JudikaturOLG Linz

7Bs136/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* B*wegen Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 18. August 2025, GZ Hv*-67, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt 1. dahin abgeändert, dass der Vollzug des sechsmonatigen unbedingten Teils der mit Urteil vom 2. Juli 2024 über A* B* verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 52 JGG bis 31. Dezember 2025 aufgeschoben wird.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Urteil vom 2. Juli 2024 (ON 15) wurde der ** geborene, im Tatzeitpunkt junge Erwachsene A* B* wegen Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, von der ein zwölfmonatiger Teil unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Demnach hat er am 5. Mai 2024 in C*

Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurden für die Dauer der mit der (teilweisen) bedingten Strafnachsicht verbundenen Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und B* die Weisungen erteilt, eine Psychotherapie zu absolvieren, die Drogenberatungsstelle aufzusuchen und monatlich Drogentests nachzuweisen.

Der Vollzug des unbedingten Strafteils wurde gemäß § 52 JGG, § 6 StVG vorerst bis 30. April 2025 mit der Auflage aufgeschoben, binnen eines Monats einen Ausbildungsvertrag vorzulegen; damals absolvierte B* eine Lehre zum Medienfachmann (vgl ON 16).

Nachdem er in der Folge die Weisungen einhielt und Kontakt zur Bewährungshilfe etablierte, wurde der Strafaufschub mit Beschluss vom 6. Mai 2025 bis zum 1. September 2025 verlängert, wobei begründend auf das noch bis Ende August 2025 andauernde Lehrverhältnis verwiesen wurde. Die ebenfalls beantragte nachträgliche Strafmilderung wurde nicht gewährt (ON 55).

Am 13. August 2025 beantragte B* neuerlich Strafaufschub und nachträgliche Strafmilderung. Dazu verwies er auf sein anhaltend positives Sozialverhalten und seine nachhaltige persönliche Entwicklung sowie das aufrechte Lehrverhältnis und die am 18. und 20. August 2025 bevorstehende Lehrabschlussprüfung (ON 66.4, ON 66.3).

Mit dem angefochtenen Beschluss verlängerte das Erstgericht (erneut gestützt auf § 52 JGG, § 6 StVG) den Strafaufschub ein weiteres Mal und zwar bis 1. September 2026 „zur Förderung des späteren Fortkommens“ (Punkt 1.). Gleichzeitig wies es den Antrag auf nachträgliche Strafmilderung mangels ausreichender Gründe dafür ab (Punkt 2.; ON 67).

Nur gegen die Gewährung weiteren Strafaufschubs richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie unter Hinweis auf den Abschluss der Lehre mit 20. August 2025 die Kassation dieses Beschlussteils (und erkennbar die Abweisung des darauf bezogenen Antrags) anstrebt (ON 68).

Sie ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 52 JGG ist einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres (wobei auf das Alter im Tatzeitpunkt und nicht im Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen ist [ Schroll/Oshidariin WK-StGB² § 52 JGG Rz 3]) unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 6 StVG ein Aufschub des Vollzugs einer Freiheitsstrafe, deren Ausmaß drei Jahre nicht übersteigt, zur Förderung des späteren Fortkommens (§ 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG) auch für die Dauer von mehr als einem Jahr zu gestatten, wenn dies notwendig ist, um dem Verurteilten den Abschluss seiner Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Dauer des Aufschubs richtet sich nach der voraussichtlichen Ausbildungszeit. Schließt der Verurteilte die Ausbildung innerhalb der gewährten Aufschubfrist ab, wird dies in der Regel Anlass für eine Prüfung der nachträglichen Milderung der Strafe nach § 31a StGB bieten ( Schroll/OshidariaaO § 52 JGG Rz 4 f; vgl auch Pieberin WK-StGB² § 6 StVG Rz 10; Köpf , Strafaufschub zum Abschluss einer Berufsausbildung und nachträgliche Strafmilderung, JSt 2021, 403 [405]).

