JudikaturOLG Wien

2R145/24v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
20. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann (Vorsitzender), die Richterin Mag. Viktorin und die Kommerzialrätin Mag. Burket in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B* Handelsgesellschaft m.b.H., FN **, **, wider die beklagte Partei C* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Gregor Michalek, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 140.000,- samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 1.7.2024, **-11, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.048,20 (darin EUR 674,70 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der B* Handelsgesellschaft m.b.H. (kurz „B*“) war (bis zu seiner Enthebung mit Beschluss vom 19.5.2022) Rechtsanwalt Dr. D* als Insolvenzverwalter bestellt.

Dr. D* erwarb am 19.1.2022 bei der Beklagten, die einen gewerblichen Handel mit gebrauchten Luxusuhren betreibt, zwei Luxusuhren um den Preis von EUR 350.000,- und EUR 97.000,-. Zur Begleichung des Gesamtkaufpreises von EUR 447.000,- tätigte Dr. D* am selben Tag folgende Überweisungen an die Beklagte:

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Zahlung von EUR 140.000,- und führt dazu im Wesentlichen aus, es liege ein offenkundiger Missbrauch der Vertretungsmacht durch Dr. D* vor, welcher sich der Beklagten geradezu aufdrängen hätte müssen. Insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die Überweisung eines sechsstelligen Teilbetrags erkennbar von einem Masseanderkonto erfolgt sei, habe die Beklagte eine Erkundigungspflicht zur Prüfung der Herkunft und Zuordnung des überwiesenen Betrags getroffen. Derartige Sorgfaltspflichten würden sich im Übrigen auch aus den Bestimmungen der GewO zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergeben und seien mit Blick auf das in der Branche geltende „Know-Your-Customer“-Prinzip geboten. Die grob fahrlässige Unkenntnis des Missbrauchs der Vertretungsmacht sei der Beklagten jedenfalls vorzuwerfen und führe zur Unwirksamkeit des Geschäfts.

Die Beklagte wendete – soweit für das Berufungsverfahren relevant – ein, die Abwicklung der Kauftransaktion durch Überweisung in mehreren Tranchen von verschiedenen Auftraggeberkonten sei in keiner Weise unüblich gewesen und habe einen Empfang der Kaufpreisbeträge im guten Glauben nicht beeinträchtigt. Im Rahmen der gesetzlichen Sorgfaltspflichten sei kein Risiko gesehen worden, dass das Geschäft für eine Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung diene, weil die Identität des Käufers bekannt gewesen sei und die Teilbeträge von österreichischen Bankinstituten überwiesen worden seien. Auch die aus der Überweisung ersichtliche, völlig nichtssagende Abkürzung „E*“ begründe keine Erkundungspflicht.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.

Neben den eingangs dargestellten, unstrittigen Tatsachen ging es – soweit im Berufungsverfahren von Relevanz – von folgenden, unbekämpft gebliebenen Feststellungen aus:

Dr. D* war der Beklagten als Uhrensammler und -investor seit vielen Jahren bekannt. Zwischen der Beklagten und Dr. D* bestanden seit den 1990er Jahren immer wieder, jedoch unregelmäßig Geschäftsbeziehungen.

Dr. D* kontaktierte den Mitarbeiter der Beklagten, G*, und teilte diesem sein Interesse an zwei Uhren mit. In weiterer Folge wurde zwischen Dr. D* und G* über den Preis dieser Uhren verhandelt und schließlich eine Einigung erzielt. In dieser Zeit war Dr. D* auch einmal im Geschäft der Beklagten, wobei G* eine Kopie seines Ausweises anfertigte. Weiters sagte Dr. D* im Zuge des Kaufvertragsabschlusses, dass er den Kaufpreis von unterschiedlichen Konten in drei Tranchen überweisen werde. Eine Bezahlung des Kaufpreises in mehreren Tranchen ist für die Beklagte gerade bei Kaufpreisen in der gegenständlichen Höhe nicht ungewöhnlich.

