR 1.433,67 bestimmten Verfahrenskosten. Es traf die auf den Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, aus dem festgestellten Sachverhalt würden sich begründete Zweifel iSd Art 12 Abs 6 DSGVO nicht ableiten lassen. Da für den Abschluss eines Bevollmächtigungsvertrags grundsätzlich die Formfreiheit gelte, unterliege die materielle Gültigkeit der Vollmacht der Klagevertreterin nicht dem Schriftformgebot. Die – wenn auch unter Verwendung technischer Hilfsmittel - handschriftlich signierte Rechtsanwaltsvollmacht sei damit schon für sich ein hochgradig verlässlicher Identitätsnachweis iSd DSGVO. Die beanstandeten groben Abweichungen im Schriftbild der Unterschrift könne das Gericht nicht erkennen. In Verbindung mit der gleichzeitig übermittelten Ausweiskopie des Klägers, die nach der DSGVO an sich nur in Ausnahmefällen als erforderlich angesehen werde, sei es der Beklagten aufgrund der übermittelten Unterlagen möglich, die Identität des Klägers zu überprüfen. Dazu komme, dass die Beklagte in ihrem E-Mail vom 27.4.2024 weder auf ein Abweichen der Schriftbilder der Unterschriften auf Ausweis und Vollmacht hingewiesen habe, noch sonst erkennen habe lassen, dass sie Zweifel an der Identität des Klägers oder an der zivilrechtlichen Gültigkeit der Vollmacht des einschreitenden Rechtsanwalts gehabt hätte. Die nunmehr im Verfahren vorgebrachten begründeten Zweifel habe sie im Vorfeld nicht konkret und im Einzelnen dargelegt. Die Kostenentscheidung beruhe daher auf § 41 Abs 1 ZPO.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Beklagten die mit EUR 1.071,86 verzeichneten Kosten des Verfahrens zugesprochen würden.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Die Rekurswerberin argumentiert im Wesentlichen, sie habe bei Stellung eines Auskunftsersuchens durch einen bevollmächtigten Dritten dessen Berechtigung zu überprüfen, sodass es zwingend erforderlich sei, einen urkundlichen Nachweis der Bevollmächtigung vorzulegen. Unter einem urkundlichen Nachweis sei jedenfalls eine schriftliche Bevollmächtigung zu verstehen, welche eigenhändig oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unterfertigt sein müsse. Die konkret übermittelte Vollmacht entspreche diesen Voraussetzungen nicht.
2.1. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet im allgemeinen "Unterschriftlichkeit", es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor. Das Erfordernis der Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RS0017221).
2.2. Grundsätzlich ist bei Verträgen, bei denen Schriftform Gültigkeitserfordernis ist, eine eigenhändige Unterschrift zu setzen ( Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 886 Rz 18; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB 4§ 886 Rz 2). Gemäß § 886 dritter Satz ABGB ist jedoch eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege genügend, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist. Die Übermittlung einer eingescannten Unterschrift per E-Mail ist der mechanischen Wiedergabe der Unterschrift dann gleichzuhalten, wenn dies im Geschäftsverkehr üblich ist ( Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 886 Rz 27). Dabei ist jedoch nicht von Bedeutung, was für einen bestimmten Teilnehmer am Geschäftsverkehr üblich sein mag, sondern nur, was im Geschäftsverkehr allgemein üblich ist. Ob eine Übermittlung von (nicht qualifiziert) elektronisch unterfertigten Vollmachten bei den gerichtsbekannt zahlreichen Aufforderungsschreiben von Rechtsanwälten an Glücksspielanbieter (objektiv) branchenüblich ist (vgl Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar 5 § 886 Rz 2), kann jedoch aufgrund nachfolgender Überlegungen dahinstehen:
2.3. Ob die Übersendung des eingescannten unterfertigten Dokuments per E-Mail auch dann der Schriftform entspricht, wenn keine Verkehrsüblichkeit anzunehmen ist, ist anhand des Zwecks des konkreten Formgebots zu beantworten ( Kolmasch in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar 6 § 886 Rz 7 mwN). Ist der Formzweck etwa auch durch die Übermittlung eines Telefaxes gewahrt, reicht dies zur Erfüllung des Schriftlichkeitsgebots jedenfalls aus ( Berger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 886 Rz 33). Der konkrete Formzweck entscheidet daher über die Frage, welchen Inhalt die unterfertigte Urkunde haben muss, damit das Formgebot erfüllt ist ( P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer, ABGB 7 § 886 Rz 2).