Wenn auch der Beschwerdeführerin zuzustimmen ist, dass im Zeitpunkt der angefochtenen Beschlussfassung mit einem Abschluss der Berufsausbildung mit Absolvierung der Lehrabschlussprüfung am 20. August 2025 (und damit zwei Tage später) zu rechnen war, haben sich seither Entwicklungen ergeben, die eine Neubewertung der Sache erfordern (vgl § 89 Abs 2b erster Satz StPO; RIS-Justiz RS0123977; Stricker in LiK-StPO § 89 Rz 22; Mühlbacher in Schmölzer/Mühlbacher, StPO Band 1² § 89 Rz 2; Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO 2 Rz 374).

Denn am 25. August 2025 berichtete der B* beigegebene Bewährungshelfer unter Anschluss eines entsprechenden Zeugnisses, dass sein Klient die Lehrabschlussprüfung nicht bestanden habe (ON 71). Inzwischen hat er sich zur Wiederholungsprüfung angemeldet, deren Termin sei ihm jedoch noch nicht bekannt (ON 75, ON 78).

Zwar besteht keine gesetzliche Verpflichtung, die Lehrabschlussprüfung (§ 21 Abs 1 BAG) abzulegen und die Lehrzeit ist bereits dann „abgeschlossen“, wenn ein Lehrling die für seinen Lehrberuf vorgesehene Lehrzeit zur Gänze absolviert hat (RIS-Justiz RS0052667). Dennoch ist sie das Ziel der im Berufsausbildungsgesetz geregelten fachlich-praktischen Ausbildung der gewerblichen Berufsausbildung und dient der Feststellung, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen (VwGH 93/04/0170; vgl Schüller in Aust/Brokes/Huber/Schmidt/Schüller/Stocker, BAG³ § 21 Rz 4 und 6). Auch nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (zu § 2 FLAG) wird eine Berufsausbildung vom ernstlichen, zielstrebigen und nach außen erkennbaren Bemühen um einen Ausbildungserfolg gekennzeichnet; essenzieller Bestandteil davon ist das Ablegen von Prüfungen, die in der jeweiligen Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind. Eine Berufsausbildung liegt demgemäß (nur) dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Darauf, ob die erfolgreiche Absolvierung tatsächlich gelingt, kommt es dagegen nicht an. In einem Lehrberuf erstreckt sie sich jedenfalls auf die Dauer des Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches. Die anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung zählt dann dazu, wenn der Prüfungswerber das geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen erkennen lässt, etwa indem er zeitgerecht die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantragt (vgl VwGH 2009/15/0089, 2009/16/0315).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund dauert die Berufsausbildung des B*, zu deren Beendigung ihm bereits zweimalig Strafaufschub gewährt wurde, weiterhin an. Ein Termin für die Wiederholungsprüfung (§ 25 Abs 6 BAG) steht aktuell zwar noch nicht fest, seinerseits hat er aber alle erforderlichen Schritte gesetzt (ON 78). Nach alter Rechtslage (§ 25 Abs 6 BAG idF vor BGBl I 79/2003) konnte die Lehrabschlussprüfung im Falle des Nichtbestehens in der Regel erst ein halbes Jahr später wiederholt werden. Mit der BAG-Novelle 2003 wurde diese Frist jedoch gestrichen, weil die bei Ablegung der Lehrabschlussprüfung regelmäßig bereits volljährigen Prüfungsabsolventen selbst am besten entscheiden können, wann sie für einen neuerlichen Prüfungstermin vorbereitet sind, und lange Wiederholungsfristen viele Prüfungskandidaten demotivierten (ErläutRV 109 BlgNR 22. GP 24; vgl Schüller aaO § 24 Rz 6).

Ausgehend davon ist der Beschwerde insoweit Recht zu geben, als der im angefochtenen Beschluss gewährte Strafaufschub zu lange bemessen ist. In der Erwartung, dass B* zeitnah einen Termin für die Wiederholungsprüfung zugewiesen erhalten und die bereits vor Antragstellung begonnene Berufsausbildung beenden wird, ist der Strafaufschub vorerst mit 31. Dezember 2025 zu befristen.

Sollte die Berufsausbildung jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus andauern, liegt es an ihm, rechtzeitig vor Ende des Strafaufschubs unter Anschluss entsprechender Nachweise einen neuerlichen Antrag zu stellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).