Dr. D* ersuchte die Beklagte via E-Mail um Bekanntgabe ihres Bankkontos, damit er noch am selben Tag die Eilüberweisung durchführen kann.

Nach Durchführung der Überweisungen schickte die Sekretärin der Beklagten die Überweisungsbelege per Whats App an G*. Dieser sah sich die Überweisungsbelege an und sah auch, von welchen Konten die Überweisung erfolgt war. Er war damals der Meinung, dass Dr. D* in irgendeiner Form an der B* beteiligt sei. Eine weitere Prüfung wurde von G* mangels Vorliegens von Verdachtsmomenten nicht durchgeführt. Insbesondere erfolgte keine Prüfung der B*. Da die Summe der Teilzahlungen dem Gesamtkaufpreis entsprach, konnten die Zahlungen von G* problemlos dem gegenständlichen Geschäft zugeordnet werden, zumal es zu diesem Zeitpunkt keine anderen Zahlungen an die Beklagte in dieser Größenordnung gab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, im Falle des Befugnismissbrauchs durch den Insolvenzverwalter sei von einer Unwirksamkeit der gesetzten Rechtshandlung gegenüber dem Dritten auszugehen, wenn Kollusion vorliege, oder dann, wenn der Insolvenzverwalter seine Vertretungsbefugnis bewusst zum Nachteil der Masse missbrauche und der Dritte davon zumindest grob fahrlässig keine Kenntnis gehabt habe. Eine Erkundigungspflicht bestehe demnach nur bei besonderen Umständen, die den Verdacht eines Missbrauchs der Vertretungsmacht nahelegten. Grobe Fahrlässigkeit sei dann gegeben, wenn ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sei. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. In der Bezahlung des Kaufpreises in drei Teilbeträgen liege keine unübliche Vorgehensweise. Eine Zuordnung der in enger zeitlicher Abfolge, nach entsprechender Ankündigung durch Dr. D* getätigten Überweisungen sei problemlos möglich gewesen, zumal zwei der drei Überweisungen von Bankkonten erfolgt seien, die den Namen „Dr . D* “ im Wortlaut getragen hätten. Juristischen Laien könne nicht vorgehalten werden, aus der Abkürzung „E * “ nicht auf ein Masseanderkonto und weiter auf ein das Bankkonto betreffendes Insolvenzverfahren zu schließen. Diesbezüglich sei eine Nachforschungspflicht der Beklagten zu verneinen, zumal dies zu einer deutlichen Überspannung der Sorgfaltspflichten im alltäglichen geschäftlichen Verkehr führen würde. Legitimerweise hätten die Mitarbeiter der Beklagten davon ausgehen dürfen, dass ein Erwerber von Luxusuhren zu mittleren sechsstelligen Beträgen durchaus an verschiedenen Unternehmen beteiligt und zur Durchführung höherer Transaktion berechtigt sei, oder über entsprechende Forderungen gegen diese Unternehmen verfüge. Auch dem vom Kläger angesprochenen „Know-Your-Customer“-Prinzip in der Juwelier- und Luxusuhrenbranche sei entsprochen worden, weil Dr. D* der Beklagten als Uhrensammler/-investor und Rechtsanwalt bekannt gewesen sei. Der nach § 365p Abs 1 GewO bestehenden Verpflichtung zur Prüfung und Feststellung der Kundenidentität, und zwar bei natürlichen Personen anhand eines Lichtbildausweises, sei die Beklagte nachgekommen. Eine weitere Überprüfung der Zahlungsherkunft sei in den Bestimmungen der GewO nicht vorgesehen. Insgesamt seien der Beklagten keine Sorgfaltspflichtverletzungen anzulasten, weshalb auch ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Klägers nicht berechtigt sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Zur Verfahrensrüge :