2.4. Gemäß Art 12 Abs 6 DSGVO kann der Verantwortliche, der begründete Zweifel an der Identität der natürlichen Person hat, die einen Antrag auf Auskunft nach Art 15 DSGVO stellt, zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität der betroffenen Person erforderlich sind. Die Identitätsprüfung dient einerseits dem Betroffenen, weil nur so sichergestellt werden kann, dass Unberechtigte weder Auskünfte über personenbezogene Daten erhalten, noch, dass personenbezogene Daten des Betroffenen von anderen Personen gelöscht werden können. Andererseits besteht auch ein Interesse des Verantwortlichen, Sanktionen wegen eines datenschutzwidrigen Vorgehens zu vermeiden. Der Verantwortliche ist dann berechtigt, weitere Informationen über die natürliche Person anzufordern, soweit diese zur Bestätigung der Identität des Betroffenen erforderlich sind. An die Identifikation dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden ( Heckmann/Paschke in Ehmann/Selmayr , DS-GVO³, Art 12 Rz 50 f). Ein Verantwortlicher darf auch nicht generell einen Identitätsnachweis verlangen, sondern muss im Einzelfall prüfen und entscheiden ( Haidinger/Illibauer , Praxishandbuch Datenschutzrecht 4Rz 8.25). Die Bestimmung des Art 12 Abs 6 DSGVO ermöglicht keine routinemäßige Identitätsprüfung (BvwG W214 2228346-1; so auch die Datenschutzbehörde in DSB-D123.901/0002-DSB/2019; vgl auch Feiler/Forgó, EU-DSGVO und DSG² Art 12 DSGVO, Rz 22). Auch den von der Rekurswerberin zitierten „Leitlinien 01/2022 zu den Rechten der betroffenen Person – Auskunftsrecht“ des Europäischen Datenausschusses (EDSA) zufolge kann lediglich unter bestimmten Umständen eine Überprüfung der Identität der auskunftsberechtigten Personen sowie deren Befugnis, im Namen der betroffenen Person zu handeln, erforderlich sein, wenn dies angemessen und verhältnismäßig sei (EDSA Leitlinie 1/2022, Rz 80). Im Schrifttum wird diesbezüglich die Meinung vertreten, begründete Zweifel könnten beispielsweise bei telefonischen Ansuchen oder E-Mail-Adressen ohne Klarnamen bestehen ( Illibauer in Knyrim , Datenschutz-Grundverordnung 118; Haidinger in Knyrim , Datenschutz-Grundverordnung 126). Bei der Berufung auf eine Vollmacht müsse diese und die tatsächliche Identität der betroffenen Person überprüft werden ( Illibauer in Knyrim , DatKomm Art 12 DSGVO Rz 80).
Zu der bis zum Inkrafttreten der DSGVO anwendbaren Bestimmung des § 26 Abs 1 DSG 2000, wonach jene Person, die Auskunft verlangt, ihre Identität in „geeigneter Form“ nachzuweisen hatte, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der Nachweis der Identität habe in der Form zu erfolgen, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die Identität des Auskunftswerbers mit der Person zu überprüfen, deren Daten Gegenstand der Auskunft sein sollen. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes und zur Verhinderung von Missbrauch sei ein hoher Grad an Verlässlichkeit hinsichtlich des Identitätsnachweises zu fordern. Demjenigen, der ein Auskunftsbegehren unter Berufung auf eine Vollmacht stelle und gegenüber einem Auftraggeber durch die Übermittlung von Telefaxen in Form eines Auskunftsersuchens sowie einer Vollmacht, aber ohne weiteren Nachweis über die Identität des Auskunftswerbers auftrete, sei ein Nachweis "in geeigneter Form" im Sinne des § 26 Abs 1 DSG 2000 nicht gelungen. In einem solchen Fall wäre vielmehr etwa die Vorlage eines Identitätsdokumentes in Form einer öffentlichen Urkunde (im Sinne der §§ 292 ff ZPO) zu fordern (VwGH 2004/06/0221). Die „geeignete Form“ sei jedoch nicht formstreng zu sehen. Entscheidend bleibe, dass es dem Auftraggeber verlässlich ermöglicht werde, die Identität zu überprüfen (VwGH Ra 2016/04/0014). Jahnel zufolge könne daraus geschlossen werden, dass der Identitätsnachweis bei einem schriftlichen Auskunftsbegehren jedenfalls durch Beilage der Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises […] erbracht werden könne. Dies habe allerdings zur Voraussetzung, dass der Auskunftsantrag unterschriftlich gestellt werde, sodass der Auftraggeber durch Vergleich der Unterschriften im Ausweis und auf dem Auskunftsbegehren mit hinreichender Sicherheit die Identität des Auskunftswerbers und die Echtheit des Auskunftsbegehrens erkennen könne. Lasse sich der Auskunftswerber durch einen Rechtsanwalt, eine andere natürliche Person oder durch eine juristische Person vertreten, so sei eine Spezialvollmacht zur Vertretung in Datenschutzangelegenheiten beizulegen. Die Nachweise könnten aber grundsätzlich per Post, per Telefax und per E-Mail erbracht werden ( Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht 372 f). Auch die Datenschutzbehörde geht davon aus, dass ein elektronisches Auskunftsersuchen nicht zwingend mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Es spreche nichts dagegen, einen Identitätsnachweis mit anderen Mitteln zu erbringen, weil die DSGVO keine konkrete Form der Identifizierung vorgebe (DSB-D123.901/0002-DSB/2019).
3. Konkret führt die Rekurswerberin daher zunächst richtig aus, dass § 8 Abs 1 zweiter Satz RAO nur die Vertretung des Rechtsanwaltes vor Gerichten und Behörden erfasst, nicht jedoch gegenüber privaten Auftraggebern (VwGH Ra 2016/04/0014; OLG Wien 2 R 63/24k). Mit dem ersten Aufforderungsschreiben der Klagevertreterin übermittelte diese jedoch ohnehin eine Vollmacht (./5) sowie eine Ausweiskopie (./7). Da in der DSGVO für den Nachweis der Identität keine bestimmte Form vorgeschrieben ist, erfüllen diese Unterlagen jedenfalls die notwendige Verlässlichkeit eines Identitätsnachweises für eine Auskunft nach Art 15 DSGVO. Da die Beklagte vor Klagseinbringung nicht unter Hinweis auf das unterschiedliche Schriftbild der Unterschriften weitere Nachweise gefordert hat, bestand für den Kläger kein Anlass, weitere Nachweise zu übermitteln. Eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Klägers kann somit nicht erkannt werden. Da die Beklagte keine Auskunft erteilte, gab sie Anlass zur Klagsführung.
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
5. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.