Der Kläger macht die unterbliebene Vernehmung des Zeugen Dr. D* als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend und führt dazu aus, es ergebe sich aus seinem Vorbringen, dass Dr. D* gegenüber der Beklagten nicht angekündigt habe, dass die Zahlungen von diversen Konten erfolgen würden. Aus dem verdächtigen Umstand, dass die Zahlungen entgegen dieser Ankündigung erfolgt seien, könne eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten abgeleitet werden. Dem ist entgegenzuhalten:

Ein von einer Partei gestellter Beweisantrag hat die Tatsache, die bewiesen werden soll, also das Beweisthema, im Einzelnengenau zu bezeichnen (RS0039882; §§ 226 Abs 1 und 239 Abs 1 ZPO). Von der Aufnahme eines Beweismittels wird zutreffend Abstand genommen, wenn dieses nicht zu konkret und einzeln bezeichneten Tatsachenbehauptungen beantragt wurde (vgl 4 Ob 34/14z Pkt 1.7.). Das Übergehen eines Beweisantrags, dem es an der Bezeichnung eines erheblichen Beweisthemas fehlt, vermag einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht zu verwirklichen, weil dieser Beweis nicht aufzunehmen war (vgl 3 Ob 236/14y Pkt 1.2.).

Ein klägerseitiges Beweisanbot „Dr. D*“ findet sich (einzig) am Ende des Schriftsatzes vom 22.3.2024 (ON 8), und zwar im Anschluss an ein zu „2. Zahlung fremder Schulden“ erstattetes Vorbringen. Ausführungen zum nunmehr in Rede stehenden Tatsachenkomplex (Ankündigung der beabsichtigten Zahlung von diversen Konten in mehreren Tranchen) sind darin gar nicht enthalten. Ob im zweiseitigen vorangegangenen Punkt („1. Missbrauch der Vertretungsmacht“) allenfalls einschlägige Tatsachen vorgebracht sind, kann dahingestellt bleiben, weil dort jegliches im Einzelnen erforderliche Beweisanbot unterblieben ist.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher schon deshalb nicht vor, weil der Kläger die Einvernahme des Zeugen zum nunmehr monierten Aspekt gar nicht beantragt hat. Auf die Frage der Erheblichkeit des Mangels ist somit nicht weiter einzugehen.

In seiner Rechtsrüge vertritt der Kläger den Standpunkt, die Beklagte habe aufgrund der für sie erkennbar verdächtigen Umstände im Zusammenhang mit zumindest einer Überweisung von einem ungewöhnlichen Konto eine Erkundigungspflicht getroffen. Für die Beklagte wäre ohne aufwändige Recherche leicht herauszufinden gewesen, dass die B* in Konkurs und Dr. D* nicht deren Gesellschafter, sondern Masseverwalter sei.

Im vorliegenden Fall war Dr. D* im maßgeblichen Zeitraum der Überweisungen als Insolvenzverwalter der B* bestellt und gemäß § 83 Abs 1 IO im Verhältnis zu Dritten kraft seiner Bestellung befugt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt. In dieser Funktion hatte Dr. D* somit Vollmacht über das Masseanderkonto „ E* F*“ und war daher befugt, über dieses Konto zu verfügen und Überweisungen vorzunehmen. In der Überweisung des Betrags von EUR 140.000,- vom Masseanderkonto auf das Konto der Beklagten zum Zweck des privaten Ankaufs von Luxusuhren liegt zweifelsohne ein Vollmachtsmissbrauch durch Dr. D*, der durchaus als eine Untreuehandlung iSd § 153 StGB eingestuft werden kann (RS0099024). Diese Vertretungshandlung bewirkte im Außenverhältnis eine Zahlung an die Beklagte, wenngleich zwischen dieser und der B* kein Vertragsverhältnis bestand.

Missbraucht der Insolvenzverwalter seine Befugnisse, so können Rechtsgeschäfte mit Dritten in sinngemäßer Anwendung der allgemeinen Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht nichtig sein und einen Rückforderungsanspruch gegen den Dritten begründen. Dies ist – neben dem hier nicht relevanten Fall der Kollusion – dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter seine Vertretungsbefugnis bewusst zum Nachteil der Masse missbraucht und der Dritte davon zumindest grob fahrlässig keine Kenntnis hatte (vgl. Reisch in Koller/Lovrek/Spitzer(Hrsg), IO - Insolvenzordnung² (2022) zu § 83 IO, Rz 7; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 83 KO Rz 17). Der Dritte kann sich dann nicht auf die Vertretungsmacht des Vertreters berufen, sodass das Geschäft auch dem Dritten gegenüber unwirksam ist, […] wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder der Missbrauch sich dem Dritten geradezu aufdrängen musste. (Nur) bei besonderen Umständen, die den Verdacht eines Missbrauchs der Vertretungsmacht nahelegen, besteht eine Erkundigungspflicht des Dritten […] (RS0019576 [T9]).

Ausgehend von diesen allgemeinen Grundsätzen (die sich im Übrigen sinngemäß auch in dem vom Berufungswerber in Frage gestellten Rechtssatz RS0061579 wiederfinden) und der vom Erstgericht zutreffend herangezogenen Rechtsprechung zum anwendbaren Sorgfaltsmaßstab ist die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Beklagten eine grob fahrlässige Unkenntnis vom Befugnismissbrauch durch Dr. D* nicht vorzuwerfen ist, nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung des Klägers, ergeben sich aus der Überweisung von „einem zumindest ungewöhnlichen Konto“ keine derart verdächtigen Umstände, die eine Erkundigungspflicht der Beklagten begründen könnten. Insbesondere ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass die Überweisungen von Dr. D*, einem langjährigen Geschäftspartner der Beklagten, nach Abschluss des Kaufvertrags explizit avisiert wurden und nach dem jeweils angeführten Verwendungszweck und Überweisungsbetrag zweifellos dem unmittelbar vorangegangenen Kaufvorgang zuordenbar waren. Dass aus der im Kontowortlaut einer der Teilüberweisungen enthaltenen Abkürzung „E * “ für einen juristischen Laien nicht ohne Weiteres auf ein Masseanderkonto und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen geschlossen werden kann, legte bereits das Erstgericht überzeugend dar. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Konto nicht auf Dr. D* als Inhaber lautete, zumal sich daraus nicht zwingend der Schluss auf den Missbrauch der Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen aufdrängt. Insofern ist es der Beklagten auch nicht als erheblicher Sorgfaltsverstoß anzulasten, dass deren Mitarbeiter in diesem Zusammenhang von einer – im allgemeinen Geschäftsverkehr nicht ungewöhnlichen – Unternehmensbeteiligung des Dr. D* an der aus dem Kontowortlaut ersichtlichen B* ausging und weitere Erhebungen zu diesem Konto unterließ.

Soweit der Berufungswerber die Bestimmungen der §§ 365m ff Gewerbeordnung 1994 (GewO) ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Schutzzweck dieser Bestimmungen (unter anderem) auf die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gerichtet ist. Ein allfälliger Missbrauch einer dem Insolvenzverwalter (oder sonstigem Vertreter) zustehenden Vollmacht ist vom Schutzzweck dieser Bestimmungen daher nicht umfasst. Derartige Fälle sind vielmehr nach der bereits dargestellten (allgemeinen) Rechtslage zu prüfen. Abgesehen davon hat die Beklagte nach den Feststellungen ihre aus § 365p GewO resultierende Verpflichtung, die Identität ihres Kunden und Vertragspartners Dr. D* auf der Grundlage eines amtlichen Lichtbildausweises festzustellen und zu überprüfen, erfüllt. Eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der – mit der Beklagten in keinem Vertragsverhältnis stehenden – B* lässt sich aus der oben genannten Bestimmung nicht ableiten.

Die Berufung musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen.